Politik

"Damit nicht unter jedem Baum ein Infizierter sitzt..."

Im Ministerrat hat die Regierung den Öffnungsplan nach dem Lockdown beschlossen. So geht es jetzt für Schulen, Handel & Co. weiter.

Roman Palman
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Die Bundesregierung verkündete, wie es nach dem Lockdown weitergeht.
Die Bundesregierung verkündete, wie es nach dem Lockdown weitergeht.
picturedesk.com

Nach dem Ministerrat trat das "virologische Quartett" gegen 13 Uhr erneut vor die Presse. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) geben endlich bekannt, worauf Österreich schon so lange wartet: einen konkreten Fahrplan zur Öffnung nach dem Ende des Lockdowns mit 7. Dezember. "Heute" berichtete an dieser Stelle LIVE:

"Es ist eine Phase die definitiv Wirkung zeigt", beginnt der Kanzler den Redemarathon mit einem Rückblick auf den Lockdown. "Es ist gelungen, eine Überforderung an den medizinischen Stationen zu verhindern." Aus diesem Grund könne man nun behutsam Öffnungsschritte setzen. 

Der Kanzler warnt aber: "Die Pandemie ist noch nicht vorbei!"

Mit Montag werden die Pflichtschulen öffnen. Oberstufen mit Ausnahme der Maturaklassen bleiben vorerst auf Distance Learning. 

Zudem werden wir zu den Ausgangssperren zurückkehren, die wir schon kennen. Von 20 Uhr bis 6 Uhr früh, dürfen die eigenen vier Wände nur aus den bisher bekannten Gründen verlassen werden. Gleichzeitig darf man sich mit mehr als einer Person aus einem anderen Haushalt treffen.

Zu Weihnachten und dem Jahreswechsel gibt es eine Ausnahme: Am 24., 25., 26. sowie dem 31. Dezember darf man sich mit bis zu zehn Personen aus beliebig vielen Haushalten treffen.

Die Gastronomie soll noch bis 7. Jänner maximal Liefer- und Abholservices anbieten dürfen. 

"All das ist nicht populär,. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass niemand Einschränkungen möchte. [..] Ich  bin mir auch bewusst, egal in welcher Reihenfolge geöffnet wird, es falsch ist", so Kurz in Richtung Kritiker. Aber: "Wenn wir alles gleichzeitig öffnen würden, dann würde es einen explosionsartigen Anstiege geben, und dann wäre der nächste Lockdown für den Jänner vorprogrammiert!"

"In Summe wird die nächste Phase ein Balanceakt."

Über die Weihnachtsfeiertage werde die Zahl der Neuinfektionen wieder ansteigen, prophezeit Kurz. Doch nun sei es an uns allen, dass dieser Anstieg möglichst gering bleibe. Sein Schlussappell: "Tragen Sie die Maßnahmen mit. Halten Sie sich an die Regeln und beteiligen Sie sich an den Massentests." Das sei der beste Weg, diese Pandemie zu bekämpfen.

"Guter Kompromiss"

Vizekanzler Kogler sieht Österreich immer noch gefährdet. Zwar sei der Höhepunkt der zweiten Welle überschritten, die Neuinfektionen seien aber weiterhin viel zu hoch. "Das geht nicht schnell genug", so der Politiker. Die partielle Schulöffnung ab 7. Dezember nennt er einen "guten Kompromiss".

Kunst und Kultur seien ein "essentieller Bestandteil des Lebens". Als Orte der Bildung und Reflexion freue er sich, dass Museen und Galerien wieder öffnen werden. Bei den Veranstaltungen müsse man noch zuwarten. "Es geht halt einfach noch nicht. Es gibt halt manchmal Ungeduld und Ärger, aber es überwiegt die Einsicht, dass wir eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern müssen". Bis 7. Jänner gibt es "keine Perspektive" in puncto Veranstaltungen.

Weil Skifoan is des ...

Beim Sport werden ab 24. Dezember alle Outdoor-Aktivitäten von Einzelpersonen wieder möglich sein. Das betrifft ja vor allem das Skifahren und Langlaufen. In Liften und Gondeln warten Maskenpflicht und Kapazitätseinschränkungen, "Drive-in Germknödel" werde es auf den Hütten aber nicht geben. Mannschaftsportarten bleiben auf Eis.

Rudolf Anschober während der Pressekonferenz
Rudolf Anschober während der Pressekonferenz
Screenshot ORF

"Mir geht's jeden Tag zu langsam"

Der dritte Mann am Rednerpult: Gesundheitsminister Rudi Anschober. "Insgesamt sind wir durch die erste Welle sehr gut durchgekommen, doch bei der zweiten Welle mussten wir erkennen, dass diese noch viel mehr Wucht, Kraft und Dynamik hatte und hat." Rund um den 22. Oktober habe es diese Explosion an Zahlen gegeben, "wir haben reagiert und wenige Tage später gab es den Teil-Lockdown."

