Sperrschwund is!

Das Kreuz mit den Zahlen, ein österreichisches Voroster-Drama.

Heute ist der „Tag der Komplimente“, wundern Sie sich also bitte nicht, wenn ich in dieser Kolumne noch galanter bin als sonst schon. Auch die Wiener Linien tragen dem Anlass Rechnung. Wenn Sie heute auf der Fahrt ins Büro aus dem Fenster schauen, dann könnten dort ein paar junge Leute stehen, die Transparente in die Höhe halten. Auf denen stehen schöne Sachen wie etwa „Ihr seid fahrtastisch“. Und nein, Rudolf Anschober ist nicht dabei, so viele Taferln haben die Wiener Linien auch wieder nicht.

Der Gesundheitsminister könnte die aktuellen Impfzahlen in die Höhe halten, aber dann würde die Bim vielleicht vor lauter Lachen entgleisen. Das wiederum wäre übertrieben, denn die Zahlen stimmen sowieso nicht. Korrekterweise müsste man sagen, alle Zahlen stimmen nicht, denn es gibt natürlich mehrere offizielle Impfzahlen, etwas anderes hätte mich in Österreich auch schwer verwundert. Und die Straßenbahn erst recht.

Österreich und Daten, das ist spätestens seit Ausbruch der Pandemie eine schlampige Beziehung. Nun strebt diese Liaison einem neuen Höhepunkt entgegen, der Treffpunkt dieser Tinderreise zu uns selber ist das Dashboard des Gesundheitsministeriums. Dort wird abgebildet, wie viele Impfdosen bisher an die Bundesländer ausgeliefert und wie viele Impfungen bereits in den elektronischen Impfpass eingetragen wurden. Bis gestern Abend waren 648.639 Dosen zugestellt, 645.986 Menschen haben zumindest eine Impfung erhalten. Theoretisch! Steht so dort. Aus den Daten ergibt sich also, dass nur mehr 2.653 Impfungen nicht in den elektronischen Impfpass eingetragen wurden. Ebenfalls theoretisch!

Wenn man sich nun die Bundesländer-Daten anschaut, die unvorsichtigerweise ebenfalls auf dem Dashboard zu finden sind, dann macht das stutzig. An Wien wurden bisher 137.237 Impfdosen ausgeliefert, aber nur 76.439 Personen haben die Impfung im E-Impfpass eingetragen bekommen, bei 60.789 fehlt das also noch. Nun bin ich kein großer Mathematiker, aber ich ahne, dass 60.789 mehr ist als 2.653 und ich wundere mich, wie es sein kann, dass österreichweit bei nur 2.653 Personen die Eintragung in den E-Impfpass fehlt, allein in Wien aber bei 60.789. Vielleicht, so mein böser Verdacht, sind die Daten auf dem Dashboard eher Hokuspokus, was auch nicht Nichts ist, aber nicht genau das, was man dort eigentlich sucht.

Ich bin offenbar nicht allein mit meiner Skepsis, wie ich der „Kleinen Zeitung“ entnehmen durfte. Die Steiermark ist in der Bundes-Impfstatistik momentan das Schlusslicht und empfindet das als Brüskierung. Mathematik mag in anderen Ländern eher eine nüchterne Wissenschaft sein, in Österreich ist da viel Empathie im Spiel, auch Zahlen haben schließlich Gefühle oder sind Gefühle. Vielleicht kränkt es Nullen immer, dass sie als Nullen hingestellt werden, und die Zweier leiden darunter, nie Einser werden zu können, was weiß man schon. Es ist eine Welt, die noch viel zu wenig erforscht wurde.

Jedenfalls hielt die Steiermark die Zahlen des Bundes für falsch und es ist klar, was ein österreichisches Bundesland tut, wenn es sich bei Daten schlecht behandelt fühlt. Richtig, es schafft selber welche. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer wies die Landesverwaltung also an, eigene Impfzahlen zu publizieren. Am Samstag waren laut Bund 44.731 Steirer gegen Corona geimpft, laut Land 85.350. Die Steirer betrachten alle ausgelieferten Impfdosen am Tag danach als verimpft, statt auf dem letzten Platz landete man deswegen, schwupps, nach Wien auf Rang 2. Das schaut schon viel schöner aus.

