Klimaschutz
Club of Rome präsentiert "Gegenmittel zur Verzweiflung"
"Grenzen des Wachstums" ist einer der bekanntesten Umweltberichte. Eine neue Publikation der Forschergruppe zeigt Wege in eine lebenswerte Zukunft.
Vor 50 Jahren rüttelte der Thinktank Club of Rome mit seinem Bericht "Die Grenzen des Wachstums" die Welt auf. Sie gilt heute als einflussreichste Publikation zur drohenden Überlastung unseres Planeten.
Wenn sich die globale Wirtschaftsweise nicht ändere, brächen Ökonomie, Umwelt und Lebensqualität zusammen, warnte die Forschergruppe – und stieß bis heute nachwirkende Debatten an. Nun gibt es einen neuen Bericht, der am Dienstag in deutscher Fassung erschienen ist.
Lesen Sie auch Klimaforscher: "Wir steuern auf 3 Grad Erderwärmung zu" >>>
Lesen Sie auch Tiroler Gletscher verlor so viel Masse wie noch nie >>>
In dem Bericht "Earth for All" geht es um nichts weniger als die wichtigsten Maßnahmen, mit denen eine lebenswerte Zukunft der Menschheit noch möglich wäre. Er ist "sowohl ein Gegenmittel zur Verzweiflung als auch ein Fahrplan für eine bessere Zukunft", wie es auf der Website heißt.
Kurve kann noch genommen werden
Es ist noch nicht zu spät – das vermittelt der Bericht, Ergebnis einer zweijährigen Forschungszusammenarbeit vieler Fachleute, sehr eindringlich. Es sind große Ziele, die die Wissenschafter für unverzichtbar halten – unmöglich zu erreichen aber sind sie nicht, wie die Gruppe an Beispielen für schnellen Wandel verdeutlicht. Wir können die Kurve noch kriegen, das wird auf mitreißende und optimistische Art vermittelt.
Lesen Sie auch "Wir haben eine Vielzahl an Optionen für Klimaschutz" >>>
"Dies ist ein Buch über unsere Zukunft – die kollektive Zukunft der Menschheit in diesem Jahrhundert, um genau zu sein", erläutern die mehr als 30 Autorinnen und Autoren. Diese hänge vor allem von "fünf außerordentlichen Kehrtwenden" ab, die in den kommenden Jahrzehnten vollzogen werden müssten: Beendigung der Armut, Beseitigung der eklatanten Ungleichheit, Ermächtigung (Empowerment) der Frauen, Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems und Übergang zum Einsatz sauberer Energie.
Lesen Sie auch IPCC eindringliche Warnung vor "Folgen der Untätigkeit" >>>
Hauptautoren des Berichts sind Sandrine Dixson-Declève, die Ko-Präsidentin des Club of Rome, die Entwicklungsökonomin Jayati Ghosh von der Universität von Massachusetts, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Erdsystemwissenschaftler Johan Rockström, der Umweltpsychologe Per Espen Stoknes von der BI Norwegian Business School, der Nachhaltigkeitsanalyst und Autor Owen Gaffney sowie Jørgen Randers, ehemaliger Professor für Klimastrategie an der BI Norwegian Business School.
Lesen Sie auch Bedrohte Arten auf Rekordniveau >>>
Lesen Sie auch Klimakrise – 40 % aller Tierarten in Österreich gefährdet >>>
Lediglich vier Prozent sind wildlebende Säugetiere
Im Kapitel zum nötigen Wandel des Ernährungs- und Agrarsystems heißt es, dass derzeit mehr als 821 Millionen Menschen unterernährt sind – und "erstaunliche zwei Milliarden Menschen" übergewichtig oder adipös. Der Masse nach sind demnach inzwischen 96 Prozent der Säugetiere auf der Erde entweder Menschen (36 Prozent) oder Vieh (60 Prozent) – und lediglich noch 4 Prozent wildlebende Säugetiere. Bei den Vögeln entfallen der Masse nach etwa 70 Prozent auf Zuchtgeflügel.
Umgestaltung des Energiesystems
Zu den Herausforderungen bei der Transformation des globalen Energiesystems ist zu lesen, dass diese mit geringerem Konsum einhergehen müsse – nötig seien etwa auch weniger und kleinere Autos. Eine weitere Herausforderung sei die "sehr reale Gefahr" einer gesellschaftlichen Destabilisierung im Zuge der Umgestaltung des Energiesystems. "Wenn die ärmste Mehrheit von den steigenden Energiekosten am stärksten betroffen ist, werden diese Menschen gegen die Energiepolitik protestieren", heißt es in dem Bericht.
Lesen Sie auch Warum sich für Klimaschutz erwärmen, Frau Kromp-Kolb? >>>
Als einer der Mythen im Bereich der Energiewende wird genannt, dass das Verhalten von Menschen sich nur schwer ändern lasse. Gerade erst habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass sich vielmehr sehr schnell ändern könne – mit vielen Vorteilen. So reduziere die Arbeit im Homeoffice nicht nur Emissionen und Staus, sondern trage häufig auch dazu bei, Beruf und Familie besser miteinander in Einklang zu bringen.
Mehr Gleichheit und Gerechtigkeit
Die Wissenschafter kritisieren die wachsende Ungleichheit und sehen mehr Gleichheit und Gerechtigkeit als Königsweg für eine lebenswerte Zukunft. "Wir wissen, dass die reichste Milliarde Menschen 72 Prozent der globalen Ressourcen verbrauchen, während es bei den ärmsten 1,2 Milliarden nur 1 Prozent sind", heißt es im Bericht.
"Die meisten natürlichen Ressourcen fließen also in den Konsum der reichsten Gesellschaften, die allerdings nur einen Bruchteil der Konsequenzen tragen – eine zutiefst ungerechte Situation." Ein extremes Maß an Ungleichheit sei äußerst destruktiv, "auch für die Reichen", so die Warnung. "Es begünstigt Verhältnisse, die für alle gefährlich sind."