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"Starfield" im Test – auf ins ganz neue Universum

Kaum ein Titel hat einen solchen Hype wie "Starfield" ausgelöst. Im Test zeigt sich: Viele werden es als Meisterwerk feiern, aber längst nicht alle.

Rene Findenig
"Starfield" im Test – der Hype war und ist zu einem großen Teil gerechtfertigt.
"Starfield" im Test – der Hype war und ist zu einem großen Teil gerechtfertigt.
Bethesda

Bethesda weiß, wie man Spiele-Universen schafft – schließlich sind "The Elder Scrolls" oder "Fallout" jedem Zocker weltweit ein Begriff. Mit "Starfield" (Xbox Series X|S und PC) startet nun das vielleicht ambitionierte Projekt der Entwickler, das nicht nur als Kandidat für das Spiel des Jahres gehandelt wird, sondern auch ein ganz neues Spiele-Universum eröffnen soll – seit rund 25 Jahren erstmals wieder ein neues der Bethesda Game Studios. Im "Heute"-Test zeigt sich aber schnell: Für einen Kracher im Mittelpunkt eines neuen Game-Universums fehlt es noch an Motivation und Höhepunkten, als einzelnes Spiel für sich gesehen ist es aber ein Hit geworden. Und das mit den weiteren Inhalten dürfte auch nur eine Frage der Zeit sein.

Die Rahmenhandlung von "Starfield" ist schnell erzählt und erinnert etwas an "Star Trek": Im Jahr 2330 ist es für Menschen möglich geworden, über die Grenzen unseres Sonnensystems zu reisen und die Galaxie zu erkunden. Der Spieler oder die Spielerin schlüpft dabei in die Rolle eines Mitglieds interstellarer Entdecker, die sich "Constellation" nennen. Sie besuchen und erforschen fremde Planeten und sind ganz speziell auf der Suche nach so mysteriösen wie wertvollen Artefakten. Neue Planeten im Weltall erkunden, außerirdische Kulturen entdecken – der Vergleich mit einem "No Man's Sky" (ohne dessen katastrophale Probleme beim Start, die mittlerweile bewundernswert behoben wurden) ist hier alles andere als abwegig.

Hier hätte man ruhig etwas ausmisten dürfen

Über 1.000 Planeten lassen sich in "Starfield" erkunden, wobei dann der Vergleich mit "No Man's Sky" schnell flöten geht. Manche der Planeten sind menschenfeindlich und von gefährlichen Klippen und Schluchten oder Wüsten und Eismassen durchzogen, andere wiederum dicht bevölkert, hochmodern bebaut und einladend für Gespräche und Abenteuer. In "Starfield" bleiben Spieler nicht stummer Beobachter und dokumentieren ihre Funde, sie stehen im Mittelpunkt und können entscheiden, ob sich ihre Geschichte um das Leben in einer fremden Planetenstadt als Geschäftsmann, um die Macht eines Diplomaten in der All-Politik oder als Entdecker ganzer Universen drehen soll. Gefühlt stehen den Spielern im Game Dutzende Wege offen.

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    Bethesda weiß, wie man Spiele-Universen schafft – schließlich sind "The Elder Scrolls" oder "Fallout" jedem Zocker weltweit ein Begriff. Mit "Starfield" (Xbox Series X|S und ...
    Bethesda weiß, wie man Spiele-Universen schafft – schließlich sind "The Elder Scrolls" oder "Fallout" jedem Zocker weltweit ein Begriff. Mit "Starfield" (Xbox Series X|S und ...
    Bethesda

    Dazwischen ist zu finden, was schon "The Elder Scrolls" und "Fallout" groß gemacht hat: Hunderte auffind- und verwendbare Ausrüstungsgegenstände, an jeder Ecke Haupt- und Nebenquests, eindrucksvoll geschriebene Charaktere, zahlreiche Upgrade- und Skill-Systeme, aber auch tonnenweise Inventar-Aufräumarbeiten, NPCs ohne Tiefgang und eine sich etwas zäh ziehende Rahmenhandlung. Vieles in "Starfield" wie das Sammeln und Sekunden später notwendige Ausmisten von Items oder Dialoge mit nichtssagenden Wahloptionen wirkt so, als ob es die Dinge nur gebe, um das Spiel in die Länge zu ziehen – die Genialität liegt dagegen in den Freiheiten des Spielers, den Storys zwischen den Zeilen und der wunderschönen Optik.

