"Sehe Versagen der Politik"

Wiener Erbin lässt jetzt 25 Millionen Euro verteilen

Marlene Engelhorn hat ein Vermögen geerbt und gibt 25 Millionen weiter. Wer etwas bekommt, entscheidet ein neuer Bürgerrat.

Angela Sellner
Wiener Erbin lässt jetzt 25 Millionen Euro verteilen
Marlene Engelhon gibt 25 Millionen Euro aus ihrem Vermögen ab und startet für die Verteilug einen Bürgerrat.
Hanna Fasching

Die Wienerin Marlene Engelhorn setzt ihren 2021 angekündigten Plan, den größten Teil ihres Millionenerbes zu spenden, in die Tat um. Die Familie Engelhorn gründete einst den deutschen BASF-Konzern. Marlene Engelhorns Erbe kommt von ihrer Großmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto; die Rede war von einem zweistelligen Millionenbetrag.

"Ich habe ein Vermögen und damit Macht geerbt, ohne etwas dafür getan zu haben. Und der Staat will nicht einmal Steuern dafür", sagt Marlene Engelhorn. "Gleichzeitig kommen viele Menschen mit einem Vollzeit-Job nur schwer über die Runden – und zahlen für jeden Euro, den sie mit Arbeit verdienen, Steuern. Ich sehe das als Versagen der Politik, und wenn die Politik versagt, dann müssen die Bürger:innen das selbst angehen. Wenn die Politik ihren Job nicht erledigt und umverteilt, dann muss ich mein Vermögen eben selbst rückverteilen", so die 31-Jährige bei der Vorstellung ihrer neuen Aktion.

Wenn die Politik ihren Job nicht erledigt und umverteilt, dann muss ich mein Vermögen eben selbst rückverteilen
Marlene Emgelhorn
Millionenerbin

"Guter Rat für Rückverteilung"

Konkret startet Engelhorn einen sogenannten "Bürger:innenrat" – 50 Menschen aus ganz Österreich werden ab März den "Guten Rat für Rückverteilung" bilden und über die Verteilung von Vermögen diskutieren; Ideen entwickeln, wie wir als Gesellschaft damit umgehen sollen – und entscheiden, wie die 25 Millionen Euro Engelhorns rückverteilt werden. Wissenschaftlich begleitet wird das Ganze vom FORESIGHT Institut von Christoph Hofinger.

10.000 Einladungen verschickt

Am Dienstag wurden an 10.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger Einladungen versendet. Wer über 16 ist und seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, kann einen solchen Brief erhalten und sich dann online oder via Telefon für den Rat registrieren.

"Bei den 10.000 Empfängerinnen und Empfängern der Einladung des Guten Rats handelt es sich um eine zufällige Stichprobe aus dem Zentralen Melderegister", erklärt Christoph Hofinger, Geschäftsführer von FORESIGHT. "Der Gute Rat für Rückverteilung soll die gesamte Breite der österreichischen Bevölkerung abbilden. So werden Menschen aus allen Altersgruppen, Bundesländern, sozialen Schichten und mit diversen Hintergründen vertreten sein."

50 Rats-Mitglieder

Ausgewählt werden schließlich 50 Mitglieder für den Guten Rat – und 15 Ersatzmitglieder, die einspringen können, wenn jemand ausfällt. Die Treffen finden zwischen März und Juni in Salzburg statt. Die Teilnehmer:innen bekommen für ihre Zeit auch eine Aufwandsentschädigung. "Diese Diskussion ist ein Dienst an der Demokratie, dafür sollten die 50 auch ordentlich entschädigt werden", erklärt Marlene Engelhorn. Für jedes Wochenende gibt es 1.200 Euro; auch die Ersatzmitglieder bekommen eine Entschädigung dafür, dass sie sich die Wochenenden freihalten.

Kein Veto-Recht

Was der Rat am Ende an Ideen entwickelt und was er mit den 25 Millionen Euro macht, darauf hat Marlene Engelhorn keinen Einfluss mehr. "Ich habe auch kein Veto-Recht", erklärt sie: "Ich stelle diesen 50 Menschen mein Vermögen zur Verfügung und gebe ihnen mein Vertrauen." Das Vermögen liegt auf einem Treuhandkonto; wie der Rat sind auch die Treuhänder:innen an den Auftrag gebunden. Das Geld kann daher nicht zweckentfremdet werden, sondern wird so eingesetzt, wie es im Auftrag steht: "für Rückverteilung."

Große Anerkennung für Engelhorns Initiative kommt von Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl: ""Engelhorn setzt jetzt einen höchstpersönlichen Schritt, der großen Respekt verdient", so Anderl, die appelliert, das zum Anlass für eine Diskussion über Millionärssteuern zu nehmen.  

600 Milliarden steuerfrei vererbt

In den kommenden 30 Jahren werden in Österreich über 600 Milliarden Euro vererbt – steuerfrei. Der Großteil davon geht an die ohnehin schon reichsten Bevölkerungsgruppen. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt in Österreich bis zu 50 Prozent des gesamten Vermögens.

Erben und Erbinnen fallen jährlich durchschnittlich 15 Milliarden Euro ohne eigene Anstrengung zu, ohne dass sie dabei zur Finanzierung des Gemeinwohls beitragen
Renate Anderl
Arbeiterkammer-Präsidentin

"Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie Reiche mit ihrem Zugang zu den höchsten Zirkeln der Macht Medien und Politik für persönliche, materielle Vorteile beeinflussen", so Anderl.

"Den Erben und Erbinnen fallen jährlich durchschnittlich 15 Milliarden Euro ohne eigene Anstrengung zu, ohne dass sie dabei zur Finanzierung des Gemeinwohls beitragen", kritisiert die AK Präsidentin. "Dabei brauchen wir allein für den Ausbau der sozialen Pflege in den kommenden Jahren 4 bis 6 Milliarden Euro pro Jahr. Eine Millionärssteuer könnte 5 Milliarden Euro pro Jahr bringen."

Marlene Engelhorn selbst setzt sich unter anderem für eine stärkere Besteuerung von Reichen ein, ist Mitgründerin der entsprechenden Initiative "taxmenow."

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