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Prügel-Mädchen schlagen trotz Bewährung wieder zu

Heute Redaktion
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Die vorbestrafte Lucia* (17) und ihre Freundinnen haben sich am letzten Freitag in Bern mit einer Gruppe von Mädchen aus Biel geprügelt. Sie erklärt, warum sie trotz Sozialstunden wieder zugeschlagen hat.

Die Mädchen packen sich an den Haaren, treten einander in den Bauch und werfen sich auf den Boden: Das Video einer Mädchenschlägerei vom vergangenen Freitagabend am Bahnhof Bern geht in der Schweiz viral. Passanten lachen, filmen oder gehen einfach am Kampf vorbei.

Mit dabei war die bereits wegen Körperverletzung verurteilte Lucia* aus dem Kanton Zürich. Sie sorgte bereits vor einiger Zeit mit einer anderen Prügelei für Aufsehen. "Die Situation ist wegen eines Buben eskaliert", erklärt die 17-Jährige. Ihre drei Kolleginnen und sie hätten am Freitag in einem Berner Club gefeiert. "Dort trafen wir auf ein Mädchen aus Biel, das meiner Kollegin vorwarf, etwas mit ihrem Freund zu haben. Dabei sagt er, er sei Single."

"Unsere 50-Franken-Nägel brachen ab"

Schon im Club soll es zwischen der rund zehnköpfigen Mädchengruppe aus Biel und den vier jungen Frauen aus der Dominikanischen Republik und Kuba zu Streit gekommen sein. "Sie bezeichneten uns auf Französisch als 'Schlampen' und drohten, uns abzupassen, wenn wir alleine wären", erzählt Lucia. Ihre 16-jährige Kollegin bestätigt dies.

Als die Mädchengruppen dann in der Nähe des Club-Parkplatzes aneinandergerieten, eskalierte die Situation zum ersten Mal: "Vier Bielerinnen gingen auf meine Kollegin los. Ich wollte sie verteidigen und ging dazwischen", so Lucia. "Dabei wurde mir von den anderen Mädchen das Gesicht zerkratzt und mir und meiner Freundin wurden unsere 50 Franken teuren Nägel abgebrochen." Laut dem Clubinhaber haben die Securitys zwei Frauen getrennt.

Schon zwei Anzeigen wegen Schlägereien

Im Bahnhof Bern eskalierte die Situation zwischen den beiden Gruppen gegen Mitternacht vollends: "Wir schrien uns an und auf einmal schlug eines von den Mädchen aus Biel meine Kollegin", sagt Lucia. Daraufhin habe sie auf die anderen Mädchen eingetreten. Auch Paula* (17) machte mit: "Ich griff einmal ein, weil es ein unfairer Kampf war." Die Bielerin, die den Streit im Club angezettelt haben soll, soll noch vor Beginn des zweiten Kampfes verschwunden sein.

Lucia bereut den Vorfall vom Wochenende: "Ich habe schon zwei Anzeigen wegen Schlägereien und da ich im Sommer 18 werde, wollte ich es eigentlich nicht darauf anlegen. Aber da sie uns zuerst angegriffen haben, musste ich mich und meine Freundinnen verteidigen." Vergangenes Jahr wurde die 17-Jährige nach eigener Aussage wegen Körperverletzung verurteilt.

Dies zog eine Strafe und Sozialstunden nach sich. "Die eine Woche, die ich in einem Brockenhaus (Second-Hand-Laden von Wohltätigkeitsvereinen, Anm.) helfen musste, ist schon ein Jahr her. Seither habe ich auch nicht mehr zugeschlagen", so Lucia. Mittlerweile sei sie zwar ruhiger geworden, aber: "Wenn mich jemand provoziert oder die Ehre meiner Freundinnen bedroht, werde ich immer noch wütend."

"Einige entwickeln kein Unrechtsbewusstsein"

Laut Thomas Richter vom Schweizerischen Institut für Gewaltprävention wurden Mädchen früher erzogen, nicht zuzuschlagen. "Heute prügeln sie sich immer noch weniger als Buben, doch weil beide Geschlechter in der Erziehung zunehmend gleich behandelt werden, kommt es nach meiner Erfahrung öfter vor."

Wieso Lucia offenbar immer wieder zuschlägt, kann auch Richter nicht einfach erklären: "Man müsste den genauen Hintergrund der Schlägerin kennen. Manche Wiederholungstäter werden schon so erzogen, dass Gewalt in Ordnung sei. Oder die Erwachsenen haben die Kinder 'aus den Augen' verloren. Wenn Grenzen fehlen, setzt sie am Schluss der Jugendrichter."

Es gebe zwei Arten von Tätern. "Einige fühlen sich in die Enge getrieben und schlagen aus Überforderung zu. Andere finden ihre Handlungen in Ordnung. Jene, die kein Unrechtsbewusstsein entwickeln, sind die schwierigen Fälle."

*Namen geändert

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