So fallen die Reaktionen aus
"Nicht unerwartet" – Experte ordnet Kurz-Urteil ein
In der ZIB2 ordneten Robert Kert und Peter Filzmaier das Urteil gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz ein. Für Erstgenannten kommt es nicht überraschend.
Es kommt nicht oft vor, dass sich ehemalige Regierungschefs vor Gericht verantworten müssen. Umso größer war das öffentliche und mediale Interesse am Freitag im Landesgericht für Strafsachen in Wien. im Großen Schwurgerichtssaal musste sich neben Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz auch dessen früherer Kabinettschef Bernhard Bonelli verantworten. Beide Personen wurden wegen Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu bedingten Haftstrafen verurteilt. Kurz fasste acht Monate bedingte Haft aus, Bonelli sechs Monate. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Sebastian Kurz sprach noch am Freitag in einem ersten Statement von einem "sehr ungerechten" Schuldspruch. Er habe nicht falsch ausgesagt, zeigte er sich in der Stellungnahme überzeugt. Das Urteil des Richters habe ihn überrascht. Gleichzeitig zeigte sich der frühere Regierungschef zuversichtlich, in zweiter Instanz Recht zu bekommen.
Die Reaktionen aus der Politik ließen nicht lange auf sich warten. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger erklärte, dass es sich nicht um ein "Kavaliersdelikt" handle. Es gehe aber nicht um die Person Sebastian Kurz oder einzelne Aussagen. "Es geht darum, dass die Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ ein System geschaffen haben, das endlich geändert gehört. Alles liegt am Tisch, wir haben aufgezeigt, was zu tun ist", erklärte sie.
Für die rechtliche Aufarbeitung des Systems Kurz ist das eher ein kleinerer Schauplatz“, sagt Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im aktuellen Cofag-U-Ausschuss und in den letzten beiden U-Ausschüssen (Ibiza, ÖVP-Korruption). "Die 'Ära Kurz' wird die Gerichte noch auf Jahre beschäftigen", so der Sozialdemokrat. Von einem "unerwarteten Urteil" sprach hingegen nicht ganz überraschend ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung.
Schuldspruch keine Überraschung
Der Prozess und dessen Ausgang war freilich auch in der ORF-Sendung "ZIB2" Thema. Am Freitagabend ordneten Politikwissenschafter Peter Filzmaier und der Strafrechtsexperte Robert Kert das Verfahren politisch und juristisch bei Moderatorin Marie-Claire Zimmermann ein.
Kert erklärte, dass das Urteil zumindest nicht "ganz unerwartet" gekommen sei. Das Strafausmaß sei im erwartbaren Rahmen – im unteren Drittel – geblieben. Es hätte nicht viel gegeben, was für eine härtere Strafe gesprochen hätte. Die Urteilsbegründung sei sehr detailliert gewesen, der Vorsitzende hätte seine Beweiswürdigung genau dargelegt, so Kert.
Politisch würde ein ganzes Konstrukt der ÖVP einbrechen, analysierte Polit-Experte Peter Filzmaier gewohnt schonungslos. Die ÖVP habe im Vorfeld des Prozesses erklärt, Thomas Schmid lüge wie gedruckt. Das lasse sich nun schwer aufrechterhalten, wenn zumindest ein Richter erklärt, dass die Aussagen Schmids glaubwürdig seien.
"Strahlkraft vorbei"
Wie sehr schade dieses Urteil der Volkspartei, wollte Zimmermann wissen. Dass der Spruch der ÖVP schade sei "selbstverständlich" und eine "Binsenweisheit", so Filzmaier. Zudem würde es der gewünschten Themensetzung der ÖVP im Wahlkampf schaden. Im "Österreichplan" von Bundeskanzler Karl Nehammer käme "Sebastian Kurz" oder gar "Verurteilung" kein einziges Mal vor, erklärte er schelmisch.
Wie realistisch sei ein Polit-Comeback? Nun, es gebe nicht viele öffentliche Daten aus der Politikforschung. Was bekannt sei, beziehe sich aber auf Daten, die vor der erstinstanzlichen Verurteilung erhoben worden seien: Eine Liste von Sebastian Kurz würde wohl den Einzug in den Nationalrat schaffen, dabei aber kaum zweistellig werden. Und selbst, falls es innerhalb der Volkspartei zu einem Comeback käme, brächte das der ÖVP recht wenig. Diese würde nämlich praktisch nichts dazugewinnen. Denn, wer ein Kurz-Fan sei, wähle die ÖVP mit oder ohne Kurz. "Da ist nichts zu gewinnen". Filzmaiers Befund. "Die Strahlkraft von Sebastian Kurz sei vorbei. "Besser geworden wird's nicht sein", so Filzmaier abschließend.
Auf den Punkt gebracht
- Sebastian Kurz und sein ehemaliger Kabinettschef wurden wegen Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu bedingten Haftstrafen verurteilt, was auf großes öffentliches und mediales Interesse stieß
- Die politischen Reaktionen auf das Urteil waren gemischt, wobei ein Experte das Strafausmaß als erwartbar einordnete und die politischen Auswirkungen auf die ÖVP als bedeutend beschrieb