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Syriens Rebellen beraten über US-Unterstützung

Heute Redaktion
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Bild: AP

Im Syrien-Konflikt ist die von US-Präsident Barack Obama beschriebene "rote Linie" überschritten: Das Weiße Haus hegt keine Zweifel mehr am Einsatz von Chemiewaffen durch den syrischen Machthaber Bashar al-Assad und kündigte am Donnerstag eine "militärische Unterstützung" der Rebellen an. Am Freitagabend beriet sich Obama in einer Telefonkonfarenz unter anderem mit Angela Merkel und François Hollande.

Im Syrien-Konflikt ist die von US-Präsident Barack Obama beschriebene "rote Linie" überschritten: Das Weiße Haus hegt keine Zweifel mehr am Einsatz von Chemiewaffen durch den syrischen Machthaber Bashar al-Assad und kündigte am Donnerstag eine "militärische Unterstützung" der Rebellen an. Am Freitagabend beriet sich Obama in einer Telefonkonfarenz unter anderem mit Angela Merkel und François Hollande. Syriens Rebellen wollen nach der US-Zusage zur militärischen Unterstützung mit verbündeten Staaten über ihren aktuellen Waffenbedarf beraten.

Wie der Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA), Luai al-Mekdad sagte, wollen Vertreter arabischer und westlicher Staaten bereits am Samstag in Istanbul mit syrischen Oppositionsrepräsentanten zu Gesprächen zusammenkommen.

Der Generalstabschef der von Deserteuren gegründeten FSA, General Salim Idriss, werde dabei über die militärische Situation im Land berichten. Die Opposition wolle auch darüber beraten, in welchen Gebieten eine Flugverbotszone nötig sei.

US-Unterstützung

US-Präsident Barack Obama hat am Freitag mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande, dem britischen Premierminister David Cameron und dem italienischen Regierungschef Enrico Letta über die Lage in Syrien diskutiert. Das Bürgerkriegsland sei der Schwerpunkt der einstündigen Videokonferenz der Politiker gewesen, erklärte eine Regierungssprecherin in Berlin. Die Videokonferenz war Teil der Vorbereitungen für den Gipfel der acht großen Industriestaaten (G-8), der am Montag im nordirischen Lough Earne beginnt.

Nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste habe Syriens Staatsführung im Laufe des vergangenen Jahres "in geringem Umfang" mehrfach Chemiewaffen eingesetzt, erklärte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Ben Rhodes am späten Donnerstagnachmittag (Ortszeit). Bei den Angriffen seien "100 bis 150 Menschen" getötet worden. Unter anderem sei das Nervengas Sarin zum Einsatz gekommen.

Assads Giftgas-Arsenal

Beobachter gehen davon aus, dass Assads Truppen das hochwirksame Nervengas Sarin gegen Gegner einsetzen. Ein halbes Milligramm Sarin ist für einen Erwachsenen tödlich. Gegenmittel wirken nur, wenn sie sofort verabreicht werden. Bei der Aufnahme geringer Mengen über Haut oder Atmung führt Sarin zur vollständigen Lähmung und dann zum Tod.

Der US-Militärgeheimdienst DIA bestätigte wiederholt, das syrische Chemiewaffenprogramm umfasse umfangreiche Bestände an Nervengift, die auch mit Flugzeugen oder Raketen eingesetzt werden könnten. Vor eineinhalb Wochen hatte bereits die französische Regierung erklärt, den Einsatz von Saringas im syrischen Bürgerkrieg klar nachgewiesen zu haben. Laut dem französischen Chemiewaffenexperten Olivier Lepick ist das syrische Programm hoch entwickelt. Syrien sei neben der Produktion von Sarin auch die Herstellung von Senfgas und des Nervengases VX gelungen.

CIA sieht Einsatz von Chemiewaffen als erwiesen

Obama hatte Chemiewaffenangriffe in der Vergangenheit als "rote Linie" für ein Eingreifen in den Syrien-Konflikt bezeichnet. "Der Präsident hat gesagt, dass der Einsatz von Chemiewaffen sein Kalkül ändern würde, und das ist passiert", erklärte Rhodes. Der Präsident werde "in den kommenden Wochen" mit dem Kongress über das weitere Vorgehen beraten. "Der Präsident hat klar gesagt, dass der Einsatz chemischer Waffen oder deren Lieferung an terroristische Gruppen eine rote Linie für die Vereinigten Staaten darstellen", fügte Rhodes hinzu.

"Den Vereinigten Staaten und der internationalen Gemeinschaft stehen eine Reihe von rechtlichen, finanziellen, diplomatischen und militärischen Antworten zur Verfügung", erklärte Rhodes. "Wir sind für alle Fälle vorbereitet und werden die Entscheidung nach unserem eigenen Zeitplan treffen." Washington wolle sich auch eng mit internationalen Partnern abstimmen, unter anderem beim G8-Gipfel in der kommenden Woche.

USA werden "sehr überlegt handeln"

Rhodes sagte, dass Washington die Rebellen künftig auch "militärisch" unterstützen werde. Er nannte aber keine Details. Es sei auch noch keine Entscheidung über eine Flugverbotszone für Syrien gefallen.

Aus mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen verlautete dagegen, dass Obama die Lieferung von Waffen an Rebellen bereits genehmigt habe. Die US-Regierung stand einer Bewaffnung der syrischen Opposition bisher skeptisch gegenüber, weil sie fürchtet, dass die Waffen in die Hände von Islamisten fallen könnten. "Wir werden sehr überlegt handeln", betonte Rhodes.

Die US-Regierung steht in dieser Frage innenpolitisch unter Druck. Die oppositionellen Republikaner machen sich für eine schärfere Gangart im Syrien-Konflikt stark. Die beiden einflussreichen Senatoren John McCain und Lindsey Graham forderten am Donnerstagabend in einer gemeinsamen Stellungnahme die Einrichtung einer Flugverbotszone und Waffenlieferungen für die Rebellen. "Die Glaubwürdigkeit der USA steht auf dem Spiel", hieß es mit Verweis auf Obamas "rote Linie".

Bürgerkrieg dauert seit mehr als zwei Jahren an

Angesichts der jüngsten militärischen Erfolge des Assad-Regimes machen sich auch Frankreich und Großbritannien für eine zügige Bewaffnung der Rebellen stark. Die Europäische Union hatte vergangenen Monat auf Drängen aus Paris und London das Waffenembargo gegen Syrien auslaufen lassen. Damit könnten Assads Gegner ab Spätsommer mit Rüstungsgütern beliefert werden.

Bei den Kämpfen zwischen Assads Truppen und den Rebellen sind seit März 2011 nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 93.000 Menschen getötet worden. Angesichts des Blutvergießens rief die UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay am Donnerstag die Konfliktparteien zu einer "sofortigen Waffenruhe" auf. Ungeachtet dessen wurden aus Syrien erneut schwere Gefechte gemeldet, und auch im Nachbarland Libanon schlugen Raketen ein.