In 99 Prozent der Autos
So ungesund ist die Innenraumluft in Autos
Eine neue Studie zeigt, dass sich eine Menge Chemikalien in der Luft von Autoinnenräumen befindet – mit höherer Konzentration im Sommer als im Winter.
Stell dir Folgendes vor: Du steigst an einem heißen, schwülen Sommertag in dein Auto, drehst die Klimaanlage auf und fährst los. Aber wusstest du, dass du darin möglicherweise einer Gruppe von Chemikalien ausgesetzt bist, die als Flammschutzmittel bezeichnet werden? Eine neue Studie deutet darauf hin, dass diese Verbindungen, die häufig zur Einhaltung von Sicherheitsnormen in die Innenausstattung von Fahrzeugen eingebaut werden, unbemerkt in die Luft gelangen könnten, die du im Auto dann einatmest. Flammschutzmittel werden allen möglichen Produkten zugesetzt, von Elektronik bis hin zu Möbeln, um im Falle eines Brandes die Ausbreitung der Flammen zu verlangsamen oder zu verhindern. In Fahrzeugen werden sie verwendet, um die seit den 1970er Jahren geltende Federal Motor Vehicle Safety Standard (FMVSS) 302 zu erfüllen. Das Problem ist, dass viele dieser Chemikalien nicht in den Materialien verbleiben, denen sie zugesetzt wurden.
Viele Flammschutzmittel sind, wie Wissenschaftler sagen, "halbflüchtig". Das bedeutet, dass sie leicht von einem festen Zustand (wie der Schaumstoff im Autositz) in ein Gas übergehen können, das dann in die Luft gelangt. Laut dieser neuen Studie von Wissenschaftlern der Duke University und des Green Science Policy Institute, werden diese Chemikalien umso stärker freigesetzt, je heißer es wird.
TCIPP in 99 Prozent der Fahrzeuge
Die Forscher rekrutierten 101 Fahrzeugbesitzer aus den gesamten USA, um an der Studie teilzunehmen. Jede Person erhielt einen speziellen Silikonprobenehmer, den sie eine Woche lang am Rückspiegel ihres Autos befestigte. Diese Probenehmer funktionieren wie Schwämme und sind gut darin, in der Luft schwebende Verbindungen aufzusaugen. Einige Teilnehmer sammelten auch ein kleines Stück Schaumstoff von ihrem Autositz und schickten es zur Analyse an das Labor. Alle an der Studie beteiligten Automodelle waren aus dem Jahr 2015 oder später.
Bei der Analyse der Proben fanden die Wissenschaftler eine breite Palette von Flammschutzmitteln, wobei eine Klasse von Verbindungen, die so genannten Organophosphatester (OPEs), am häufigsten vorkamen. Insbesondere ein OPE, bekannt als TCIPP, wurde in 99 Prozent der untersuchten Fahrzeuge nachgewiesen.
Laut dem Green Science Policy Institute "ist anzunehmen, dass alle Marken und Modelle eine oder mehrere dieser Chemikalien enthalten. Wir haben nicht alle Hersteller getestet, aber wir haben eine breite Palette getestet und jedes Auto hatte Flammschutzmittel. Außerdem haben wir in unseren Gesprächen mit Auto- und Schaumstoffherstellern bestätigt, dass flammhemmende Chemikalien verwendet werden", erklärt Mitautorin Dr. Lydia Jahl.
Je heißer, desto höher die Konzentration
Die Forscher fanden heraus, dass die OPE-Konzentration in der Fahrzeugluft im Sommer deutlich höher war als im Winter. Tatsächlich war die durchschnittliche TCIPP-Konzentration in den Sommerproben etwa viermal so hoch. Fahrzeuge mit TCIPP im Sitzschaum hatten viel höhere Werte der Verbindung in der Luft – etwa viermal höher im Winter und neunmal höher im Sommer im Vergleich zu Autos ohne TCIPP im Schaum. Dies deutet darauf hin, dass der Autositz als Reservoir fungieren könnte, das diese Chemikalien im Laufe der Zeit langsam freisetzt.
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"Wahrscheinlich unwirksam"
"Die meisten Flammschutzmittel werden mit Krebs, Hirnschädigungen, Entwicklungsproblemen und Fortpflanzungsproblemen in Verbindung gebracht. Unsere Studie zeigt, dass Autos eine bedeutende Quelle für die Exposition gegenüber diesen Chemikalien sind, und dass diejenigen, die in wärmeren Klimazonen leben, einen längeren Arbeitsweg haben oder beruflich mit dem Auto fahren, einer höheren Exposition ausgesetzt sind. Auch Kinder sind besonders gefährdet", erklärt Dr. Jahl. "Besonders besorgniserregend ist, dass die Flammschutzmittel nicht nur schädlich sind, sondern dass die Entflammbarkeitsnorm, nach der sie in Autos verwendet werden, veraltet und wahrscheinlich unwirksam ist. Mit anderen Worten: Es gibt bekannte Gesundheitsrisiken für potenziell nicht vorhandene Vorteile beim Brandschutz."
Entflammbarkeitsnormen neu bewerten
Bevor du dir jetzt aber Sorgen machst, ist es wichtig, zu relativieren. Wir sind in unserem Alltag Spuren aller möglichen Chemikalien ausgesetzt, und unser Körper kann recht gut damit umgehen. Diese Studie wirft jedoch einige wichtige Fragen darüber auf, ob die Vorteile dieser Verbindungen die potenziellen Risiken überwiegen. Die Forscher schlagen vor, dass eine Lösung darin bestehen könnte, die Entflammbarkeitsnormen, die für die Verwendung von Flammschutzmitteln in Fahrzeugen maßgeblich sind, neu zu bewerten.
Auf den Punkt gebracht
- Eine neue Studie deutet darauf hin, dass Flammschutzmittel, die in der Innenausstattung von Autos verwendet werden, in die Luft gelangen und von den Insassen eingeatmet werden könnten
- Eine Untersuchung von Wissenschaftlern der Duke University und des Green Science Policy Institute ergab, dass 99 Prozent der untersuchten Fahrzeuge eine bestimmte Art von Flammschutzmittel enthielten, dessen Konzentration im Sommer deutlich höher war
- Die Forscher schlagen vor, die Entflammbarkeitsnormen für die Verwendung von Flammschutzmitteln in Fahrzeugen neu zu bewerten