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Wie Nintendo mit Karton Gamerherzen erobern wird

Nur Nintendo kann auf die Idee kommen, Pappkarton und Videospielen zu kombinieren. "Heute Digital" konnte Labo bereits antesten.

Heute Redaktion
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Im Zeitalter von 4K-Auflösung, immer besserer Grafik und einem Hardware-Wettrüsten zwischen PlayStation und Xbox setzt Nintendo seinen komplett eigenen Weg fort. Schon mit Nintendo Switch verließ man sich auf innovative Konzepte und tolle Games statt bombastischer Grafik. Jetzt geht das japanische Traditionsunternehmen noch einen Schritt weiter und verbindet ab dem 27. April Pappkarton und Videospiele.

Nintendo Labo ist eine Rückkehr zu den Wurzeln des Unternehmens, das sich nach wie vor als Spielzeughersteller sieht. Bei seiner Gründung im Jahr 1889 produzierte Nintendo traditionelle japanische Hanafuda-Spielkarten – und wurde zum Marktführer auf diesem Gebiet. "Heute Digital" konnte Nintendo Labo bei einem Workshop in Hamburg vorab ausprobieren.

Die Geheimnisse der Joy-Con

Ein Nintendo Labo-Set besteht aus einer Game-Card mit der Spielsoftware, reflektierenden Stickern, dem einen oder anderen Gummiringerl und einem Stapel Kartonbögen. Was zunächst nicht besonders spannend klingt, entfaltet aber bei näherer Betrachtung die ganz besondere Nintendo-Magie. Denn die zusammengebauten Kartongebilde werden mit den Joy-Con-Controllern zum Leben erweckt.

Die kleinen abnehmbaren Steuerungseinheiten entfalten mit Nintendo Labo endlich ihr volles Potenzial. Insbesondere die im rechten Joy-Con eingebaute Infrarotkamera wurde bis auf ein Minispiel in der Minispielsammlung 1-2-Switch bisher nicht benutzt. Für Nintendo Labo ist sie aber elementar: Sie registriert reflektive Sticker in den Kartonkonstrukten und wandelt sie in Eingaben für die Labo-Spielerlebnisse um.

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Mit Vibration vorwärts

Das einfachste Beispiel für die Funktionsweise von Nintendo Labo ist das RC-Auto. Es wird einfach aus dem gut gestanzten Kartonbogen herausgelöst und zusammengesteckt. Das dauert maximal zehn Minuten, dann ist das kleine Gefährt fahrbereit. Die Joy-Con müssen nur an beide Seiten des Gefährts angebracht werden, gelenkt wird über den Touchscreen der Nintendo Switch. Wenn die Controller zur Vibration gebracht werden, bewegt sich das Auto in die gewünschte Richtung.

Mehr noch: Die Infrarot-Kamera filmt die Umgebung und sendet das Bild an die Switch-Konsole. So kann man das Auto auch in völliger Dunkelheit navigieren. Noch dazu folgt das kleine Auto im Automatik-Modus selbstständig ebenfalls enthaltenen Markierungen oder dem Finger.

Bastelstunde

Bei einer Vorab-Session konnten wir aber auch ein größeres Projekt als das kleine Auto angehen: Ein Spielzeughaus, dessen "Fenster" aus dem Bildschirm der Nintendo Switch besteht. Der Bewohner ist eine niedliche Kreatur, die man füttern oder zu Minispielen einladen kann. Bevor man aber mit dem kleinen Wesen interagieren kann, muss seine Behausung gebastelt werden.

Eine verständliche animierte Anleitung auf dem Switch-Bildschirm zeigt genau, welche Teile aus den Kartonbögen herausgelöst werden müssen. Beim Heraustrennen fiel uns die gute Perforation der Teile auf, die sich zum Großteil sehr einfach entfernen ließen. Auch die Faltlinien sind sauber vorbereitet, der Karton lässt sich an den entsprechenden Stellen leicht umbiegen.

Die Konstruktion ist clever gelöst und erlaubt die schnelle Korrektur von Fehlern. Ein Teil falsch herum zusammengebaut? Einfach den Sicherungsstift (ebenfalls aus Karton) herausziehen, die Teile richtig zusammensetzen und wieder fixieren. Ist eine Konstruktion nach einer Bauzeit zwischen zehn Minuten (RC-Auto) oder drei Stunden (Roboter aus dem Robo-Set) fertiggestellt, kann sie natürlich auch noch verziert und angemalt werden.

