Nehammer-Ansage
"Nicht vertretbar"! Kanzler äußert sich zu Tonband-Gate
Ein aufgetauchtes Pilnacek-Tonband bringt die ÖVP ins Schwitzen. Kanzler Karl Nehammer reagiert nun während einer Pressekonferenz auf die Affäre.
Wenige Monate vor seinem tragischen Tod getätigte Aussagen des Ex-Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek (†60) bringen die ÖVP jetzt in Bedrängnis. In einem Nobel-Lokal hatte der damals suspendierte Spitzenbeamte gegenüber Vertrauten – einer nahm das Gespräch auf – geschildert, wie er von der Volkspartei massiv unter Druck gesetzt worden war, Ermittlungen gegen die Türkisen einzustellen. Vor allem wütete Pilnacek offenbar gegen ÖVP-Politiker und Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka.
Die Aussagen aus dem Mitschnitt davon wurden am Dienstag durch den "Falter" öffentlich. Seither befindet sich die Kanzler-Partei im Krisenmodus, schlägt um sich. Auch beim Pressefoyer nach dem Ministerrat, wo die Regierung eigentlich ihren endlich ausverhandelten Finanzausgleich präsentieren wollte, wurde von dem Tonband-Gate überschattet.
Das sagt Nehammer
Bundeskanzler Karl Nehammer wurde von den anwesenden Reportern direkt mit den Pilnacek-Aussagen konfrontiert. Auch ob er nach den Enthüllungen weiter zu Sobotka stehen könne, wurde thematisiert. Der VP-Chef reagierte unwirsch und abweisend:
"Ich muss ganz offen sagen, dass ich es persönlich mehr als pietätlos finde, was gerade passiert. Um Politik zu machen, wird die Totenruhe gestört. Christian Pilnacek kann sich dazu nicht mehr äußern", donnerte Nehammer zurück und sprach von einem "moralischen Tiefpunkt" im politischen Diskurs.
"Es ist moralisch für mich nicht vertretbar und ich werde mich nicht daran beteiligen, diese Diskussion so fortzuführen", so der Kanzler weiter und gab ein eindeutiges Bekenntnis zum Ersten Nationalratspräsidenten ab: "Und ja, Wolfgang Sobotka hat mein Vertrauen."
Eil-Pressekonferenz einberufen
Frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" war VP-Generalsekretär Christian Stocker schon kurz nach Auffliegen der Affäre vorgeprescht und hatte zum Rundumschlag ausgeholt. Er sprach von "Stasi-Methoden" und ortete eine Schmutzkübel-Kampagne. Am Abend stritt er sich noch mit ZIB2-Moderator Armin Wolf um die Auslegung von Pilnaceks Zeilen. Ergebnis: Stocker wurde grantig, ärgerte sich, dass dem "Wirtshausgespräch" mehr Glauben geschenkt werde als einer Aussage vor dem U-Ausschuss.
Am heutigen Mittwoch will Stocker nun offenbar noch einmal nachlegen. Um 7 Uhr früh verschickte die Volkspartei eine "EILT-Einladung" an Medienvertreter für eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz kurz vor 10 Uhr. Thema: "Wer sind die Hintermänner des Gesprächsmitschnitts?" – von und mit Christian Stocker.
"Hast versagt" – das brisante Protokoll der Abhöraffäre
Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek warf der ÖVP im Beisein von Vertrauten, ihn bedrängt zu haben, Ermittlungen gegen die Partei einzustellen. Der "Falter" zitiert Pilnacek aus einem Protokoll der Aufnahme:
„Man verlangt, dass ich Ermittlungen einstelle. Das kann ich nicht, das mache ich nicht! Da kamen ÖVP-Minister, selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP schon stattgefunden hat, kam man zu mir und fragte, warum drehe ich das nicht ab? Ich habe immer gesagt, ich kann es nicht, ich mach es nicht, ich will es nicht.“
Die Wutrede kam zu einem Zeitpunkt, zu dem Pilnacek suspendiert worden war, weil ihm durch geleakte Chats vorgeworfen wurde, versucht zu haben, die Ibiza-Ermittlungen zu torpedieren und Korruptions-Ermittler observieren zu lassen.
Zumindest eine Mitschuld an seinem Fall dürfte Pilnacek dabei der ÖVP und vor allem dem Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka gegeben haben:
„In jedem Gespräch sagt der Sobotka, Du hast selber versagt, Du hast es nie abgedreht. Aber das geht nicht und ich mache es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat. (...)“
Wie Pilnacek betonte, sei er nie und nimmer auf die ÖVP-Begehrlichkeiten eingegangen, und habe sich ordentlich Kritik anhören können, warum er denn nicht eingreifen wolle:
„Als ich sagte, tut ihr auch was für meine Unterstützung? (...) kam als Antwort: Du warst ja nie bei uns. Das Zweite ist, dass sie gesagt haben, Du hast ja nie eine Hausdurchsuchung bei uns verhindert. So denken die. Die müssen froh sein, wenn ich nicht irgendwelche Dinge sage.“
Wie es im "Falter"-Bericht zudem heißt, belastete Pilnacek nicht nur Sobotka, sondern auch die Ex-Justizministerin Beatrix Karl (im Amt 2011 bis 2013), und zwar im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre. Bekanntlich wurden im Rahmen des Skandals Kursmanipulationen der Telekom-Aktie mitsamt unerlaubten Wahlkampf-Spenden vermutet – auch die ÖVP geriet in die Ermittlungen. Und, so der Vorwurf Pilnaceks vor seinen Vertrauten, Ministerin Karl hätte dies auf Druck der Partei abstellen sollen – und habe deswegen das Gespräch mit ihm gesucht:
„Ich kann nichts tun. Ich mache auch nichts. Ist alles rechtswidrig. Kann ich nicht leisten.“