Frauen vor Gericht

Bub in Hundebox– "unterkühlt wie ein Lawinenopfer"

Eine Sozialarbeiterin rettete dem 13-Jährigen das Leben. Er sei unterkühlt wie ein Lawinenopfer gewesen. Die Mutter wollte nicht sofort Hilfe holen…

Thomas Peterthalner
Bub in Hundebox– "unterkühlt wie ein Lawinenopfer"
Die Freundin der Mutter stand am Dienstag ebenfalls vor Gericht in Krems.
Privat

Nur dem Einsatz einer beherzten Sozialarbeiterin ist es zu verdanken, dass ein 13-Jähriger die Misshandlungen seiner eigenen Mutter im Waldviertel überlebte. Der Bub soll von der 33-Jährigen im Jahr 2022 fast zu Tode gequält worden sein, wir berichteten. Die Mutter – verteidigt von Top-Anwältin Astrid Wagner – ist teilgeständig. Die 40-Jährige mutmaßliche "Einflüstererin" bestreitet die Vorwürfe großteils.

Unterkühlt wie ein Lawinenopfer

"Der Bub verdankt ihnen sein Leben", so die Richterin am Dienstag zu der Sozialarbeiterin im Zeugenstand. Im Krankenhaus waren bei dem Buben chronische Erfrierungen festgestellt worden. Die Körpertemperatur sei mit nur 26,8 Grad so niedrig gewesen, wie sonst nur bei Lawinenopfern, berichtete der medizinische Gutachter. Ein paar Stunden später wäre der damals 12-Jährige mit Sicherheit tot gewesen. Der Bub konnte im Krankenhaus stabilisiert werden, lag lange auf der Intensivstation. Er überlebte knapp, hatte Dutzende Hämatome und war chronisch unterernährt. Mittlerweile hat er sich zumindest körperlich so halbwegs erholt. Die Sozialarbeiterin erklärte dann, wie die Rettung des Buben damals ablief.

In diese Hundebox sperrte die Mutter ihren Sohn ein.
In diese Hundebox sperrte die Mutter ihren Sohn ein.
CHRISTOPHER ECKL / APA / picturedesk.com

Sozialarbeiterin als Retterin

Am 22. November 2022 habe sie einen Anruf von der 40-Jährigen bekommen, sagte die Sozialarbeiterin nun am Dienstag vor Gericht in Krems (NÖ) aus. Sie habe die Frau zuvor nicht gekannt. Es sei ein wirres und komisches Telefonat gewesen. Die Zweitangeklagte habe ihr erzählt, sie habe ein Video zugeschickt bekommen, auf dem der Bub in einem sehr bedenklichen Zustand zu sehen sei.

"War klar, dass er Hilfe braucht"

Weil die Anruferin sehr nervös gewesen sei, habe sie sich entschieden, mit der 40-Jährigen zu ihrer 33-jährigen Bekannten zu fahren. Diese kannte sie bereits aus der mobilen Elternbetreuung. In der Wohnung der 33-Jährigen in Waidhofen an der Thaya sei es "surreal und skurril" gewesen. Der Bub lag leblos auf dem Boden, sei nicht mehr ansprechbar gewesen, so die Zeugin vor Gericht. "Ich bin sehr erschrocken. Es war klar, dass er Hilfe braucht."

Mutter "emotionslos" und "mechanisch"

Sie habe die Mutter mehrmals laut und scharf dazu auffordern müssen, Hilfe zu holen. Die 33-Jährige habe zuerst gemeint, sie fahre "morgen mit ihm ins Spital". Dann habe sie völlig emotionslos die Rettung angerufen. "Mechanisch" sei das gewesen. Die Hauptangeklagte habe keine Gefühlsregung gezeigt, obwohl ihr eigener Sohn dem Tode nahe am Boden lag.

"Als würde sie Pizza bestellen"

Die Frau habe den Sanitätern am Telefon die Lage geschildert, sei ungefähr so aufgeregt gewesen, "als würde sie eine Pizza bestellen". Die 33-Jährige habe nur ein Thema im Kopf gehabt – nämlich, dass der Zustand des Buben "auf sie zurückfallen" könnte. "Mehr war da nicht", so die Sozialarbeiterin. "Ich hatte eher den Eindruck, dass sie ang’fressen war."

Zweitangeklagte war "unheimlich"

Die Zweitangeklagte sei ihr laut "Krone"-Bericht unheimlich gewesen. "Weil sie ihre Stimme so seltsam veränderte." Die 40-Jährige habe den Buben in "völlig unangebrachter Babysprache" angeredet. Seiner Mutter habe sie aber klare Befehle gegeben und gemeint: "Besser du holst jetzt die Rettung".

Die Zweitangeklagte gab an, vor der 33-Jährigen Angst gehabt zu haben. Sie habe befürchtet, dass die Frau ihr oder ihren vier Kindern etwas antun könnte. Der Mutter droht lebenslang, ihrer mutmaßlichen Komplizin bis zu 15 Jahre Haft. Für die beiden Waldviertlerinnen gilt die Unschuldsvermutung.

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    In der Mitte musste sich die angeklagte Mutter hinsetzen – Fotos der Angeklagten wurden vom Gericht untersagt.
    In der Mitte musste sich die angeklagte Mutter hinsetzen – Fotos der Angeklagten wurden vom Gericht untersagt.
    Sabine Hertel

    Auf den Punkt gebracht

    • Ein 13-Jähriger überlebte nur knapp die Misshandlungen seiner Mutter, dank dem Eingreifen einer Sozialarbeiterin, die den Jungen in einem lebensbedrohlichen Zustand vorfand
    • Die Mutter zeigte keinerlei Gefühlsregung, als der Junge in leblosem Zustand gefunden wurde, und es wird vermutet, dass er lebenslange psychische Schäden davontragen wird
    • Die Mutter und ihre mutmaßliche Komplizin stehen vor Gericht und werden mit ernsten Anklagen konfrontiert
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