Gesundheit
"Völlig unvorstellbar" – MedUni richtet Warnung an alle
Die Sommer werden heißer. Die MedUni Wien warnt nun vor dramatischen Auswirkungen der zunehmenden Hitzewellen auf unsere Körper – und auf die Psyche.
"Hitzewellen stellen nicht nur eine Gefahr für die körperliche Gesundheit dar, sondern haben auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Psyche", warnt die Medizinische Universität Wien am Donnerstag.
Aufgrund der enormen Stressbelastung bei anhaltenden Temperaturen über 30 Grad Celsius könnten Angststörungen oder Depressionen verursacht bzw. verschlimmert werden. Aggressive Verhaltensweisen würden bei Hitze ebenso zunehmen wie Erschöpfungszustände und gedrückte Stimmungslagen.
"Angesichts der weiterhin steigenden Zahl der Hitzetage auf bis zu 80 pro Jahr bis zum Ende des Jahrhunderts sollten die psychischen Folgen der Klimakrise nicht unterschätzt werden", appelliert deshalb MedUni-Umweltmediziner Hans-Peter Hutter.
Gefühl der Hilflosigkeit
Die Gefahr für die psychische Gesundheit geht laut dem Experten weniger von singulären Begebenheiten wie einzelnen Hitzetagen aus als vielmehr von wiederholten und häufigen negativen Ereignissen, wie sie der Klimawandel hervorruft.
Das dabei vorherrschende Gefühl, dass der belastende Zustand nicht verbessert oder verändert werden könne, setze der Psyche besonders zu.
"In Situationen der Hilflosigkeit wird das Stresshormon Cortisol vermehrt produziert, welches bei Ausschüttung über einen längeren Zeitraum eine Reihe an nachteiligen Auswirkungen auf die körperliche, aber auch auf die psychische Gesundheit hat", erläutert Hans-Peter Hutter.
Schwerste Depressionen
Die psychischen Folgen anhaltender Hitze schlagen sich in einer Zunahme an Angststörungen und Depressionen, aber auch in steigenden Alkohol- und Substanzkonsum und deren Folgen nieder. Bei bereits Betroffenen können sich die Symptome ihrer psychischen Erkrankung verschlimmern.
Die Erderwärmung ziehe zudem laut Medienmitteilung der MedUni eine steigende Suizidrate nach sich: "Eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius geht wissenschaftlichen Schätzungen zufolge mit einer Erhöhung der Suizidrate um einen Prozentpunkt einher", so Hutter.
So würden Daten aus den USA und Mexiko zeigen, dass die Suizidrate bei einem Anstieg der monatlichen Durchschnittstemperatur um 1 Grad Celsius um 0,7 Prozent bzw. 3,1 Prozent zunimmt.
Suizidgedanken? Hol Dir Hilfe, es gibt sie.
Wenn Du unter Selbstmord-Gedanken oder Depressionen leidest, dann kontaktiere die Telefonseelsorge unter der Nummer 142. Täglich 0-24 Uhr.
Besonders betroffen von den negativen Folgen von Hitzewellen sind ältere oder geschwächte Menschen sowie sozial benachteiligte Personen, die der Hitze oft nicht entkommen können. Hutter: "Untersuchungen der MedUni Wien haben gezeigt, dass es während einer Hitzewelle vor allem bei diesen Gruppen vermehrt zu Ängsten und Depressionen kommt."
Zwischen Aggression und Erschöpfung
Hitze habe zudem gravierende Auswirkungen auf das Verhalten und steigert das Aggressionspotenzial, was sich auch in einem Anstieg von Gewaltverbrechen (z.B. Zunahme an häuslicher Gewalt) widerspiegelt.
Gleichzeitig haben hohe Temperaturen dämpfende Wirkungen auf die Psyche: Erschöpfung durch Hitzestress äußert sich etwa auch in Lethargie und Teilnahmslosigkeit, gedrückter Stimmung und verringerter geistiger Leistungsfähigkeit.
Zahl der Hitzetage und Tropennächte steigt rasant
Das sei insbesondere in städtischen Ballungsräumen zu beobachten, wo Abkühlung und folglich Erholung immer öfter auch nachts ausbleiben.
In Wien war vor 1991 durchschnittlich mit jährlich ein bis zwei Tropennächten mit Temperaturen über 20 Grad zu rechnen. Im Sommer 2015 wurden bereits 23 und 2022 sogar 30 Tropennächte gezählt.
Von Hitzewelle wird in Österreich gesprochen, wenn mindestens drei Hitzetage mit Höchsttemperaturen von mehr als 30 Grad aufeinanderfolgen. Im Zeitraum 1961 bis 1990 gab es laut GeoSphere Austria (ehemals ZAMG) in den Landeshauptstädten Österreichs pro Jahr zwischen drei und zwölf bis maximal 20 Hitzetage.
Zwischen 1991 und 2020 wurden in einem durchschnittlichen Jahr in den Landeshauptstädten schon zwischen neun und 23 Hitzetage verzeichnet, und die Rekorde lagen größtenteils bei über 40 Hitzetagen.
"Der derzeit noch höchste Wert von 40 Hitzetagen pro Jahr in Österreich wird bei einem weltweit ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2100 der Normalfall sein", so die MedUni. Die Mediziner warnen: "Die Rekorde würden dann in einem derzeit noch völlig unvorstellbaren Bereich von 60 bis 80 Hitzetagen pro Jahr liegen."