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Eine Ära geht zu Ende: König Spanien dankt ab

Heute Redaktion
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Bild: OLIVER WEIKEN (EPA)

Nur wenige Stunden nach König Juan Carlos hat auch Spaniens Fußball-Nationalmannschaft abgedankt. Die Auswahl von Vicente del Bosque verlor am Mittwoch im Maracana von Rio de Janeiro gegen Chile 0:2, kassierte damit nach dem 1:5 gegen die Niederlande die nächste Niederlage und ist schon vor dem letzten WM-Gruppenspiel gegen Australien ohne Chance auf eine Achtelfinal-Teilnahme.

, kassierte damit nach dem 1:5 gegen die Niederlande die nächste Niederlage und ist schon vor dem letzten WM-Gruppenspiel gegen Australien ohne Chance auf eine Achtelfinal-Teilnahme.

Zum insgesamt fünften Mal - davor hatte es Italien (1950, 2010), Brasilien (1966) und Frankreich (2002) erwischt - musste sich der Titelverteidiger in der darauffolgenden WM-Gruppenphase verabschieden. Es war Spaniens erstes WM-Vorrunden-Aus seit 1998 und gleichzeitig das Ende einer Epoche.

Spanische Dominanz zu Ende

Ab 2008 hatten die Iberer den Nationalteam-Fußball wie seit Jahrzehnten kein Team dominiert. Die Triumphe bei den Europameisterschaften 2008 und 2012 sowie bei der Weltmeisterschaft 2010 markierten die Erfolgs-Ära des "Tiqui-taca", Spaniens Auswahl galt in dieser Zeit als praktisch unantastbar.

Damit ist jetzt Schluss. "La Roja" hat ihren Schrecken verloren und steht vor einem Umbau. Xavi (34 Jahre) wurde gegen Chile gar nicht mehr eingesetzt, Xabi Alonso (32) leistete sich einen Totalausfall und Goalie Iker Casillas (33) patzte wie schon gegen die Niederlande. Dieses Trio wird dem Nationalteam nach der WM wohl Adieu sagen - David Villa (32) hatte seinen Rücktritt schon vor der WM bekanntgegeben.

Spanischer Neubeginn?

An Personal-Spekulationen wollte sich Del Bosque kurz nach der schmerzhaften Niederlage aber nicht beteiligen. "Wir müssen uns Zeit nehmen, um über alles genau nachzudenken. Jetzt über Konsequenzen zu reden, wäre nicht fair", sagte Del Bosque und sprach von einem "traurigen Tag für uns und unsere Fans".

Der Ex-Trainer von Real Madrid übernahm "La Roja" nach dem EM-Triumph 2008 und führte sie in der Folge zum WM- und EM-Titel. Erst im vergangenen November wurde sein Vertrag bis 2016 verlängert. Ob Del Bosque diesen Kontrakt erfüllen wird, ist allerdings fraglich. "Wir müssen uns überlegen, was am besten für den spanischen Fußball ist. Da geht es auch um meine Person", sagte der 63-Jährige.

Starcoach angezählt

Del Bosque wirkte auf der Pressekonferenz schwer gezeichnet vom desaströsen Abschneiden der Spanier, das ihn nach eigenen Angaben völlig unerwartet traf. "Ich hätte niemals gedacht, dass wir so früh ausscheiden. Nichts hat darauf hingedeutet, alle waren fit und hatten eine Top-Einstellung", beteuerte der Nationaltrainer.

Seinen Kickern machte Del Bosque keine Vorwürfe. "Wir waren zwar in der ersten Hälfte zu zurückhaltend, dann aber in der zweiten Hälfte besser, hatten auch Chancen, doch es hat nicht gereicht. Die Spieler haben bis zum Schluss gekämpft und alles gegeben, um die Partie noch umzudrehen." Das WM-Resümee des Trainers lautete: "Wir müssen keine Ausreden suchen. Wir waren gegen die Niederlande und Chile die schlechtere Mannschaft, deswegen sind wir ausgeschieden."

