Der Frauentag und ich

Ich dachte mir, ich mache es einmal ganz anders.
Das kam dann dabei raus.

Wenn Sie sich jetzt eine der satirischen Polit-Kolumnen von Christian Nusser erwartet haben, muss ich Sie leider enttäuschen. Hallo, hier schreibt heute Amra Durić. Sie dachten wohl, die Berichterstattung rund um den Weltfrauentag hätte sich mit gestern erledigt. Fehlanzeige. Aber bitte klicken Sie jetzt nicht augenrollend weg. Ich kann zwar nicht versprechen, dass ich genauso humorvoll wie Herr Nusser schreibe, aber als Frau hat man auch wenig zu lachen. Ich versuch‘s trotzdem.

Gestern war er also, der Weltfrauentag. Ich bin schon mit einer „Alles Gute zum Weltfrauentag“-Nachricht von meiner Mutter aufgewacht. Wie es mein Nachname vielleicht schon verrät, komme ich vom Balkan. Dort wird der „dan žena“, der „Tag der Frauen“, großgeschrieben. Kinder schenken ihren Müttern Blumen, am Abend treffen sich Frauen zu einem Musikabend und feiern gemeinsam. Fällt heuer pandemiebedingt alles aus – bis auf die Blumen.

Wie jedes Jahr haben meine Geschwister und ich unserer Mama einen Strauß geschenkt. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde Blumen zum Weltfrauentag unnötig, doch meiner Mutter ist diese Geste wichtig. Die Erfahrung, die ich bisher mit dem „dan žena“ in meinem Familienkreis am Balkan gemacht habe, ist, dass man diesen Tag nicht dafür nützt, um über Probleme und Herausforderungen, die Frauen in unserer Gesellschaft haben, zu sprechen. Stattdessen bekomme ich von meiner alleinerziehenden Cousine einen virtuellen Blumenstrauß auf Facebook. Zumindest muss man den nicht gießen.

Nach den Blumengrüßen vom Balkan scrollte ich mich beim Frühstück durch die sozialen Medien. Übrigens hatte ich mir Pancakes gemacht. Quasi zur Feier des Tages. Spoiler: Sie waren nicht sonderlich gut. Wahrscheinlich, weil ich beim Kochen Dutzende wütende Kommentare von Frauen zum Weltfrauentag gelesen hatte. Zum Kochen braucht es bekanntlich Liebe. Ich aber hatte unfaire Gehälter und steigende Gewalt an Frauen ins Rezept gemischt. Die gefrorenen Früchte im Teig dürften auch ein Problem gewesen sein.

Während ich mir also meine halbgaren Pancakes einverleibte, bekam ich ein E-Mail, das mich wirklich zum Schmunzeln brachte. Es begann mit „Sehr geehrter Herr Duric…“, der Inhalt: Zu wenig weibliche Führungskräfte in Österreich. Schon witzig, oder?

Mein Mail-Postfach wird jedes Jahr am Weltfrauentag zur Realsatire. Ich glaube, Frauen wissen, was ich meine. Plötzlich wird man mit Rabatten bombardiert. Minus 20 Prozent auf Make-Up, Putzmittel, Mode und Schuhe. „Ab 75 Euro sogar mit Gratisversand!“ Mir wäre es ja lieber, Frauen würden eine faire Entlohnung bekommen und könnten nachts ohne Angst vor Übergriffen nach Hause gehen, stattdessen bekommt man Mails mit Frauen-Codes, wie „Women2021“, der minus 20 Prozent Rabatt auf eine neue Handtasche garantiert. Ich habe ihn nicht eingelöst.

Danke für die Blumen

Bereits im Vorfeld wurde viel zum Weltfrauentag gesagt und geschrieben. Die Berichte haben etwas von „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Frauen verdienen weniger als Männer, es gibt weniger Frauen als Männer in Führungspositionen, Gewalt an Frauen steigt. Was heuer neu, aber keine Überraschung ist: Frauen wurden von der Pandemie härter getroffen. Mit 40,2 Prozent war der Anstieg der Arbeitslosigkeit unter Frauen im Februar 2021 gegenüber dem Vorjahr deutlich höher als bei Männern (+24,6 Prozent). Der Grund: Die Branchen Handel, Beherbergung, Gastronomie, Erziehung und Unterricht sowie Gesundheit und Soziales leiden besonders unter der Krise. Branchen, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind.

Im „ZiB2“-Interview mit Martin Thür zeigte sich Frauenministerin Susanne Raab am Sonntag darüber erschüttert. Ihr Lösungsvorschlag: Frauen in besser bezahlte Berufe umschulen. Mein Vorschlag: Die Gehälter in den Branchen, in denen vorwiegend Frauen arbeiten, anheben. Überhaupt die Lücke im Grundgehalt zwischen Frauen und Männern zu schließen, wäre eine Idee. Aber es ist erst 2021, wir haben ja noch Zeit. (falls es nicht auf Anhieb ersichtlich ist, das war sarkastisch gemeint).