Nun fast am Ende des zweiten harten Lockdowns könne man beginnen, die Wirksamkeit der Maßnahmen zu bewerten. "Mir geht's jeden Tag zu langsam nach unten, aber der Trend stimmt." Es sei gelungen, die Katastrophe und Triage auf den Intensivstationen abzuwenden. "Bisher zumindest, da müssen wir konsequent weiterarbeiten."

Nun müsse man alles daran setzen, dass die zuletzt sehr hohen Todeszahlen wieder nach unten gehen. Auch der Reproduktionsfaktor konnte unter 1 gedrückt werden und müsse nun auf niedrigem Niveau gehalten werden.

Lage auf Intensivstationen

Eine neue Experten-Prognose zeigt den Corona-Verlauf bis 9. Dezember. Anschober erwartet demnach eine Reduktion auf rund 2.000 Neuinfektionen pro Tag.

Ohne Lockdown hätte es eine Überlastung des Gesundheitssystems gegeben, so Anschober. Bis Mitte Dezember solle die Bettenauslastung auf den Intensivstationen wieder auf 440 gesenkt werden. Gleichzeitig drohe aber nun bald auch eine Grippewelle. 

Alle müssten sich weiterhin an die Corona-Maßnahmen halten, um eine ähnliche Entwicklung wie im Oktober künftig zu verhindern.

"Strenges Einreiseregime"

"Wir werden vor den Weihnachtsfeiertagen mit einem sehr strengen Einreiseregime beginnen", setzt Innenminister Nehammer nach. Einreisende müssen für zehn Tage in Quarantäne. "Mindestens 30 Prozent der Infektionen waren von Rückkehrern aus dem Ausland". Drei Viertel davon kamen demnach vom Westbalkan.

"Das wird für die Betroffenen nicht immer einfach sein, ist aber notwendig", so Nehammer weiter. Niemand solle auf die Idee kommen etwa Silvesterpartys in Nachbarländern zu feiern, nur weil diese in Österreich noch nicht möglich sind. "Auch wenn wir jetzt den strengen Lockdown verändern, ist es wichtig, dass wir uns weiter an die Ausgangsbeschränkungen halten."

Unser Ziel müsse nicht nur sein, die Zahlen vor Weihnachten "sehr sehr stark" zu drücken, "damit nicht unter jedem Baum ein Infizierter sitzt", sondern auch, Ansteckungen durch Reiserückkehrer zu verhindern, so der Kanzler dazu in Folge einer Reporterfrage.

Shopping-Ansturm verhindern

"Es zipft uns auch richtig an", dass wir unsere sozialen Kontakte einschränken müssen, versetzt sich der Innenminister weiter in die Köpfe der Österreicher. Er appelliert: Nicht gleich am ersten Tag nach dem Lockdown die Geschäfte stürmen. "Auch da wird die Polizei vor Ort sein und auch da wird die Polizei eingreifen".

Für Familienmitglieder, die zu Weihnachten aus dem Ausland anreisen, gilt ebenso die zehntägige Quarantäne. Aber es gibt eine Ausnahme: Wer nachweisen kann, dass er Österreich wieder auf direktem Weg verlässt, kann nach dem gemeinsamen Fest, auch vor Ende der Quarantäne wieder ausreisen. Reisenden innerhalb der Grenzen Österreichs Quarantänevorschriften zu machen, sei "weder machbar noch kontrollierbar", fügt der Kanzler hinzu. Es sei bereits eine Mammutaufgabe, dies an der Außengrenze durchzuführen.

Verstärkte Kontrolle vor Shopping Center

"Ich habe den Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit angewiesen, mit den Landespolizeidirektionen ein Konzept auszuarbeiten, dass es verstärkte Kontrolle vor den Einkaufszentren und den Einkaufsstraßen. "Es müssen sich alle Geschäftsbetreiber darauf einstellen, dass es erhöhte Polizeipräsenz und vermehrt Kontrollen durch die Gesundheitsbehörden geben wird."

Warum wird vor dem traditionell stärkten Einkaufstag, dem 8. Dezember, aufgesperrt? "Jeder Tag der Schließung verursacht Unsummen an Schaden an öffentlichen Geldern", führt Kurz weiter aus. Er spricht von mehreren Hundert Millionen pro Tag. Zudem müsse man überlegen, ob nicht eine längere Schließung die Kundenströme auf noch weniger Einkaufstage vor Weihnachten konzentrieren würde.

Zweite Massentestrunde nach Weihnachten

Anschober kündigt an: Nach den Feiertagen soll eine zweite Runde an Massentestungen starten, um einen noch genaueren Überblick über die Entwicklung der Dunkelziffer zu erhalten.