Nun könnte man sagen, okay, die Steirer errichten sich ihre eigene Welt, die Freude sei ihnen gegönnt. Allerdings melden die Steirer ihre selber errechneten Zahlen jeden Tag an das Innenministerium und das Innenministerium trägt diese Zahlen weiter in den Krisenstab. Dort sitzen auch Vertreter des Gesundheitsministeriums mit ihren eigenen Impfzahlen. Im Fall der Steiermark klaffte am Samstag eine Lücke von 40.619 Personen oder Dosen oder beides.

Wirklich richtig, also im Sinne von mathematisch genau, ist vermutlich weder die eine noch die andere Zahl, Sie erinnern sich, was ich über die Gefühlswelt Mathematik schon geschrieben habe. Die „Kleine Zeitung“ vermutet aber, dass die Zahlen des Gesundheitsministeriums noch weniger mit der Wirklichkeit zu tun haben als jene der Steiermark, sie nennt Anschobers Datenwerk etwas grob „teils schlicht falsch“. Das ist dem Gesundheitsministerium auch bewusst, wie aus einer Stellungnahme gegenüber der Zeitung hervorgeht. Aber man hoffe, „diese Probleme würden sich bald legen“. Ich wollte heute ja Komplimente verteilen, deswegen sage ich: „Leiwand“.

Spontan nett

Der Privatsender des Herstellers eines Gummibärligetränks veranstaltete neuerdings jeden Sonntag eine politische Talkshow. Sie kommt nicht aus einem Hangar, auch nicht aus einem mit Hausnummer 7, sondern aus St. Marx in Wien. Ich kenne die Gegend ganz gut, vor allem auch olfaktorisch. Der Redaktionssitz der „Arbeiterzeitung“ lag in den Achzigerjahren der Nähe, in der Viehmarktgasse nämlich, ich war Polizeireporter der Zeitung, die ihre politische Parteilichkeit da schon listigerweise hinter dem Namen „Neue AZ“ verbarg, ohne dass es jemals eine „Alte AZ“ gegeben hätte.

In dieser Zeit war es noch nicht hip, sich Staberln in die Nase zu stecken oder stecken zu lassen, man wurde anderweitig belästigt. Ein Fleischgroßhändler namens Albert „Bertl“ Buschek, später Eigentümer auch des Hotels am Kahlenberg, betrieb ein Lager in St. Marx. Sagen wir einmal so: Die Qualität seiner Ware unterlag großen Schwankungen. An Gammelfleischtagen roch es in St. Marx abartig. Ich will jetzt am Tag der Komplimente  nicht grauslich werden, aber es roch als hätte ein Flugzeug über der Stadt einen riesigen Furz gelassen. Hätte es damals schon die Mercer-Studie gegeben, Wien wäre in ganz anderen Kategorien als heute an der Spitze gelegen, die Deutschen würden sagen, das wäre nicht dufte gewesen.

Daran musste ich denken, als ich gestern zu Servus TV fuhr, um mitzureden, wobei auch immer. Die neue Sendung heißt „Links.Rechts.Mitte“, die Teilnehmer sitzen an einem runden Holztisch, der auf einem Podest steht. Es ist sehr dunkel im Studio, ein paar Leuchten hängen von der Decke, sie sehen aus wie Wärmelampen, die Küken bestrahlen. Es gibt wiederum auch Deckenfluter, dazwischen aber nichts. Ohne etwas vorwegnehmen zu wollen: Am Ende der Sendung übersah ich das Podest oder das Podest mich und ich stieg in der Dunkelheit ins Leere. Mein Fuß fand nach 20 Zentimeter freiem Fall Halt, ich wurde nicht nennenswert verletzt, was gut und schlecht gleichzeitig war, denn im Falle einer auch nur temporären Invalidität hätte ich mich natürlich am Gummibärligetränk-Eigentümer schadlos gehalten, da hätte er sein carpe diem erlebt, mein lieber Spitz.

