"Wir bitten Sie nachdrücklich"
Brisanter Kickl-Brief an Kanzler – es geht um Corona
Vor knapp vier Jahren schlitterte Österreich in den ersten Corona-Lockdown. Mit einem Pandemievertrag will die WHO Lehren ziehen, die FPÖ protestiert.
Vor vier Jahren herrschte weltweites Corona-Chaos: Fast täglich vermeldete man neue Länder, in denen das Virus offiziell bestätigt wurde, auch Österreich wurde nicht verschont. Um eine solche Situation künftig zu verhindern, möchte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Pandemievertrag mit den 194 WHO-Mitgliedern – darunter Österreich – schließen.
Darum geht's
Der Pandemievertrag ist ein internationales Übereinkommen zur Pandemiepräventation. Dabei sollen Mitglieder besser auf künftige Seuchen vorbereitet werden – Stichwort: besser und schnellere Abstimmung zwischen Ländern, Stichwort: Verteilung der Impfstoffe. Im Netz kursieren viele Verschwörungsmythen und Falschmeldungen, die besagen, dass die WHO mit dem Pandemievertrag die Souveränität der Mitgliedsstaaten untergraben wolle. Ein aktueller APA-Faktencheck hat sich mit den gängigsten Mythen befasst.
Kickl schreibt Brief an Kanzler
Es gibt jedoch auch Kritik am Pandemievertrag: Experten wie Verwaltungsjuristin Silvia Behrendt oder Menschenrechtsexpertin Amrei Müller bemängeln das schnelle Tempo und die massive Erweiterung der Kompetenzen der WHO im Notfall.
Am 24. Mai sollen bei der 77. Sitzung der WHO-Versammlung in Genf der Pandemievertrag und die Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO am Programm stehen. Ab Montag, dem 19. Februar, tagt das internationale Verhandlungsgremium des Pandemievertrags. Aus diesem Grund verfasste FPÖ-Chef Herbert Kickl einen offenen Brief an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und die Bundesregierung.
"Eingriff in öffentliches Gesundheitssystem"
In diesem appelliert der freiheitliche Parteiobmann an die Mitglieder der Regierung, dem Pandemievertrag nicht zuzustimmen. Er ortet darin einen Angriff auf die Selbstbestimmung durch die WHO. Der Entwurf zum Vertrag zeige, dass ein "Eingriff in das öffentliche Gesundheitssystem" der Länder geplant sei, "wie er noch nie in der Geschichte der WHO stattgefunden hat", heißt es in dem Brief.
Zudem kritisiert Kickl, dass mit dem Vertrag den "wirtschaftlichen Profiteuren der Corona-Krise – Labors, Entwicklern von Impfstoffen, Pharmaunternehmen, Herstellern von pandemiebezogenen Produkten und anderen mehr" – Wege geebnet werden sollen, "dauerhaft auf Kosten des Gesundheitsbudgets der Mitgliedsstaaten Einkünfte zu erzielen".
"Wir bitten Sie nachdrücklich"
Die FPÖ bittet in dem Schreiben unter anderem "nachdrücklich", dass in den ausstehenden Verhandlungsrunden keine Einigung auf einen Text des Pandemievertrages und der Änderungen der Gesundheitsvorschriften zustande kommt. Sollte das nicht gelingen, dürfe in der Weltgesundheitsversammlung keine Mehrheit für die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften zustande kommen. Sollte auch das nicht helfen, fordert Kickl die Regierung auf, die Änderungen in Österreich nicht umzusetzen.
Staaten entscheiden souverän
Ohnehin kann die WHO nicht so einfach über die souveränen Staaten drüberfahren und die dortige demokratische Ordnung oder Parlamente aushebeln, wie die Freiheitlichen das gerne darstellen.
Durch Artikel 19 ihrer eigenen Verfassung macht die Weltgesundheitsorganisation klar, dass alle rechtlich bindenden Vereinbarungen erst Gültigkeit in einem Mitgliedsstaat erlangen, wenn die Inhalte über die dortigen verfassungskonformen Abläufe auch angenommen werden.
Stimmt ein Mitgliedsstaat nicht zu, müssen zwar die Gründe dargelegt werden, andere Konsequenzen sind in der WHO-Verfassung nicht vorgesehen. Auch im Entwurf des hier kritisierten Pandemievertrages findet sich gleich zu Beginn ein Verweis auf Artikel 19 als übergeordneter Rahmen.
Auf den Punkt gebracht
- Die FPÖ protestiert gegen den Pandemievertrag der WHO, da sie in diesem eine Untergrabung der Souveränität der Mitgliedsstaaten und eine Bevorzugung wirtschaftlicher Profiteure der Corona-Krise sieht
- FPÖ-Chef Herbert Kickl schrieb einen offenen Brief an Bundeskanzler Karl Nehammer und die Bundesregierung und forderte sie auf, dem Vertrag nicht zuzustimmen, und bittet nachdrücklich, keine Einigung auf den Vertragstext zu erzielen