    "Starfield" ist einer der immersivsten Titel aller Zeiten

    Grafisch ist das Game zum größten Teil Weltklasse. Kritikpunkte gibt es an hölzern animierten NPCs, die einfach nicht lippensynchron sprechen wollen (wobei auch die deutsche Vertonung fantastisch ist). Die Planeten, Städte und Lichteffekte sehen dafür wie aus einem millionenteuren Science-Fiction-Film aus – vielleicht fallen die da nicht reinpassenden NPCs auch gerade deswegen besonders auf. Egal, ob Spiegelungen in den Glaswänden einer Raumstation oder das Funkeln einer Sonne in den Hightech-Türmen einer Megastadt – aber auch die Laser-Salven einer Waffe oder das Explodieren eines Piraten-Raumschiffs sehen so gut aus, dass man selbst noch nach über 50 Stunden im Spiel nicht aus dem Staunen heraus kommt.

    Das ganze Geschehen in Städten, in denen man sich direkt in eine Folge "Star Trek" oder in einen "Star Wars"-Film versetzt fühlt, läuft im PC-Test auch extrem flüssig und ohne große Probleme ab – ein Pop-in hier, eine nachladende Textur da, aber nichts stört optisch den grandiosen Eindruck. Und "Starfield" ist zudem einer der immersivsten Titel, die wir jemals spielen durften. Die nicht wirklich mitreißend inszenierte Hauptgeschichte ist schnell vergessen, wenn man sich in den vielen Abenteuern des Games verliert. So können wir uns einer der vier Fraktionen anschließen und etwa auf den Planeten in Wild-West-Manier und passend gekleidet als Sheriff für Ordnung sorgen oder als Verführer mit Teammitgliedern anbandeln.

    Sex gibt es, aber nur hinter den Videospiel-Kulissen

    Apropos anbandeln – das scheint mit mindestens vier der Hauptcharaktere zu funktionieren und geschieht, indem wir uns einerseits immer wieder mit den Figuren unterhalten, andererseits sie als Begleiter auf unsere Missionen mitnehmen. Funkt es, geht es übrigens auch heiß her – als Spieler bekommt man davon aber nichts zu sehen. Doch zurück zu den Abenteuern: Bewundernswert ist, wie gut es Bethesda geschafft hat, Tausende kleine Erlebnisse und Details in die Hunderten Storys des Spiels zu verpacken. Neben der bombastischen Erkundung des Weltalls darf man sich in den kleinsten Dingen verlieren – etwa mit einer Familie auf einem der Hunderten Planeten den Alltag erleben und bei Beziehungs- und Geld-Problemen helfen.

    Klingt doch gleich viel besser als das eigentliche Hauptziel des Titels, nämlich irgendwelche komischen Steine als Minenarbeiter aus der Wand zu lasern. Zwangsweise fragt man sich bereits nach wenigen Stunden in "Starfield", warum die Entwickler den Einstieg nicht etwas motivierender und die Haupthandlung nicht etwas spannender gestaltet haben. Nicht falsch verstehen, "Starfield" unterhält und spielt sich fantastisch – wenn man allerdings selbst auf die Suche nach den Sorgen und Freuden der All-Bewohner geht, die Planeten nach ihren spannenden Geschichten abklappert und sich zwingt, weit von den Hauptmissionszielen abzuweichen. DAS große Hauptstory-Abenteuer eines "Elder Scrolls" fehlt "Starfield".

    In den kleinen Geschichten stecken die großen Abenteuer

    Was nicht ist, kann aber ja vielleicht mit kommenden Inhalten noch werden – denn schon jetzt unterhalten die verschiedenen Questreihen des Spiels, in denen man jeweils andere Rollen als Entdecker, Gesetzeshüter oder sogar Detektiv aus der Suche nach den Hintergründen einer Intrige betätigt, sehr gut. So abwechslungsreich wie die Quests und Erlebnisse gestaltet sich aber auch das Gameplay. Soll man als Sheriff für Recht und Ordnung sorgen, steht es dem Spieler beispielsweise in vielen Fällen völlig frei, ob man das wild herumballernd mit einem beeindruckend großen Waffenarsenal, schleichend als stiller Rächer, diplomatisch mit einem Mix aus Bestechung und Politik oder auch emotional mit Überzeugungsarbeit tun will.

    Generell ist "Starfield" nicht nur inhaltlich, sondern auch spielerisch ein Titel für Entdecker, denn es gibt dermaßen viele Mechaniken, dass man sie selbst suchen und ausprobieren muss, denn ein Tutorial um alles zu erklären würde wohl mehrere Tage dauern. So kann man nicht nur in Rollenspiel-Manier die Planeten und Städte oder Raumstationen ablaufen und mit den Anwesenden reden oder Aufträge für sie erfüllen und dabei Beute einstreifen, sondern auch im Shooter-Gameplay-Stil zu Laser-Kämpfen auf der Planetenoberfläche oder mit "Star Wars"-Flair zu Raumschiff-Schlachten im All antreten. Sogar der Bau eigener Basen zu riesigen Außenposten ist möglich. Das Spiel deutet die Möglichkeiten an, bindet sie aber kaum ein.

