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"Habe Gefühl, Super-Adler fliegen an die Wand"

Heute Redaktion
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Alexander Pointner war der Architekt der Super-Adler. Im "Heute"-Interview erklärt der Erfolgscoach die Skisprung-Krise und kritisiert den verstaubten ÖSV.

Der Ober-Adler spricht! Alexander Pointner machte aus den heimischen Skispringern die Super-Adler. Mit 17 Goldmedaillen und sechs Tournee-Triumphen in Serie ist er der erfolgreichste ÖSV-Trainer aller Zeiten. In der Saison 2010/2011 gewannen die rot-weiß-roten Überflieger unter ihm 70,9 Prozent aller Weltcup-Springen, in der aktuellen Saison sind es 0 Prozent. 2014 musste Pointner nach Differenzen mit dem Verband gehen.

Im Dezember 2015 starb Pointners Tochter Nina. Sie beging im November 2014 einen Suizidversuch und verstarb nach 13 Monaten im Wachkoma. Für Pointner begann ein Prozess des Trauerns. Er ging in Therapie und schrieb mit seiner Frau Angela das Buch "Mut zur Klarheit". Sein Ziel: "Depressionen und Suizid sind in unserer Gesellschaft Tabus. Das gehört geändert."

Im „Heute"-Talk erklärt Pointner die aktuelle Skisprung-Krise und kritisiert den verstaubten ÖSV.

„Heute": Die Adler werden gerupft. Wie ernst ist die Krise?

Pointner: „Durch den Tod meiner Tochter Nina war ich weit weg vom Skispringen. Ich realisierte, der Spitzenwort ist eine Scheinwelt. Ich fühlte mich damals wie der Nabel der Welt. Heute weiß ich, Skispringen ist eine Randsportart. Ich sehe die Tournee aus einem anderen Blickwinkel. Es tut mir weh, wie mit dem Aufgebauten umgegangen wird. Ich habe das Gefühl, die Super-Adler fliegen an die Wand."

"Der Name Super-Adler war dem ÖSV ein Dorn im Auge"

Was meinen Sie damit konkret?

„Dem ÖSV war der Name Super-Adler ein Dorn im Auge. Die Skifahrer sollten die Helden sein. Wir hatten sie bei den Einschaltquoten übertroffen. Mir wurde vorgeworfen, zu viel das Rampenlicht zu suchen. Darum musste ich gehen. Ich habe mich aber nur vor die Sportler gestellt. Ich ging an die Front und übernahm die Verantwortung. Ich gab das Zepter nie aus der Hand und habe die Adler durch den Wettkampf dirigiert – in guten und in schlechten Zeiten."

Ist das heute nicht der Fall?

„Nein, im ÖSV wurde ein anderer Weg eingeschlagen. Es ist befremdend, wenn der Cheftrainer nicht selbst am Trainerturm steht, sondern sich von einem Co-Trainer vertreten lässt wie in der Quali in Oberstdorf. Für andere Nationen ist das ein aufgelegter Elfmeter. Und plötzlich wird diskutiert im Skisprung-Zirkus. Es kann auch nicht sein, dass Stefan Kraft Rede und Antwort stehen muss, warum es nicht läuft."



Warum läuft es nicht?


„Man hat viele Manager und Berater ins Team gelassen. Ich habe da einen klaren Strich gezogen. Heute ist die Lage heikel. Keiner sagt die Wahrheit. Andi Goldberger interviewt im ORF Heinz Kuttin, Kritik fällt ihm schwer. Klar: Sie haben den gleichen Manager. Die Erfolge von Stefan Kraft haben viel kaschiert. Der Absturz war absehbar: Warum sind wir im Nationencup nicht mehr top? Warum gewinnen wir keine Teamspringen mehr? Warum kommen keine Talente nach? Diese Fragen müsste man sich schon länger stellen."

"Lockerheit musst du dir aber erarbeiten"

Laut Kuttin fehlt die Lockerheit.

„Lockerheit musst du dir aber erarbeiten. Keiner spürt sich, höre ich die ganze Zeit. Das Sich-Spüren braucht aber ein langfristiges Konzept. Dafür muss ich über den Tellerrand schauen. Genau das beschreibe ich in meinen Büchern."

Können Sie sich ein Comeback als Trainer vorstellen?

„Sag niemals nie. Angebote gibt es. Bereits wenige Monate nach dem Tod von Nina hatte ich eines aus Finnland. Mir ging es nicht gut, aber ich sollte wieder funktionieren im Hamsterrad. Beistand zu leisten heißt aber stehen zu bleiben. Meine Familie braucht mich derzeit und ich sie. Wir haben zwei kleinere Kinder, für die Nina das große Vorbild war. Die große Schwester, die vor nichts Angst hatte, ist jetzt nicht mehr da. Die Trauer um Nina kommt in Wellen und wird nie vergehen. Ich habe aber gelernt, damit besser umzugehen."



"Der ÖSV ist verstaubt"


Und ein Comeback im ÖSV?

„Der Verband ist verstaubt. Das hat die Reaktion auf die Missbrauchsvorwürfe gezeigt. Es wurde gesagt: Olympia steht vor der Tür, wir haben Wichtigeres zu tun. Das ist kein moderner Zugang. Es sind Leute am Werk, die sich nicht verändern wollen. Mit solchen Personen will ich nicht zusammenarbeiten, damit kann ich mich nicht identifizieren."

(Heute Sport)

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