Politik
"Demokratie bedroht" – Van der Bellen in großer Sorge
Die Eröffnung der Salzburger Festspielen nutzte Bundespräsident Van der Bellen für einen pathetischen Appell. Er sieht die Demokratie bedroht.
Am Donnerstag hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele dazu aufgerufen, den "Weg des begründeten Optimismus" zu gehen. An die Parteien appellierte das Staatsoberhaupt, "ein Bild von einer gemeinsamen Zukunft zu entwerfen, auf die man sich freuen kann".
Anstatt wie zuletzt bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele Kritik an den Parteien und der "Normal"-Debatte zu üben, richtete sich der Bundespräsident dieses Mal an die Wähler und Wählerinnen selbst. "Die Zeit ist aus den Fugen", merkte das Staatsoberhaupt an, "Sorgen um die Leistbarkeit des Lebens, um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, ein funktionierendes Gesundheitssystem, den Mangel an Arbeitskräften, den Ausgleich zwischen den Generationen, die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, Sorgen um die Migration, Sorgen um Krieg, Sorgen um die Zukunft der Menschheit im Angesicht des Klimanotstands" würden den Alltag bestimmen. Van der Bellen: "Es ist nur menschlich, dass wir da verunsichert sind."
VdB sieht Demokratie bedroht
Doch anstatt darauf mit Fatalismus einerseits und Verleugnung andererseits zu reagieren, rief der 79-Jährige auf, den "Weg des begründeten Optimismus" zu gehen. "Ich lade sie alle ein, Ihre Augen zu öffnen und Ihren Blick zu schärfen für die vielen guten Beispiele, die es in unserem Land gibt [...] Das offensichtlichste Beispiel dafür: Wir sind frei"
„"Wir leben in einer liberalen Demokratie und jeder Mensch kann im Rahmen der Menschenrechte und Menschenpflichten tun und lassen, was jeder Mensch tun oder lassen will. Jeder Mensch kann lieben, wen er will, kann sein, wer er ist."“
Es ist längst kein Geheimnis, dass Van der Bellen die liberale Demokratie gefährdet sieht: "Eine Bedrohung ist die abnehmende Toleranz. Zu oft vermissen wir den respektvollen Umgang. Wir diskutieren kaum mehr miteinander, oft bestätigen wir uns nur in der eigenen Meinung und wenn jemand anderer Meinung ist, hören wir ihn oder sie kaum noch, weil er oder sie zu weit weg ist: Auf der anderen Seite des Grabens, der durch unsere Gesellschaft führt, schalldicht eingepackt und behütet in der Blase, in den sozialen Medien."
Das führe dann dazu, "dass Follower von Herbert Kickl glauben, in einer ganz anderen Welt zu leben als Follower von Werner Kogler oder von Beate Meinl-Reisinger oder von Karl Nehammer oder von Andreas Babler oder von Alexander Van der Bellen. Wir können darüber lamentieren, oder wir können es ändern!"
"Bringen Sie Ihre Blase zum Platzen!"
Das Staatsoberhaupt ruft die Österreicher dazu auf, die "Algorithmen zu verwirren", "indem wir auch denen 'followen', deren Meinung vielleicht nicht so ganz unserer Meinung entspricht". Mit Leuten, beispielsweise auf dem Fußballplatz, im Theater oder im Gasthaus, zu sprechen, die wir nicht kennen. "Bringen Sie Ihre Blase zum Platzen! Reden Sie miteinander, hören Sie einander zu", so VdB. Denn so würden wir Ausschnitte der Realität zu sehen bekommen, die wir anders nie zu Gesicht bekommen würden. Auch das Bild einer "gemeinsamen Realität".
"Wir müssen uns nicht mögen, um uns zu liken. Wir müssen uns auch nicht aufs Wort folgen, um uns zu 'followen'", stellte der 78-Jährige fest. Es gehe darum, sich durch andere Meinungen nicht provozieren zu lassen, sondern dadurch einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln. Van der Bellen: "Lassen Sie uns ruhig streiten. Konstruktiv streiten. Bringen wir das Beste in uns und an Österreich zum Vorschein und nicht das Niedrigste. Das ist eine Zukunft, auf die ich mich freue".