Spieler wollen sich "entschuldigen"

Die spanischen Teamspieler zeigten sich nach dem K.o. im Maracana mindestens genauso zerknirscht wie ihr Coach. "Es ist schwer zu erklären, was passiert ist. Wir möchten uns bei den Menschen entschuldigen. Es hat nicht sollen sein, wir sind dafür verantwortlich. Uns tut es am meisten weh, wir sind sehr unglücklich", stammelte Kapitän Casillas.

Alonso erlebte gegen Chile nach eigenen Angaben die schlimmste Niederlage seiner Karriere. "Das Gefühl wie bei den anderen Turnieren war diesmal nicht da, irgendwie haben wir unseren Lauf verloren. Früher wussten wir, wie wir Spiel kontrollieren konnten, dieses Mal waren wir einfach nirgends", kritisierte der Baske. Fernando Torres hingegen richtete den Blick schon nach vorne. "Man kann nicht die ganze Zeit alles gewinnen. Es kommt eine gute Generation nach, und wir werden wieder Großartiges erreichen", versprach der Stürmer.

Trost für die Verlierer gab es vom chilenischen Teamchef Jorge Sampaoli. "Sie haben jahrelang wundervolle Leistungen gebracht, doch jetzt ist diese Generation nicht mehr dazu in der Lage. Das ist normal im Fußball, der Erfolg kommt und geht", erklärte der Argentinier.

Zehn Gründe für das Ende des "Tiqui Taka" auf Seite 2

Deshalb scheiterte Spanien bei der WM in Brasilien


Die spanischen Spieler wirkten ausgelaugt und körperlich nicht fit. Gerade an der Spritzigkeit mangelte es de mWeltmeister von 2010
Die "Furia Roja" setzte kein Offensivpressing gegen den Ball ein. In den langen Tiqui Taca-Ballstafetten rasteten sich die Spanier früher aus, um gegen den Ball drücken zu können. Das fehlte komplett.
Das Team ist überaltet. Gerade die genialen Mittelfeld-Strategen, die das Tiqui Taca geprägt haben, sind in die Jahre gekommen. Xavi und Iniesta sind jenseits der 30, für Xavi war es die letzte WM.
Im Team der Spanier fehlt frisches Blut. Der Stamm der Mannschaft ist seit Jahren unverändert. Junge Talente wie Isco werden nicht eingebunden.
Die sonst so solide Defensive der Spanier zeigte ungekannte Schwächen. Das Abwehr-Bollwerk Sergio Ramos und Gerard Piqué schwamm gewaltig in der Defensive. 
Keeper Casillas fehlt es an Spielpraxis. Bei Real Madrid spielt "San Iker" nur in der Champions League und dem Cup. Das zeigt sich in Unsicherheiten des Schlussmannes. Die Zukunft im Team gehört David de Gea.
Spanien hat ein Stürmerproblem! Mit Diego Costa schien ein Top-Angreifer gefunden worden zu sein, doch der Atletico-Stürmer wirkte im Angriff wie ein Fremdkörper. Torres und Villa sind in die Jahre gekommen und nicht in Form.
Nicht zuletzt haben sich die Gegner auf das Spiel der Spanier eingestellt. Die "Furia Roja" hat im Spielaufbau mit hoch stehenden Teams ihre Probleme. Mit Pressing ist der Spielaufbau zu unterbinden.
Wenig Ballbesitz. Das Tiqui Taca ist auf lange Ballstafetten im Mittelfeld ausgelegt, dies äußert sich gerade in der Ballbesitz-Statistik. Doch in Brasilien hatte Spanien in beiden Spielen lediglich knapp über 50 Prozent. Im Vergleich zu sonst über 70 Prozent wenig. Dazu reihten sich unzählige Fehlpässe
Zu wenig Torchancen. Oftmals übertreiben es die Spanier mit dem Kombinationsfußball. Früher spielte man sich einfach locker durch die Verteidigungsreihen. Gerade gegen Chile wären Distanzschüsse gefragt gewesen, die nicht gekommen sind. Der einzige WM-Treffer war nicht herausgespielt, sondern aus einem Elfmeter erzielt worden.