Kärnten
Angepöbelt, bestohlen – Katastrophen-Helfer fassungslos
Während die Einsatzkräfte selbstlos bis zur Erschöpfung gegen die Unwetter-Fluten kämpften, machten die Aktionen einiger Kärntner völlig fassunglos.
Mehr als 3.500 Einsatze von 277 Feuerwehren wurden ab Beginn der Unwetter in der Nacht auf Freitag bis Montagnachmittag alleine in Kärnten notwendig. Die Zerstörung in einigen Regionen ist enorm, selbst Klagenfurt stand unter Wasser. Es gibt auch ein Todesopfer zu beklagen.
Wo doch eigentlich in so einer Katastrophensituation alle zusammenrücken und sich gegenseitig helfen müsste, erlebten die Einsatzkräfte teilweise das genaue Gegenteil: Wut, Hass und dreisten Diebstahl. Kärntens Katastrophenschutzreferent Daniel Fellner (SPÖ) schilderte in einem Interview mit dem "Kurier" nun die neue Dimension des Erlebten.
Der Landesrat hatte selbst zwischen Donnerstag und Sonntag "vielleicht vier" Stunden geschlafen, war selbst im Dauereinsatz. Die am eigenen Leib erfahrene Erschöpfung konnte er auch bei den anderen Helfern beobachten:
"Das ist auch ein Thema, dem wir in Hinblick auf die Einsatzkräfte in Zukunft mehr Gewicht schenken müssen. Natürlich ist da die Katastrophe vor der eigenen Haustür, natürlich will man ganz viel helfen. Aber die Helfer kommen an ihr Limit. Wir als Führungskräfte müssen auf das Aufladen der Batterien jener, die draußen im Einsatz sind, umso mehr achten."
Diesen selbstlosen Einsatz wussten einige Bürger aber offensichtlich nicht zu würdigen. Das habe bereits mit den Sturm-Ereignissen im Juli begonnen. Damals habe man schon die Polizei zur Streitschlichtung nachalarmieren müssen.
Bestohlen, angepöbelt
Und jetzt sei es sogar noch schlimmer geworden, sagt Fellner: "Die Emotion, die manche an den Tag legen, ist mir neu. Ich habe viel Katastrophenerfahrung und ich kannte bisher nur die schönen Momente, die es ja durchaus auch gibt", spricht er den bisher gelebten Zusammenhalt an. Doch: "Nun haben wir eine neue Dimension".
So hätte etwa die Feuerwehr Sandsäcke befüllt und damit die Lichtschächte eines Hauses geschützt. Der offensichtlich hochgradig egoistische Nachbar wiederum habe diese dann einfach gestohlen. "Wie soll man so etwas beschreiben?", zeigt sich der Katastrophen-Experte fassungslos: "Oder wenn Einsatzorganisationen, die mit Blaulicht auf einem Radweg im Lavanttal unterwegs sind, angepöbelt werden, was sie am Radweg verloren haben" ...
"Mit aller Härte eines Rechtsstaates"
Vielmehr müsse aber die Frage gestellt haben, was Zivilisten während eines ausgerufenen Zivilschutzalarms, bei dem alle in ihren Häusern bleiben sollen, überhaupt da am Radweg machen. "Der Frage werde ich mich widmen". Er will nun Konsequenzen ziehen, etwa durch ortspolizeiliche Verordnungen innerhalb der Gemeinde, gemeinsam mit der Bezirkshauptmannschaft. Die konkreten Ausformungen lasse er derzeit prüfen: "Hier muss man mit aller Härte eines Rechtsstaates durchgreifen." Bei Verstößen solle es künftig auch Strafen hageln.
100-jährliches Hochwasser "neu definieren"
Die Hochwasser-Schutzmaßnahmen in Kärnten würden auch laufend nachgebessert, verspricht Fellner. In der benachbarten Südsteiermark etwa hatten auf 100-jährliche Hochwasser – also ein Extremereignis, das statistisch einmal alle 100 Jahre auftritt – ausgelegten Dämme den Flutmassen nicht mehr standgehalten.
Auch hier muss offensichtlich in neuen Dimensionen gedacht werden. "Was man bedenken muss, ist, dass das 100-jährliche Ereignis von gestern vielleicht das 10-jährliche von morgen ist. Das ist die Problematik", so der Landesrat. Und das wird es für das 21. Jahrhundert nicht gewesen sein: "Wir haben mit Wassermassen zu kämpfen, die in ihrer Häufigkeit so enorm sind, dass wir das 100-jährliche Hochwasser neu definieren müssen."