Himalaya-Gletscher
Gletscher dämpfen mit kalten Winden das Abschmelzen
Steigende Temperaturen führen im Himalaya paradoxerweise zu einer Kühlung der Gletscher. Dies könnte helfen, die Folgen der Erwärmung zu mildern.
Um den steigenden globalen Temperaturen entgegenzuwirken, kühlen die Gletscher im Himalaya die Luft, die mit der Eisoberfläche in Berührung kommt, zunehmend ab. Die daraus resultierenden kalten Winde könnten dazu beitragen, die Gletscher zu kühlen und die umliegenden Ökosysteme zu erhalten.
Auf diese Entdeckung ist ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Francesca Pellicciotti, einer neuen Professorin am Insitute of Science and Technology Austria (ISTA), gestoßen.
Vereinfacht gesagt, löst die Klimaerwärmung in den Himalaya-Gletschern eine Abkühlungsreaktion aus, bei der kalte Fallwinde, sogenannte katabatische Wind, die Hänge hinabwehen. Dadurch kühlt sich die Luft am Gletscher ab. Dieser Effekt, den ein internationales Forschungsteam auf der Südseite des Mount Everest in Nepal festgestellt hat, könnte auch den tiefer liegenden Ökosystemen zugutekommen. Das Phänomen könnte dazu beitragen, den Permafrost und die umliegende Vegetation zu erhalten.
Vorübergehende Linderung
Wie lange sich gesunde Gletscher, der Permafrost und die umliegende Vegetation des Himalaya noch zur Wehr setzen können, bleibt freilich ungewiss. Die Gletscher an den Südhängen des Himalaya seien klassische Beispiele für "Akkumulations-Ablations-Gletscher", erklären die Wissenschafter. Sie sammeln durch die Sommermonsune des indischen Subkontinents in großen Höhen Masse an und verlieren gleichzeitig an Substanz durch das kontinuierliche Abschmelzen.
Die katabatischen Winde verschieben nun dieses Gleichgewicht: Die kälteren Luftmassen, die von den Gletschern herabströmen, senken die Höhe, in der die Niederschläge stattfinden. Dies führt dazu, dass den Gletschern ein wichtiger Masseneintrag fehlt, während sie weiter schmelzen. Die kühlen Temperaturen, die von den Gletschern abfließen, sind also eher als Notfallreaktion auf die globale Erwärmung zu betrachten, die wohl allenfalls vorübergehend Linderung verschafft.
Denn die Eiskappen der Himalayagipfel schmelzen laut jüngsten Studien stellenweise schneller als je zuvor. Zwischen 2011 und 2020 habe sich der Schwund um 65 Prozent beschleunigt, ergab eine Untersuchung im vergangenen Juni. Am generellen Trend wird sich so schnell vermutlich auch nichts ändern, ein nun beobachteter paradoxer Prozess könnte die Folgen des Klimawandels für die Hochgebirgsgletscher Asiens aber immerhin etwas abmildern.