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"Bin ich herzlos, weil ich nur Sex will?"

Frei sein steht bei Jara über allem. Da sie ihren Anspruch ziemlich konsequent umsetzt, wird sie von ihren Kollegen infrage gestellt.

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Jara (26) an Doktor Sex: In meinem Leben hatte ich bisher zwei Beziehungen. In beiden habe ich meine Partner betrogen. Und um es genau und ohne Beschönigung zu sagen: Ich war in keinen von beiden verliebt. In meinem Umfeld planen viele in ihren Beziehungen bereits nächste Schritte in Richtung Hochzeit. Aber das Einzige was mich interessiert, ist frei zu sein! Keine Verpflichtungen haben und wenn ich Sex will, diesen ohne tiefere Gefühle einfach genießen. Ich habe in den vergangenen Jahren einige Männer kennengelernt und stets versucht, ihnen gegenüber Interesse zu zeigen. Doch sobald ich sie im Bett gehabt hatte, war mein Bedarf an weiteren Begegnungen verschwunden. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sagen, ich sei eine Frau ohne Herz. Langsam frage ich mich, ob sie mit ihrer Aussage vielleicht richtig liegen könnten. Stimmt etwas nicht mit mir?

Antwort von Doktor Sex

Liebe Jara

Mit deiner Frage sprichst du eine altbekannte Baustelle innerhalb der Gleichstellungsdiskussionen an und zeigst auf, wie komplett unterschiedlich die Geschlechter in der Gesellschaft positioniert sind in Bezug auf die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung ihres Sexualverhaltens. Kaum ein Mann würde solche Überlegungen anstellen, wie du sie schilderst. Und wohl nicht einer würde in Selbstzweifel verfallen, weil er ohne tiefergehende Gefühle mit wechselnden Partnerinnen Geschlechtsverkehr hat. Bei einer Frau aber genügt schon nur das Aussprechen des Gedankens an die Möglichkeit, sich ähnlich zu verhalten, wie ihre männlichen Kollegen dies ganz selbstverständlich tun, um sofort als Schlampe abgestempelt zu werden. Wers nicht glaubt, soll die Kommentare im Anschluss an diese Beratung lesen: Ich wette, das mindestens ein Drittel davon in diese Richtung geht.

Dein Wunsch nach Freiheit ist legitim und unproblematisch. Was du dir aber in Zukunft definitiv sparen kannst, ist, den Typen, mit denen du gerne Sex haben möchtest, ein Interesse vorzugaukeln, das du gar nicht hast. Diese unfaire Masche ist hinlänglich bekannt durch Männer, die in der gleichen Mission wie du unterwegs sind und die sich damit Sex holen, den sie sonst nicht kriegen würden. Und Gleichberechtigung muss ja nicht zwingend bedeuten, die gleichen Fehler zu machen. Lass deine potenziellen Bettgenossen also ungeniert wissen, worauf sie sich einlassen und wo die Grenzen deines Engagements liegen.

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Nun, da dein Verhalten von "Doktor Sex" legitimiert ist und du etwas vom Druck, der auf dir lastete, befreit bist, willst du dich ja vielleicht selbst noch etwas tiefergehend mit der Frage befassen, was denn mit dem Begriff Freiheit gemeint sein könnte. Und wie du ganz persönlich ihn in Zukunft verstehen willst. Vielleicht magst du dich dazu vom nachfolgenden Zitat des indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti inspirieren lassen. Dieser sagte dazu einmal: "Freiheit ist keine Reaktion. Freiheit bedeutet nicht, freie Wahl zu haben. Der Mensch glaubt frei zu sein, wenn er frei wählen kann. Freiheit aber ist reines Beobachten, ohne Richtung, ohne Angst vor Strafe und Belohnung. Freiheit hat keine Motivation, Freiheit steht nicht am Ende der menschlichen Evolution, sondern liegt im ersten Schritt seiner Existenz. In der Beobachtung beginnen wir den Mangel an Freiheit zu entdecken. Freiheit finden wir im nicht auswählenden Gewahrsein unseres täglichen Lebens und Handelns." Viel Spaß beim Nachdenken und Forschen!

Ihre Frage an Doktor Sex: [email protected]