Umstrittener Umbau
Anrainer erbost: 85 Parkplätze müssen Radweg weichen
Die geplante Großbaustelle auf der Wiedner Hauptstraße stößt Bewohner wie Ex-ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer und Geschäftsleute vor den Kopf.
Wien wird gerade mit Vollgas "klimafit" gemacht. Auf dem Weg in eine autoreduzierte und zweirädrige Zukunft werden nach der Mariahilfer Straße derzeit auch die Wagramer Straße in Donaustadt, die Praterstraße in Leopoldstadt und die Favoritenstraße in Favoriten umgestaltet. Während einzelne Fahrbahnen für Autos verschwinden, sollen Radler und Fußgänger mehr Platz und Sicherheit bekommen. Im Frühling 2024 erwartet die Wiener und viele Pendler eine neue Großbaustelle, die schon im Vorfeld für Zähneknirschen sorgt: Die Wiedner Hauptstraße wird auf rund 1,2 Kilometern zwischen Karlsplatz und Trappelgasse umgebaut.
Die Stadt Wien nimmt den notwendigen Gleistausch der Straßenbahnen 1 und 62, sowie der Badner Bahn zum Anlass, die stets stark befahrene Straße gänzlich neu zu gestalten. Autos sollen aber künftig nur mehr eine Spur nutzen können, ein baulich getrennter Zwei-Richtungs-Radweg wird dafür mehr Raum einnehmen. Die geplante "Entsiegelung" der Gegend bedeutet zwar mehr Bäume und Grünflächen, doch dadurch fallen auch mindestens 85 Parkplätze für Anrainer, Geschäftsleute und Besucher weg.
"Nicht alles den Radwegen opfern!"
Michaela Reitterer, langjährige Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung und ehemalige Hotel-Chefin, wohnt seit über 20 Jahren in Wien-Wieden. Ihr Mann Alexander Wecera ist sogar doppelt so lange hier zu Hause. Beide sehen den geplanten Umbau, der offiziell den Durchzugs-Verkehr reduzieren soll, aus mehreren Gründen kritisch. "Ich wohne im 4. Bezirk, bin Radfahrerin, aber auch Autofahrerin und Fußgängerin", sagt Reitterer einleitend im "Heute"-Gespräch.
"Man sollte sich nicht nur auf das Konzept konzentrieren, die Autos aus der Stadt rauszubringen und darauf, dass alle mit dem Rad kommen müssen. Die Frage sollte sein, wie können wir es am besten für alle machen? Es wohnen ja auch Menschen hier, die nicht so gut gehen können oder vielleicht mit dem Auto hereinfahren müssen." Die Wiener Tourismus-Expertin hat nichts gegen eine Baustelle, wenn sie denn eine Verbesserung bringt.
"Es kann aber nicht sein, dass wir alles den Radwegen opfern! Es wird auch nicht bei den angekündigten 85 Parkplätzen bleiben, die verschwinden sollen. Die Container für den Umbau brauchen ebenfalls Platz. Es wird auch neue Abbiege-Spuren gegen, dadurch fallen weit über 100 Parkplätze weg." Bevor die Großbaustelle im März 2024 startet, werden hier bereits seit Wochen Wasserleitungen neu verlegt. Teile der Wiedner Hauptstraße sind deshalb schon jetzt gesperrt und es fehlt bereits merklich an Parkplätzen. "Es ist eigentlich kontinuierlich Baustelle hier."
Friseur sieht Existenz gefährdet
Die fehlenden Stellplätze für PKW sind auch für die Geschäftsleute deutlich spürbar. "Wir haben jetzt schon durch das Aufreißen der Straße gegenüber einen Geschäftsentgang. Unsere Kundinnen finden kaum Parkplätze oder kommen zu spät zu Terminen. Manche sagen deshalb sogar ganz ab", sagt Mattias Ruggenthaler zu "Heute". Der Friseur führt den Salon "Ego" seit 12 Jahren. Was derzeit vor seinem Geschäft passiert, lässt ihm die Haare zu Berge stehen. "Als Unternehmer wird man nur peripher in die Planung eingebunden und muss dann mit den Resultaten leben. Ich kann nicht mehr darüber hinwegsehen, weil meine ganze Existenz und meine Mitarbeiter davon abhängig sind, was auf der Wiedner Hauptstraße passiert", ist der Coiffeur verzweifelt.
Ruggenthaler und Reitterer, die seit Jahren Kundin bei ihm ist, wünschen sich dringend ein Einlenken der Stadt Wien in der Planung. "Wir möchten in einem lebenswerten Bezirk wohnen, wo es genug Geschäfte und Nahversorger gibt, Friseure, Optiker und Apotheken. Im unteren Teil der Wiedner Hauptstraße sehe ich aber mehr geschlossene als offene Geschäfte. Wir treiben die Leute förmlich an den Stadtrand von Wien, das kann doch nicht im Interesse der Bezirksvorstehung sein", sagt die Ex-ÖHV-Präsidentin.
Neue Parkplätze in der Nachbarschaft geplant
Auf "Heute"-Anfrage verweist die Stadt Wien auf eine großen Bürger-Befragung, bei der es letztlich 1.900 Antworten gab: "Am Wichtigsten ist den Befragten Begrünung, Abkühlung und ein besseres Mikroklima sowie Vorrang für klimafreundliche Mobilität. Möglichst viele Stellplätze für PKW sind der überwiegenden Mehrheit der Befragten kein wichtiges Anliegen." Wie und wer genau dazu befragt wurde, lässt sowohl Reitterer als auch Ruggenthaler am Ergebnis zweifeln. "Statt der scheinheiligen Frage 'Finden Sie, dass Parkplätze wichtig sind?', hätte man fragen sollen: 'Was wünschen Sie sich?'", so die Hotel-Fachfrau.
Die Stadt Wien veranstaltete mehrere Info-Veranstaltungen für Anrainer und Geschäftsleute, die in den Umbau fließen sollen. "Anhand der Informationen aus diesem intensiven Austausch wird aktuell ein Baustellenkonzept erstellt, um die bestmöglichen Lösungen zwischen den unterschiedlichen Bedürfnisse zu finden. Grundsätzlich wird die Zufahrt zu Geschäften, Ladezonen und Hauseinfahrten auch während der Bauarbeiten möglich sein." Weiters betont die Stadt: "Die Wiedner Hauptstraße ist eine wichtige Geschäftsstraße. Sie ist mit den Öffis bestens erschlossen, wird aber auch nach der Umgestaltung für Autos befahrbar und als Parkraum erhalten bleiben. In angrenzenden Straßenzügen sollen Anwohner*innen-Parkplätze geschaffen werden. Darüber hinaus wird es in naheliegenden Parkgaragen vergünstigte Stellplätze geben."