Gemeindebau-Skandal

Fake-Aufträge: "Besichtigung aller Schäden unmöglich"

Ehemalige Wiener-Wohnen-Werkmeister wollen sich an Geschenke nicht erinnern, alles sei korrekt abgelaufen – von Korruption habe niemand etwas bemerkt

Thomas Peterthalner
Fake-Aufträge: "Besichtigung aller Schäden unmöglich"
Gemeindebau-Prozess im Großen Schwurgerichtssaal in Wien.
Heute

Tag 2 im "Gemeindebau-Prozess" am Wiener Straflandesgericht: Am Dienstag (28.11.) wurde ein Teil der 45 ehemaligen Werkmeister und Mitarbeiter von Wiener Wohnen von Richter und Staatsanwälten ins Kreuzfeuer genommen. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, Scheinaufträge im Gegenzug für Bargeld, Gutscheine und Vignetten erteilt zu haben, wir berichteten.

Obwohl der Hauptangeklagte (58) angeblich Excel-Listen führte, in denen er fein säuberlich Häuser, Aufträge und Gutschein-Empfänger eingetragen hatte, wollten die ehemaligen Wiener-Wohnen-Mitarbeiter davon am Dienstag allesamt nichts wissen. Sie hätten "sauber gearbeitet", Firmen-Mitarbeiter nicht gekannt und auch "nie gesehen". Trotz der angeblich weißen Weste wollte aber kein Angeklagter die Fragen des Staatsanwalts beantworten. 

"Kaputtes Fenster" war nie kaputt

Ein 46-jähriger Ex-Werkmeister nahm als Erster auf der Anklagebank Platz. Er soll Gutscheine und Bargeld im Wert von 3.000 Euro kassiert haben. Im Gegensatz dazu soll er Aufträge an eine Firma des Hauptangeklagten erteilt haben. So wurde beispielsweise ein Auftrag zum Tausch eines Gangfensters in einem Gemeindebau in Ottakring erteilt, Wiener Wohnen wurden dafür 782 Euro in Rechnung gestellt. Eine Überprüfung ergab jedoch: Das Fenster wurde nie getauscht – weil es nie kaputt war. Warum konnte sich der 46-Jährige nicht erklären. 

"Ich bin unschuldig, ich habe nichts bekommen", meinte der Verdächtige auf der Anklagebank. Er habe "keine Ahnung" warum er in der Gutscheinliste einer Firma des Hauptangeklagten aufschien. Diesen habe er auch nur "ein Mal gesehen". An ein protokolliertes Treffen mit Mitarbeitern der Firma in einer Ottakringer Pizzeria wollte er sich auch nicht erinnern können. 

"Besichtigung von allen Schäden unmöglich"

"Wir hatten 30 Gebrechen pro Tag. Eine Besichtigung von allen Schäden wäre von der Zeit her unmöglich gewesen", meinte der nächste angeklagte Werkmeister. "Auch Rechnungen haben wir stapelweise bekommen." Davon wurden nur 10 Prozent automatisch zur Kontrolle ausgeworfen. Schadensmeldungen in den Gemeindebauten habe es natürlich auch von Firmen oder Elektrikern gegeben. "Doch diese waren meistens unnötig, weil die Schäden schon bekannt waren." Das meiste sei über die Hausbesorger gemeldet worden. Auch der 45-Jährige will nie einen Gutschein erhalten haben, obwohl ein ehemaliger Mitarbeiter des Hauptangeklagten andereres behauptet hatte.

"Häuserlisten gibt es seit dem 17. Jahrhundert"

"Häuserlisten gibt es seit dem 17./18. Jahrhundert", meinte dann der nächste Angeklagte. Der 65-Jährige habe Aufträge nur auf Weisung von Vorgesetzten erteilt, daher hätte Bestechung bei ihm keinen Sinn gemacht. Alles sei korrekt abgelaufen – doch die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sehen anders aus. Der durch den vermeintlichen Korruptions-Sumpf entstandene Gesamtschaden soll 170.000 Euro betragen. Am ersten Prozesstag hatte sich nur ein ehemaliger Angestellter des Hauptangeklagten zu allen Vorwürfen schuldig bekannt. Für alle gilt natürlich die Unschuldsvermutung!

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