Verfahren geht ins Finale
Kurz-Prozess: Zeuge aus Russland per Video befragt
Am Mittwoch war's soweit. Zwei russische Geschäftsleute sollten per Videostream aussagen. Einer packte über Kronzeuge Schmid aus, der andere kam nicht
Fast direkt aus dem Ballsaal tanzte Sebastian Kurz am Mittwoch im Großen Schwurgerichtsaal an: In der finalen Phase des Prozesses wegen Falschaussage gegen den Ex-Kanzler und seinen Kabinettchef Bernhard Bonelli wurde es am Nachmittag nochmal spannend: Ein echter Krimi wurde am Landl auf die große Leinwand projiziert. Nach der Mittagspause (zuvor war Ex-Hofer-Chef Günther Helm befragt worden) wurde eine Videoverbindung nach Moskau aufgebaut. Am anderen Ende der Leitung – live aus der österreichischen Botschaft in Moskau zugeschaltet – sollten zwei russische Geschäftsleute Rede und Antwort stehen.
Kurz gab Statement vor finalem Showdown ab:
Der Gründe für die seltsamen Zeugen sind zwei eidesstattliche Erklärungen, die Kurz kurz nach der ihn belastenden Zeugenaussage von Thomas Schmid aus dem Hut zauberte. Darin behaupten die beiden Manager aus der Ölbranche, Thomas Schmid habe ihnen im vergangenen Sommer bei einem Vorstellungsgespräch in Amsterdam anvertraut, von der WKStA unter Druck gesetzt worden zu sein, Unwahrheiten über Kurz zu Protokoll zu bringen – ein schwerer Vorwurf. Der Richter nahm die Dokumente, die in Tiflis (Georgien) eingebracht wurden, infolgedessen zum Akt – die beiden Oberstaatsanwälte entschieden schnell, die Zeugen vorzuladen.
Der Prozess gegen Sebastian Kurz
Die ersten beiden Prozesstage sind zu Ende.
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"Schmid war ein guter Kandidat"
Wenig später wurde klar, dass die Russen nicht nach Wien reisen würden und man bastelte an einer Video-Lösung. Mittwoch um 13 Uhr war es so weit: Die Verbindung stand. Aber nur ein Russe war da. An einem weißen Tisch sah man den Geschäftsmann A. im Anzug und einen technischen Mitarbeiter der Botschaft sitzen. "Ja, ich bestätige, dass ich am August 2023 für ein Öl-Projekt in Georgien einen CEO gesucht habe. Wir fanden Thomas Schmids Bewerbung interessant." Mit kräftiger Stimme bekräftigte der angebliche Besitzer einer Öl-Raffinierie in Wolgograd, der auch im Diamenten-Business aktiv sei, alles, was er auch schon in der Erklärung niedergeschrieben hatte.
Warum man sich für Schmid interessierte, obwohl der weder Russisch spricht, noch sich mit Öl auskennt, wollte der Richter wissen. "Sprachkenntnisse sind nicht so wichtig, Schmid kann ja perfekt Englisch", entgegnete der Zeuge. Der langjährige Beamte aus dem Finanzministerium und späterer Kurzzeit-Öbag-Chef sei "ein guter Kandidat gewesen, mit wichtigen Kontakten nach Europa."
Sein Lebenslauf war perfekt, "aber uns fielen aber beim Nachschlagen seines Namens Probleme mit Gerichtsverfahren auf", meinte der Zeuge. "Auf Nachfrage meinte Schmid, dass der Druck der Staatsanwaltschaft sehr stark war", so der Russe. Das Gespräch sei aber ziemlich locker gewesen, "Schmid wollte die Staatsanwaltschaft glücklich machen mit seiner Aussage, auch wenn das nicht der Wahrheit entsprechend würde", gab der Zeuge zu Protokoll.
„Schmid wollte die Staatsanwaltschaft glücklich machen mit seiner Aussage, auch wenn es nicht die Wahrheit war“
Erneute Belehrung während Vernehmung
Der Richter unterbrach die Verhandlung und erwähnte nochmals, dass auch zugeschaltete Zeugen unter Wahrheitspflicht aussagen müssen und dass eine falsche Zeugenaussage strafbar wäre. Dann testete der Richter das Englisch des Zeugen, da er und Schmid auf Englisch gesprochen haben wollen. "Mr. Schmidt informed us, that he was under enormous pressure by the prosecuters", erklärte der Russe mit starkem Akzent. Es war nur sein Eindruck, dass Schmid nicht die Wahrheit sagen würde, ruderte der Russe plötzlich zurück. Aber Schmid sagte nicht, "Ich lüge", lachte der Russe. Er sei ein kluger Kerl, "das wäre wirklich komisch gewesen."
„Ich habe das nicht vorgehabt, bei einem österreichischen Gericht eine Aussage zu machen“
Kurz-Anwalt kontaktierte Russen!
Obwohl er "einen sehr guten Eindruck" hatte, gab es ein paar Tage später eine Absage per SMS an Thomas Schmid. Wie es mehrere Monate später zur eidesstattlichen Erklärung über das Treffen kam? "Ich habe das nicht vorgehabt, bei einem österreichischen Gericht eine Aussage zu machen." Der Rechtsanwalt von Kurz hätten ihn kontaktiert, gab er zu. Der Grund sei ein E-Mail, das er an seinen Geschäftspartner (den zweiten Zeugen) schickte. Auf irgendeine Weise wurde der Inhalt der E-Mail den Rechtsanwälten bekannt. Geld bekam er für nichts.
Immer wieder drehte sich Kurz bei der Vernehmung zu seinem Anwalt zurück und begann nervös mit ihm zu sprechen. Besonders als WKStA-Mann Adamovic den Geschäftsmann ins Kreuzverhör nahm. Immer wieder wusste der Zeuge ihn nicht zu überzeugen, erinnerte sich an keine der gefragten Details oder gab an, E-Mails über Schmid nicht mehr vorrätig zu haben. Das Öl-Projekt gäbe es zwar, es habe aber nach wie vor keinen CEO. Er führte das auf "bürokratische Probleme" zurück.
"Der Anwalt half mir bei der Erklärung"
Kurz-Anwalt Otto Dietrich meldete sich bei ihm – Korrespondenzen davon, gibt es jedoch (leider) keine. "Alles lief über Telefonate", so der Russe. Beim Verfassen der Erklärung stand ihm ebenfalls der österreichische Jurist bei. Der Russe beschwerte sich zusehends über die Dauer der Befragung. "Ich bin ein viel beschäftigter Mann und jetzt dauert das schon zwei Stunden", monierte er. Oberstaatsanwalt Adamovic rechtfertigte sich für die vielen Fragen, mit denen er herausarbeiten wollte, "was zumindest für mich offensichtlich ist" – nämlich: Dass die Aussage der Russen am Ende nur eine Räuberpistole von Kurz sei. Die Unschuldsvermutung gilt.
WKStA will Kurz-Anwalt als Zeuge
Die Aussage des ersten Russen nahm die WKStA auch zum Anlass, nun Kurz-Anwalt Otto Dietrich als Zeugen einzuvernehmen zu wollen. Dann verkündet der Richter, dass ihn eine E-Mail der österreichischen Botschaft in Moskau erreichte – mit der Mitteilung, dass der zweite Zeuge erkrankt abgesagt hat. "Heute in der Früh haben wir noch gesprochen und er meinte, er würde kommen", war sogar der erste Russe verwundert – skurril!