Ich war nicht der einzige Verletzte an dem Abend, der eigentlich ein Nachmittag war, denn die Sendung wird um 14 Uhr aufgezeichnet, nur falls Sie sich wundern, warum ich zu so vorgeschrittener Stunde immer noch taufrisch aussah. Der Finger von Moderator Christoph Kotanko war dick bandagiert, mit einem Pflaster halt. Er hatte ihn bei der Zubereitung eines Salates für eine Gurke gehalten, was für die Gurke zumindest kurzfristig lebensverlängernd war, bei Kotanko aber längerfristige Schmerzen verursachte, die er tapfer und mit zusammengebissenen Zähnen ertrug. Wie der Salat wurde, weiß ich nicht. Eine Absage der Sendung stand jedenfalls nicht zur Disposition, in Zeiten wie diesen müssen wir alle unsere Opfer bringen.

Ich bin der andere ohne Haare

Neben Isabelle Daniel von „Österreich“ waren auch ein deutscher Gast und eine deutsche Gästin geladen, die sich aus historischen Gründen überhaupt nicht leiden können, aber im selben Flugzeug anreisen mussten, weil die diesbezügliche Auswahl momentan beschränkt ist. Roland Tichy war früher einmal Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, heute betreibt er „Tichys Einblick“ als Printausgabe, vor allem aber als Digitalmedium. Wohlmeinende nennen seine politische Ausrichtung liberal-konservativ, es gibt Ausfransungen nach rechts, er ist ein Skeptiker der gegenwärtigen Corona-Maßnahmen und sollte ein bisschen das Krokodil der Show sein. Ihm gegenüber saß Miriam Hollstein, bis weit ins letzte Jahre hinein bei der „Bild am Sonntag“ Chefreporterin, nun bei der „Funke Mediengruppe“.

Es entwickelte sich eine ordentliche Debatte, nicht gehässig, erstaunlicherweise fanden die Deutschen manches gut an Österreichs Coronapolitik und die Österreicher einiges besser in Deutschland, also schlug ich vor, man sollte die Regierungen einfach tauschen, eventuell auch nur temporär. Es kam aber zu keinem Beschluss, ich sage das dazu, um Angela Merkel die Sorge zu nehmen, sich demnächst mit Rudolf Anschober herumschlagen zu müssen.

Am besten gefiel mir, wie der Gast und die Gästin ihre Anreise beschrieben, nämlich so: Am Flughafen Frankfurt wurde zunächst penibel auf Abstände geachtet. In der Maschine saßen dann alle wie die Ölsardinen. Sämtliche Plätze waren besetzt, nix da mit dazwischen muss ein Sitz frei bleiben. Nach der Landung sprangen alle sofort auf, ein bisschen Normalität ist uns ja doch geblieben, dann warteten sämtliche Insassen am Gang dicht an dicht aufs Aussteigen. Sobald sie die Maschine verlassen hatten, schauten Ordner darauf, dass sich keiner zu nahe kam. Corona hat viel mit uns angestellt, klüger hat uns das Virus nur bedingt gemacht.

Rudi, Rudi, gib Acht

Ich wünsche einen wunderbaren Start in die Woche. Die Regierung hält uns heute am Laufenden, was sie so geplant hat mit uns. Ich denke nicht, dass es weitere Öffnungsschritte geben wird, jedenfalls nicht mehr vor Ostern, die Zahlen lassen keine Verlockungen dazu. Die 7-Tages-Inzidenz kletterte gestern auf 161,2, ich darf daran erinnern, dass wir bei 50 erste Lockerungen wagen wollten.

Nun muss man allerdings dazusagen, dass die Regierung den Kontakt zu vielen Menschen im Land verloren hat, man hört sich einfach nicht mehr zu. Wer am Wochenende etwa in der Wiener Innenstadt unterwegs war, konnte miterleben, wie der Lockdown auf der Straße für beendet erklärt wurde, in vielen anderen Städten war es meinen Informationen nach ähnlich. Es ist so: Die Virologen raten dazu, alles zuzusperren, die Bevölkerung wünscht sich weitere Öffnungen, die Politik liegt irgendwo dazwischen. Es rächt sich, nie zu einer Strategie mit klaren Zielen, verbindlichen Kennzahlen und fixen Kalenderdaten gefunden zu haben. Servus, küss die Hand!

Fotos:
Sperrstunde: Picturedesk, Ronald Zak
Koplimente: Wiener Linien, Peres
Links.Rechts.Mitte: Servus TV
Regierungsspitze: Picturedesk, Dragan Tatic, BKA

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