Bundeskanzler Sebastian Kurz erklärte gestern in der Sondersitzung des Nationalrates zum Weltfrauentag, dass Frauen schon vor der Krise diejenigen waren, die oftmals mehr leisten, wenn es um Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen geht. Auch abseits vom Job und sonstigen Herausforderungen würden Frauen im Stillen und Verborgenen ihren Beitrag leisten. Sieben Minuten widmete der Kanzler den Frauen. Ein politischer Blumenstrauß quasi.

Für Politikerinnen wie Susanne Raab, Pamela Rendi-Wagner und Gabriele Heinisch-Hosek standen an diesem Weltfrauentag besonders alleinerziehende Mütter im Fokus. 94 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Sie arbeiten, laut einer Studie der Arbeiterkammer, mit 9 Stunden Haus- und Kinderbetreuung und zusätzlich 6 Stunden Erwerbstätigkeit am meisten von allen, sind jedoch mit 42 Prozent überproportional stark von Armut und Ausgrenzung betroffen.

Diese Zahlen wurden in den vergangenen Tagen in mehreren Berichten erwähnt. Aber wie das so mit Zahlen ist, werden sie oftmals schnell vergessen.

Selbstversuch

Vielleicht bleibt Ihnen ja diese Geschichte in Erinnerung. Meine Mutter ist alleinerziehend. Nach einer gewaltvollen Ehe und einer schwierigen Scheidung stand sie mit drei Kindern (12, 7 und 2 Jahre) alleine da. Froh darüber, dass sie endlich in den eigenen vier Wänden nicht mehr der Gewalt ausgesetzt war. Als Kind habe ich unzählige Wegweisungen und Betretungsverbote mitbekommen. Von den Beamten hieß es meist: „Solange nichts passiert, können wir nicht mehr machen.“

Morddrohungen waren für meine Mutter vor und nach der Scheidung keine Seltenheit. Sie hörten erst auf, als mein Vater aus dem Land ausgewiesen wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls war meine Mutter eine Alleinerziehende und im Pflegeberuf tätig. Drei schulpflichtige Kinder, ein niedriges Einkommen, keine Alimente. Weil Frauenministerin Raab damals noch nicht den Tipp mit der Umschulung geben konnte, blieb meiner Mutter nichts anderes übrig, als neben der Arbeit arbeiten zu gehen. Putzjobs rundeten ihren Pflegeberuf ab und ruinierten ihre Wirbelsäule. Vergangenen Freitag hat sie ihren 52 Geburtstag gefeiert. Sie hat schwere Operationen hinter sich und einen Behinderungsgrad von 60 Prozent. Ihre Tätigkeit im Pflegeberuf kann sie nicht mehr ausüben. Es wird Sie vielleicht überraschen, aber die Arbeitswelt reißt sich nicht gerade um eine 52-Jährige mit langer Krankheitsgeschichte. Für die Pension ist sie noch zu jung.

Wenn ich mit ihr am Weltfrauentag also über Themen wie Gleichberechtigung, faire Entlohnung, Selbstbestimmung, den Kampf gegen Rassismus und steigende Gewalt sprechen will, blockt sie ab. Sie hat all dies jahrelang am eigenen Leib erfahren. Die Diskussion darüber macht sie müde. Wie viele andere Frauen auch.

Frauentag im Parlament

In den sozialen Medien wurde der Weltfrauentag zum „Feministischen Kampftag“ umgetauft, um alle von patriarchalen Strukturen betroffenen Personen miteinzubeziehen. „Der Weltfrauentag ist kein Relax-Lasst-es-euch-gutgehen-Tag. Der Weltfrauentag ist ein Kampftag, wie so viele Tage im Leben einer Frau“, twitterte Schauspielerin und neue Buhlschaft Verena Altenberger. Ein täglicher Kampf für Gleichberechtigung und ein gewaltfreies Leben. Dieser Kampf schließt Männer nicht aus, sondern braucht sie, um alte Muster aufzubrechen.

Übrigens habe ich gestern noch tatsächlich einen Blumenstrauß bekommen. Von meiner Schwester. „Ich wollte Frauen um mich herum einfach eine Freude machen. Man muss eh jeden Tag mit denselben Problemen kämpfen“, meinte sie zu mir.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Dienstag und bedanke mich fürs Lesen, falls Sie bis zum Ende durchgehalten haben. In der nächsten Kolumne ist dann wieder Christian Nusser federführend. Es gibt dann auch bestimmt wieder mehr zum Lachen.

Fotos:
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Sebastian Kurz, Susanne Raab: "Heute", Denise Auer

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