Weltgrößter Test
Eiskalt erwischt – so schnell geht E-Autos der Saft aus
Bei frostigen Temperaturen schrumpfen bei Stromern die Reichweiten teils massiv. Wie sehr, enthüllt der Check des norwegischen ÖAMTC-Partners NAF.
Bei milden Temperaturen gibt’s immer seltener was zu maulen. Da liegen Elektroautos in der Praxis mittlerweile in der Regel knapp unter bzw. zum Teil sogar deutlich über den angegebenen Reichweite-Werten.
Erheblich anders sieht das aus, wenn die Quecksilbersäule unter den Nullpunkt fällt, wie der seit 2020 zwei Mal jährlich (Sommer und Winter) abgehaltene, "El Prix" getaufte Test des norwegischen Automobilclubs Norges Automobil-Forbund (NAF) jüngst zeigte.
Fahren, bis nichts mehr geht
Diesmal wurden laut ÖAMTC 23 aktuelle, teils in Österreich noch gar nicht erhältliche E-Autos in der Praxis erprobt. "Wir haben uns angesehen, ob und in welchem Umfang die tatsächliche Reichweite von den Hersteller-Angaben abweicht. Gefahren wurde, bis der Akku komplett leer war", erklärt Florian Merker, der für den ÖAMTC beim Wintertest vor Ort war.
Insgesamt wurden in Norwegen über 1.000 Höhenmeter überwunden, die Außentemperatur bewegte sich zwischen -5 und -10 Grad Celsius – die Ergebnisse sind also durchaus für österreichische Gegebenheiten relevant.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Test: Während die Abweichungen zum WLTP bei gemäßigten Sommer-Temperaturen weitgehend vernachlässigbar sind, muss man im Winter im schlimmsten Fall mit über 30 Prozent geringerer Reichweite rechnen.
Reichweiten brechen um bis zu 32 Prozent ein
Dabei kann das Verhalten einzelner Fahrzeuge höchst unterschiedlich sein. Beispiele: "Der XPeng G9 hat laut WLTP eine Reichweite von 520 Kilometern“, so Merker. „Im sommerlichen Norwegen-Praxistest schaffte er fast 590 Kilometer, im Winter nur 452 Kilometer, was bedeutet, dass der WLTP in diesem Fall den Mittelwert sehr gut trifft. Anders beim Toyota bz4X AWD: Dessen Reichweite lag im Sommer um drei Prozent, im Winter um knapp 32 Prozent unter dem WLTP-Wert von 460 Kilometern."
WLTP steht dabei für "Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure". Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Bestimmung von Verbrauchs- und Emissionswerten von Pkw. Die auf dem Rollenprüfstand ermittelten Werte werden häufig auch in den Verkaufsunterlagen kommuniziert – die Erfahrung und Tests wie der "El Prix" zeigen jedoch, dass sich der tatsächliche Verbrauch mitunter massiv von den WLTP-Messungen unterscheidet.
Bei den meisten Testkandidaten weicht die winterliche Reichweite zwischen zwölf und knapp 32 Prozent vom WLTP ab. "Auch wenn allgemein bekannt ist, dass Extremtemperaturen großen Einfluss auf den Stromverbrauch haben, sollten sowohl Hersteller als auch der Handel unmissverständlich auf diesen Umstand hinweisen", fordert ÖAMTC-Techniker Merker.
China-Modell als Sieger, BMW auf Platz 2
Eine Ausnahmeerscheinung im Reichweiten-Test kommt aus China, so der ÖAMTC: Dem in Europa noch weitgehend unbekannten HiPhi Z gingt im norwegischen Winter erst nach 522 Kilometern der Saft aus. "Damit lag er nur knapp sechs Prozent unter der WLTP-Reichweite von 555 Kilometern und ist eindeutiger Testsieger – sowohl absolut als auch hinsichtlich der Abweichung zum WLTP konnte ihm kein anderer Kandidat das Wasser reichen", stellt Merker klar. BMW landete mit dem i5 und einer Negativ-Abweichung von 12,2 Prozent (siehe Tabelle) auf dem zweiten Platz.
Freilich ist, so Merker, das Ergebnis des HiPhi Z im Moment vor allem unter technischen Gesichtspunkten interessant. Denn: Derzeit liege der Kaufpreis bei rund 100.000 Euro. "Auch wenn dieses Auto nur für wenige Käuferinnen und Käufer infrage kommen dürfte, zeigt der Test, was noch alles möglich ist – wir hoffen, dass sich andere Hersteller in technischer Hinsicht ein Beispiel daran nehmen", hält der ÖAMTC-Experte fest.
Stromer punkten bei der Ladezeit
Neben der Reichweite ist für E-Auto-Käufer besonders wichtig, wie lange das Laden dauert. "Die gute Nachricht: Die Hälfte der Testkandidaten brauchte weniger als 30 Minuten für eine Ladung von zehn auf 80 Prozent", so Merker. "Dabei zeigte sich auch, dass größere Batterien nicht nur für die maximal mögliche Reichweite relevant sind, sondern auch schneller geladen werden."
Auf den Punkt gebracht
- Bei Tests in Norwegen wurden über 23 verschiedene E-Auto-Modelle auf ihre Reichweite bei winterlichen Temperaturen geprüft
- Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die tatsächliche Reichweite je nach Modell und Temperatur um bis zu 32 Prozent unter den Herstellerangaben liegt
- Ein chinesisches Modell, der HiPhi Z, fiel dabei besonders positiv auf, indem es nur knapp unter der WLTP-Reichweite lag, obwohl der Kaufpreis mit rund 100.000 Euro hoch ausfällt