16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Kind fast entführt – "Sie zerrte es noch aus dem Auto"
Als Leiterin des Frauen-Wohnprojektes "hafen*" der Volkshilfe Wien ist Andrea Schober immer wieder mit schrecklichen Schicksalen konfrontiert.
In diesem Haus ist der Name Programm: Wie ein sicherer Hafen fühlt sich das gleichnamige Gebäude der Volkshilfe in der Heiligenstädterstraße (Döbling) an. Für viele der hier lebenden Frauen ist es genau das, was sie am meisten benötigen. Von den 29 Wohnungen sind 15 für von Gewalt betroffene Frauen reserviert. Ihre Schicksale rücken im Rahmen der Aktion "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" wieder besonders in den Fokus.
"Die Frauen tragen eine Grundanspannung mit sich"
Die meisten kommen direkt aus Frauenhäusern. Dort können sie bleiben, solange eine akute Gefährdung besteht. Danach beginnt die Wohnungssuche, die sich oft als schwierig bis unmöglich herausstellt. "Der Wohnungsmarkt ist angespannt und die Vermieter können sich die Mieter aussuchen. Für Frauen mit geringem Einkommen und kleinen Kindern ist es sehr schwierig", weiß Leiterin – liebevoll "Hafenmeisterin" genannt – Andrea Schober.
Die Frauen kommen also im "hafen*" an, wo sie mit ihren Kindern in 1- oder 2-Zimmer Wohnungen ziehen. Meist handelt es sich um junge Frauen mit kleinen Kindern, die wenig Berufserfahrung oder Ausbildung haben. "Sie tragen eine Grundanspannung mit sich, hatten lange eine schwierige Lebenssituation", berichtet Schober. "Es dauert, bis sie sich öffnen, sich hier orientieren und Vertrauen fassen. Bis sie wissen, sie sind hier sicher."
"Dinge, die sich keine Mutter vorstellen will"
Mit schlimmen Schicksalen ist Schober regelmäßig konfrontiert. Manche bleiben ihr besonders in Erinnerung: "Eine junge Frau kam zu uns, deren Kind vom Ex-Partner beinahe entführt wurde. Das konnte nur in letzter Minute verhindert werden, das Kind wurde noch aus dem Auto gezerrt. Der Mann hätte es vermutlich ins Ausland gebracht. Wenn ich daran denke, habe ich immer noch Gänsehaut. Das sind Dinge, die sich keine Mutter vorstellen will." Bei Fällen wie diesen sei es gut, die Polizeistation gegenüber zu wissen. "Die Dame hat gleich Kontakt zur Grätzelpolizistin gesucht und das gab ihr Sicherheit."
In einem anderen schrecklichen Fall ging die Gewalt nicht vom Mann, sondern von den Schwiegereltern aus. "Das haben viele nicht im Radar. Aber wenn ein traditionelles Rollenbild herrscht, haben diese oft genaue Vorstellungen von der Schwiegertochter. Werden diese nicht erfüllt, ist Gewalt die Antwort und die Männer lehnen sich nicht gegen die eigenen Eltern auf", so Schober. Immer wieder sei sie überrascht, wie viel Stärke die Frauen nach all dem Erlebten zeigen: "Sie sind Kämpfernaturen – obwohl sie viel erlebt und viel gesehen haben. Sie versuchen, jeden Tag das Beste aus ihrem Leben zu machen, trotz schwieriger Bedingungen. Und sie sind für ihre Kinder da, was auch Energie kostet."
Gewalt gegen Frauen – ein Männerproblem
Für die Expertin steht jedenfalls fest: "Gewalt gegen Frauen ist ein Männerproblem!" Daran müsse gearbeitet werden – wie etwa in der Männerberatung der Volkshilfe Wien. "Was wir hier machen ist Schadensbegrenzung. Das ist wertvoll und gut, aber das Ziel ist, darauf hinzuarbeiten dass es so etwas nicht mehr gibt. Man muss schauen, was mit den Männern los ist und warum es immer noch so ein toxisches Spannungsfeld ist."
Das reiche jedoch nicht aus: "Es braucht endlich eine wirkliche Gleichstellung von Mann und Frau. Sobald es dieses finanzielle oder gesellschaftliche Gefälle nicht mehr gibt, wird es für Täter immer schwieriger, überhaupt ein Opfer zu finden." Viele Frauen würden lange bei den Männern bleiben, weil sie kein eigenes oder ein zu geringes Einkommen haben. "Sie fragen sich, wie sie das machen sollen", so Schober. "Und es braucht viele Schritte bis sie sagen, es geht nicht mehr. Das kettet Frauen an die Männer."
Weg in die Selbstständigkeit
Aber auch von vielen positiven Erlebnissen weiß Schober zu berichten: "Es ist immer wieder schön, wenn Frauen zu uns kommen und sagen, sie sind froh, hier zu sein und fühlen sich sicher. Die Hausgemeinschaft ist sehr eng, man kennt und hilft sich untereinander." Drei Jahre können die Frauen im "hafen*" bleiben. Sie erhalten Unterstützung von Sozialarbeitern, gemeinsam wird an der materiellen Sicherung sowie der Arbeitsmarktintegration gearbeitet. "Können Frauen ihr Leben selbst finanzieren, sind sie besser gewappnet", sagt Schober. Die Kinder bekommen Hilfe bei Schulaufgaben und beim Lernen, aber auch Freizeitaktivitäten werden angeboten – vor allem solche, die sich die Mütter nicht leisten könnten. Nach drei Jahren ist das Ziel, die Familien in die Selbstständigkeit zu entlassen. Schon nach zwei Jahren kann um eine Gemeindewohnung angesucht werden.
Wer helfen möchte, kann das in Form von Geld- oder Sachspenden tun. Besonders gefragt sind Aktivitäten-Gutscheine für die Kleinsten. "Eintrittskarten in den Zoo, ins Kino oder zum Eislaufen. Solche Spenden sind sehr beliebt und darüber freuen sich die Familien immer", so Schober. Mehr auf www.volkshilfe.at