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"Er will mich weder küssen, noch Sex mit mir haben!"

Ariane wird von ihrem Freund behandelt, als wäre sie Luft. Trotzdem findet er, in der Beziehung sei alles gut. Wie ist das möglich?

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Ariane (29) an Doktor Sex: Ich bin seit fünf Jahren mit meinem Partner zusammen. Seit einem Jahr sind wir verheiratet. Wir haben zwei Kinder. Er arbeitet den ganzen Tag, dann bringt er die Kinder ins Bett und verkriecht sich hinter dem PC. Ich habe das Gefühl, nur noch Luft für ihn zu sein. Er küsst mich nicht mehr, fasst mich nicht mehr an – von Sex ganz zu schweigen. Ich bin verzweifelt. Das ist nicht meine Vorstellung einer Beziehung.

Ich habe ihn darauf angesprochen und ihm gesagt, dass es für mich nicht mehr stimmt. Er meinte, für ihn sei alles gut in der Beziehung, außer vielleicht, dass er sich manchmal ein bisschen mehr Körperkontakt wünsche. Auf die Frage, warum er mich denn nicht mehr anfasse, sagte er, ich hätte mich gehen lassen und sei zu dick geworden. Dass ich zugenommen habe, stimmt. Trotzdem: Wie kann er behaupten, es sei alles gut, wenn wir keinen Sex mehr haben?

Antwort von Doktor Sex

Liebe Ariane

Man kann die Motivation, die Menschen dazu bewegt, eine Beziehung einzugehen, die ihnen die Kraft gibt, diese über eine längere Zeit aufrechtzuerhalten, in drei Teilmotivationen unterteilen: Das Bedürfnis nach einer Partnerschaft, also danach, mit einem anderen Menschen die alltäglichen Anforderungen zu teilen. Das Bedürfnis, körperliche Nähe und Sex zu haben sowie sich allenfalls fortzupflanzen. Und das Bedürfnis nach einem Weggefährten oder einer Weggefährtin, der oder die einem freundschaftlich verbunden ist – nach einem Menschen also, der einen durch alle Entwicklungs- und Lernprozesse begleitet.

Die meisten und insbesondere die sehr jungen Menschen sind sich nicht bewusst, dass man das, was sie «Verliebtsein» nennen, so ganz unromantisch betrachten könnte. Und sie überlegen sich auch nicht, dass die Beziehungsmotivationen wahrscheinlich nicht genau gleich stark vorhanden und in gleichem Maße verteilt sind. Daher klären sie auch nicht entsprechend sorgfältig ab, was denn eigentlich der individuelle Antrieb für eine Bindung ist und von welchem Bild sie dabei gelenkt oder gar getrieben werden.

Egal, wie blind verliebt und wie sehr man überzeugt ist, dass nun alle Bedürfnisse für immer von einem Menschen befriedigt werden: Im Laufe einer Beziehung wird jedes Paar mit der Tatsache konfrontiert, dass dies nicht geht und der Partner oder die Partnerin ein eigenständiges Wesen ist, das sich in vielem von einem unterscheidet. Manche beenden dann ihr Projekt und ziehen weitere Schlaufen auf der Suche nach dem perfekten Gegenüber. Andere stellen sich der Erkenntnis und denken über sich selber und ihre Beziehungskonzepte nach. Ich denke, dass auch ihr nun an diesem Punkt angelangt seid.

Dass dein Mann behauptet, die Beziehung stimme so für ihn, darfst du einfach so stehen lassen. Wichtig ist, nun bei dir genauer hinzuschauen. Werde dir bewusst, welchen Lebensentwurf du hattest, als du dich vor fünf Jahren auf diese Beziehung eingelassen hast. Prüfe danach, wo du heute stehst. Und überlege dir schließlich, ob das eine noch zum anderen passt oder ob Veränderungen anstehen. Auch wenn du dafür die Komfortzone verlassen musst: Es ist nie zu spät und schon gar nicht verboten, alte Konzepte über Bord zu werfen und neue Wege einzuschlagen. Es wäre jedoch vertane Zeit, deinen Partner gegen seinen Willen verändern zu wollen und dabei dich und dein Leben zu verpassen.

Deine Frage an Doktor Sex: [email protected]

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