Wirtschaft

"Wir müssen lernen, mit diesem Virus zu leben"

Wirtschaftsforscher Clemens Fuest vom Münchner ifo Institut sieht den Gegenentwurf von Bundeskanzler Kurz zum deutsch-französischen Wiederaufbauplan kritisch. Mit Krediten sei jetzt niemandem geholfen.

Rene Findenig
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Wirtschaftsforscher Clemens Fuest warnt in der ZiB2 vor einer zu raschen Öffnung aller Bereiche.
Wirtschaftsforscher Clemens Fuest warnt in der ZiB2 vor einer zu raschen Öffnung aller Bereiche.
ORF

Frankreichs Präsident Macron und die deutsche Kanzlerin Merkel setzen sich für ein EU-Hilfspaket von 500 Milliarden Euro in der Corona-Krise ein. Kanzler Kurz dagegen kündigte einen eigenen Plan an, der Kredite statt Zuschüsse für besonders betroffene Länder vorsehe. Wirtschaftsforscher Fuest sieht dies allerdings kritisch: Die Europäische Union würde mit dem Zuschuss-Plan eine eigene Politik verfolgen, die, wenn sie aufgehe, einen Mehrwert für alle EU-Länder schaffen könnte, so der Wirtschaftsforscher. Kredite dagegen würden soweiso hochverschuldeten Ländern nicht helfen.

Mit Corona-Bonds will Fuest das Hilfspaket nicht vergleichen: Bei Bonds hätte man keine Kontrolle darüber gehabt, wie das Geld verwendet werde und auch hätte jedes einzelne Land für die Gesamtschulden haften können. Beim Hilfspaket dagegen gehe es nicht darum, Geld von einem Land zum anderen zu verteilen, sondern dass das Paket allen EU-Ländern helfe. Die Krise selbst könne möglicherweise 2021 abgefangen werden. "Die Krise ist schwer, aber man kann sie meistern", so Fuest. Gleichzeitig warnte er aber auch vor einem zu schnellen Hochfahren der Wirtschaft.

Schwedische Weg "überzeugt nicht"

"Wir müssen lernen, mit diesem Virus zu leben", so Fuest, zumindest bis es eine Impfung gebe. "Es wäre niemanden geholfen, wenn jetzt geöffnet wird und eine zweite Welle kommt", so Fuest. Den schwedischen Weg, alle Geschäfte und Lokale offen zu halten, kann der Wirtschaftsforscher nichts abgewinnen: Das Land verzeichne einen enso großen wirtschaftlichen Schaden wie Länder mit einem Lockdown, dafür aber höhere Todeszahlen. "Deswegen überzeugt mich das Konzept nicht", so Fuest. Schweden hatte im April die seit Jahren höchste Sterberate verzeichnet.

Auch ein Konjunkturpaket sieht Fuest derzeit nicht als dringendste Maßnahme: "Ich finde es sehr wichtig, dass man den Unternehmen Liqidität zuklommen lässt." Die könne in Form von Verlustverrechnungen und Investitionen in Infrastruktur geschehen. Dass allerdings durch die Milliardenhilfspakete automatisch eine Inflation ausgelöst werde, attestierte Fuest nicht. "Man muss verstehen, dass derzeit der Staat Aufgaben übernimmt, die sonst Banken übernehmen", der Staat verleihe Geld, das danach wenn möglich wieder zurückfließe. Das löse aber keine Inflation aus.

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