    Die belebten Planeten wurden beeindruckend umgesetzt

    Schade, dass es dem Spiel etwas an der Motivation fehlt, denn die vielen Freiheiten im Spiel machen richtig viel Spaß. Da hätte uns die Kampagne des Games ruhig abverlangen können, zumindest die Grundlagen aller Möglichkeiten in Form von kleinen Missionen absolvieren zu müssen – stattdessen muss man sich selbst reinfuchsen. Doch auch hier gilt wie bei so vielem: Hat man sich erst einmal mit einem Aspekt beschäftigt, fesselt er gewaltig. Besser ist da die Auswahl der Planeten gelungen, die mit unterschiedlichen Oberflächen, Fauna und Flora bestückt sind. Wirkliches Leben und Zivilisationen gibt es nur auf einem Bruchteil, dafür dann aber in Millionen Facetten und wunderschöner Optik sehr beeindruckend umgesetzt. 

    Damit die Erkundung unwirtlicher Planeten nicht in tagelange Spaziergänge ausartet, haben die Entwickler ein schlaues System umgesetzt. So können die Planetenoberflächen nicht komplett abgesucht werden, sondern bestehen aus recht großen, offenen Arealen, die dann irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Das leider recht unschön: Statt an unüberwindbaren Bergen und Schluchten steht man irgendwann einfach an unsichtbaren Mauern oder Text-Warnung an, die am Weitergehen hindern. Das wäre auch anders gegangen. Wo Leben herrscht, ist das aber wieder egal, denn da kann sich einfach nicht satt sehen an Weltraum-Luxusanlagen, an Tatooine erinnernde Wüstendörfer, Neonlicht-Metropolen oder Siedlungen aus Eis.

    "Starfield" im Test – auf ins ganz neue Universum

    Auf den Planeten fallen Ungereimtheiten auf – so stehen oft Fahrzeuge herum, man muss aber alle Wege laufen. Oder aber es gibt so wenig zu entdecken, dass man nur Ressourcen abbauen kann, um Waffen, Items und Außenposten auszubauen oder zu verbessern. Wie bei so vielem in "Starfield" gilt jedoch: Ob man einen Außenposten aufbauen oder Ausrüstung verbessern will, ist optional. Tut man es aber, öffnen sich neue Möglichkeiten – man kann zum Alien-Jäger werden und seltene Ressourcen erhalten oder mit einer Basis Handel im All treiben. Auch das eigene Raumschiff kann gegen Spielgeld detailliertest mit einem Editor angepasst werden, was wir in keinem Science-Fiction-Game bisher so erlebt haben.

    Die Nerven strapaziert wiederum die Schnellreise. Statt von einem Ort zum anderen zu springen, muss man eine Karte öffnen, das Ziel wählen, eine Videosequenz anschauen, einen Planeten wählen und schließlich einen Landeplatz suchen, bevor es eine neue Videosequenz gibt. Der eigene Charakter wiederum darf nicht nur vollumfänglich angepasst, sondern auch mit einer Hintergrundgeschichte versehen werden, die dann schon einige der freischaltbaren Skills aktiviert. Diese wiederum bestimmen, wie überzeugend wir in Gesprächen, wie gut wir in Kämpfen und wie toll wir bei der Schiffswartung sind. Dabei gibt es so weit verzweigte Skill-Trees, dass zahlreiche einzigartige Spezialisierungen unserer Figur möglich sind.

    "Starfield" ist letzten Endes ein Meisterwerk, aber eines, dass es nicht allen Spielern leicht machen wird, es zu lieben. Dabei sind es nicht eine manchmal erschreckend ratlose Begleiter- und Feind-KI oder das künstliche Begrenzen der Planetenoberfläche, die für Unmut sorgen könnten – sondern dass die spannendsten Mechaniken, Geschichten und Erlebnisse im Spiel versteckt wurden. Das mag Entdecker freuen und genau für sie wird "Starfield" auch ein Blockbuster-Titel sein. Einige Spieler hätten sich aber wohl gewünscht, dass das Game zumindest etwas mehr motiviert, nach diesen tollen Schauplätzen, Missionen und Handlungen zu suchen, statt sie förmlich zu verstecken. Aber: Was nicht ist, kann ja noch werden und vielleicht rücken neue Game-Inhalten in Zukunft ja diese fantastischen Inhalte ins passende Licht.