Kartonspielzeug

Wenn die "Toy-Con" genannten Konstruktionen fertiggestellt sind, kann man mit ihnen spielen. Dabei handelt es sich meist um eher kleine Erfahrungen, deren Spieltiefe aber nicht unterschätzt werden sollte. Das Haus mit seinem putzigen Bewohner, der durch mehrere Aufsätze (Kurbel, Schalter Druckknopf) bespaßt wird, die in seine Behausung gesteckt werden, ist dabei noch eine der simpleren Anwendungen.

Die Toy-Con-Angel verfügt etwa über eine Kurbel, in die ein Joy-Con integriert ist. Über eine Schnur ist sie mit einem Rahmen verbunden, der wiederum die Nintendo Switch enthält. Mit dieser Konstruktion können virtuelle Fische aus dem Meer gefischt werden. Das Klavier mit 13 Tasten bietet wiederum die Möglichkeit, Drehregler einzubauen, mit denen das Instrument neue Soundeffekte und Töne erhält – Aufnahme- und Abspiel-Funktion inklusive.

Sogar Mario Kart-Fans kommen auf ihre Kosten: Mit dem Toy-Con-Motorrad kann ein Avatar über eine Rennstrecke navigiert werden. Einzig die berühmten Nintendo-Charaktere fehlen.

Keine Geheimnisse

Nintendo will nicht, dass Labo ein Mysterium bleibt. Kindern, also der Zielgruppe, soll klar sein, wie die Toy-Con in Kombination mit der Labo-Software funktionieren. Nicht nur erklärt das Programm, wie das Zusammenspiel vonstattengeht, per Knopfdruck kann jederzeit eingeblendet werden, was die Infrarot-Kamera gerade registriert.

Mehr noch: Nintendo Labo soll zur Kreation eigener Toy-Con inspirieren. Zu diesem Zweck gibt es den Werkstatt-Modus. Dieser enthält verschiedene Möglichkeiten ("Knoten") zur Ein- und Ausgabe von Befehlen. Eine Eingabe kann etwa ein "Tastendruck" oder "Bewegung" sein. Die Ausgabe-Knoten legen die Reaktionen der Toy-Con fest, zum Beispiel Klangeffekte oder Vibrationen. Vervollständigt werden diese Befehle durch sogenannte Mittelknoten: Mit ihnen lassen sich zum Beispiel Zähler oder Timer hinzufügen.



Nach dem Prinzip "Aktion X führt zu Reaktion Y" können Kinder beispielsweise das RC-Auto mithilfe der Angel fernsteuern oder das Motorrad in ein Musikinstrument verwandeln.

Diese Sets erscheinen

Am 27. April veröffentlicht Nintendo zwei große Labo-Sets. Das Multi-Set enthält fünf verschiedene Konstruktionen: das Toy-Con-RC-Auto, die Toy-Con-Angel, das Toy-Con-Haus, das Toy-Con-Motorrad und das Toy-Con-Klavier. Kostenpunkt: 69,99 Euro.

Das Robo-Set bietet hingegen nur einen Toy-Con: den Roboter, der mit einer Bauzeit von über drei Stunden das aufwendigste Labo-Projekt ist. Man kann die Hülle eines Roboters basteln und dessen Steuerung übernehmen, indem an den vorgesehenen Stellen des Rucksacks und des Visiers den linken und den rechten Joy-Con einsetzt. Sobald Nintendo Switch in der Docking-Station steckt, erscheint der Roboter auf dem TV-Bildschirm. Auf der Jagd nach Highscores können Gebäude und UFOs zerlegt werden. Für dieses Erlebnis werden 79,99 Euro fällig.

Für kreative Geister gibt es das ergänzende Design-Set mit je zwei Klebebandrollen, Sticker- und Schablonenbögen. Dieses Set schlägt mit 9,99 Euro zu Buche.

Unerwartet und erfrischend

Im ersten Hands-on überrascht Nintendo Labo auf ganzer Linie. Das Basteln geht trotz teilweise komplexer Toy-Con dank guter Verarbeitung flott und leicht von der Hand, die Minispiele machen zum Großteil Spaß. Obwohl wir nur einen kurzen Blick auf die Toy-Con-Werkstatt werfen konnten, verspricht dieser Modus die spannendsten neuen Möglichkeiten. Kinder können spielend einfache Programmierlogik erlernen und erwachsene Bastler freuen sich auf die Möglichkeit, ihre Nintendo-Kreationen mit anderen Materialien zu elaborierten Mechanismen zu verbinden.