Klimaschutz
ORF-Meteorologe stellt sich gegen bedenkliche KlimaLüge
Klima-Leugner lassen aktuell wieder mit einer Flut an Falschaussagen aufhorchen. Meteorologen weltweit setzen sich nun dagegen zur Wehr.
Die Szene der Klima(wandel)leugner* hat einen neuen Schmäh: Während der extremen Hitzewelle in den letzten Wochen neu aufgestellten Temperaturrekorden wurde immer öfter der Faktenbezug abgesprochen. Die ESA stecke dahinter, heißt es. Viel höhere Bodentemperaturen würden als Lufttemperaturen ausgeben, heißt es.
In Großbritannien etwa bezichtigte Neil Oliver, ein Moderator des Privatsenders "GB News", unter anderem die staatliche Rundfunkanstalt BBC, in der Berichterstattung andere Messwerte zu nutzen, um die Temperaturen künstlich zu erhöhen. Ihm zufolge wären alle "vermeintlich schrecklichen Temperaturen" über 40 Grad nur durch Satellitenmessungen zustande gekommen. Die "wahre Lufttemperatur" sei nur in den 30er-Graden gewesen.
Auch hierzulande bekommt man Ähnliches oft zu hören. Aber: Diese und andere solche Unterstellungen sind nachweislich falsch.
Der Aufhänger
Aufhänger des neuen Klimagegner-Spins ist ein tatsächlich existierendes Posting der European Space Agency (ESA) auf Twitter vom 13. Juli 2023. Dort wurde eine Prognose geteilt, wonach die kommende Hitzewelle die Temperaturen auf bis zu 48 Grad Celsius hochtreiben könnte. Damit war/ist die Lufttemperatur gemeint.
Allerdings teilten die Verantwortlichen im selben Beitrag auch eine Karte mit den durch Satelliten des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus gemessenen Bodentemperaturen vom 10. Juli 2023 (!).
"Verwirrung ist nicht zufällig passiert"
Damit war der Vorwurf geboren, hier würden die viel höheren Bodentemperaturen als Lufttemperaturen ausgegeben. Seither wird dieses Narrativ von der Klimaleugner-Szene weiter befeuert.
"Diese Verwirrung ist nicht zufällig passiert, sondern wurde von Bloggern aus bestimmten Kreisen bewusst gestreut um reale Temperaturrekorde zu bagatellisieren, 'weil sie ja am Betonboden gemessen wurden'", schreibt der selbst von diesen Anschuldigungen betroffene ORF-Meteorologe Manuel Oberhuber am Samstag auf Twitter.
Seiner Beobachtung zufolge würden sich solch frei erfundenen Fakenews-Vorwürfe immer öfter auf die Klima-Berichterstattung und mittlerweile auch die Wettervorhersagen abzielen. "Man merkt es jedes Jahr mehr."
Standardisierte Messungen
Im Allgemeinen ist, so nicht anders angegeben, bei Temperaturangaben immer die Lufttemperatur gemeint. Diese werden auch für Prognosen herangezogen.
"Die Messmethode ist weltweit standardisiert. Da gibt es ganz genaue Vorgaben, wie gemessen werden muss: Zwei Meter Höhe über dem Boden, beschattet und belüftet", erklärt Thomas Wostal von GeoSphere Austria in einem Samstag veröffentlichten Bericht gegenüber dem ORF.
Das Wichtige: "Damit sind die Werte weltweit vergleichbar, egal, ob es die Wüste Gobi ist, die Antarktis oder Neusiedl am See."
Dass der ESA-Beitrag durch den Zusatz der Bodenhitze-Karte möglicherweise verwirrend wurde, räumt Wostal ein, die Aufregung könne er aber nicht nachvollziehen: "Der erste Teil des Postings war völlig klar und bezog sich auf die Lufttemperaturen." Und: "Bei der Kernaussage, dass es bis zu 48 Grad bekommen kann, wurde nie etwas vertauscht mit Luft- oder Bodentemperaturen."
(Luft!)Temperaturrekorde gebrochen
Die Prognose sei auch richtig gewesen: "Fünf Tage später gab es bereits bis zu 46 Grad und am 24. Juli 48,2 Grad auf Sardinien und 47,8 Grad auf Sizilien." Auch "Heute" berichtete unter anderem über den neu erreichten Rekord in Palermo:
Selbst wenn die 48 Grad nicht erreicht worden wären, sei das kein Grund die Aussagekraft der Prognosen prinzipiell in Zweifel zu ziehen: "Es kann schon sein, dass Prognosen um plus/minus ein Grad schwanken. Aber ob man 46 oder 48 Grad misst, ist bei so einer Hitze eigentlich egal – wir reden hier von neuen Rekorden", so der Wetter-Experte weiter.
So seien etwa in Katalonien vor 2023 nie mehr als 45 Grad gemessen worden, "in diesem Juli war das dann gleich an mehreren Wetterstationen der Fall."
Rot ist keine "Panikmache"
In diesen Tagen ebenso populär ist in gewissen Kreisen die Mär, wonach das Rot auf Prognose-Karten nur "gezielte Panikmache" sei. "Wir würden Grafiken absichtlich rot einfärben um Panik zu schüren, wir würden bei 35° von Hitze schreiben obwohl ja einfach Sommer ist", ärgert sich auch Meteorologe Oberhuber. Viele seiner Berufskollegen wurden deswegen sogar schon beschimpft oder bedroht. "Heute" berichtete auch hierzu:
Dahinter stecken gleich mehrere Vorwürfe. Die meisten Temperaturkarten, die in Wetterprognosen im TV und Internet gezeigt werden, haben schon lange ein fixes Farbspektrum. Um die 30 Grad werden meist Rotschattierungen verwendet, darüber geht es oft ins Grau oder Pink.
Ein Blick ins Archiv der jeweiligen Sendungen zeigt, dass sich die Farben über Jahrzehnte kaum verändert haben. Weil das aber kaum jemand macht und meist nur (oftmals manipulierte) Schmäh-Bildchen in Telegram- und Facebook-Gruppen geteilt werden, zieht diese und andere Behauptungen seit einigen Jahren regelmäßig ihre Kreise.
Es wird immer heißer
Was sich aber tatsächlich geändert hat: Im Vergleich zu den 1970er und davor, sind die Temperaturen deutlich gestiegen. Das zeigt sich auch in Österreich bei der Anzahl der jährlichen Sommertage (25 Grad Celsius Lufttemperatur und mehr) und Hitzetagen (30 Grad und mehr). Diese haben sich vervielfacht!
Das war aber sicher noch nicht das Ende der Desinformationsbemühungen der Klimaleugner-Szene. Dessen ist sich auch Oberhuber schmerzlich bewusst: "Bin schon gespannt was als nächstes kommt, besser wird das eher nicht mehr."
*Klima(wandel)leugner: Menschen, die den menschengemachten Klimawandel abstreiten.