Ukraine

"Atmosphäre der Panik" – NATO-Land hat Angst vor Krieg 

Im Ukraine-Nachbarland Rumänien wächst die Angst, in den Krieg mit Russland hineingezogen zu werden. Pikant: Rumänien ist NATO-Mitglied.

Michael Rauhofer-Redl
In Rumänien hat man große Angst davor, dass der Krieg auch das eigene Land erreichen könnte. Im Bild eine Militärübung der ukrainischen Armee.
In Rumänien hat man große Angst davor, dass der Krieg auch das eigene Land erreichen könnte. Im Bild eine Militärübung der ukrainischen Armee.
REUTERS

Russische Angriffe auf der gegenüberliegenden Seite der Donau und jetzt auch noch die Entdeckung von Drohnentrümmern auf rumänischem Gebiet: Im Grenzgebiet des EU- und NATO-Staats geht die Sorge um, dass der russische Angriffskrieg in der benachbarten Ukraine auf das eigene Land übergreifen könnte. Allein viermal wurde in dieser Woche die ukrainische Hafenstadt Ismajil an der Donau angegriffen, wo unter anderem Getreidesilos zerstört wurden.

Gegenüber von Ismjail wurden in der Nähe der rumänischen Ortschaft Plaura Trümmerteile gefunden, die offenbar von einer Drohne stammen, wie der rumänische Verteidigungsminister Angel Tilvar am Mittwoch erklärte. Es war unklar, ob die rumänischen Behörden ermittelt haben, wann und von wo die Drohne gestartet wurde. Tilvar sagte jedenfalls, die Trümmer stellten keine Gefahr dar. Doch vielen Bürgerinnen und Bürgern sitzt jetzt die Angst im Nacken.

"Feuerbälle" sorgen für Angst und Schrecken

Daniela Tanase aus Plauru sagte der AP, die Drohnenangriffe auf Ismajil hätten sie in dieser Woche aus dem Schlaf gerissen. Die Menschen im Dorf hätten Angst vor den ständigen russischen Attacken. "In der ersten Phase (des Kriegs) war es ruhiger, aber jetzt ist er auf unser Gebiet gekommen", sagte die 46-Jährige, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Ortschaft lebt. Über einen Wegzug habe sie noch nicht nachgedacht – sie hoffe, dass sich die Lage wieder entspanne.

Minister Tilvar besuchte Plauru und Umgebung am Mittwoch, nachdem er den Drohnenfund einem lokalen Nachrichtensender bestätigt hatte. Er habe zusätzliche Maßnahmen zugesichert, um den Luftraum an den rumänischen Grenzen zu sichern, hieß es aus dem Ministerium. Der rumänische Präsident Klaus Iohannis forderte eine umgehende Untersuchung. Sollte sich bestätigen, dass die Trümmer von einer russischen Drohne stammen, wäre das eine unzulässige Verletzung der rumänischen Souveränität und territorialen Integrität, sagte er in Bukarest.

Der rumänische Anwohner Mircea Franc berichtete am Donnerstag über "Feuerbälle" jenseits der Donau, die die Menschen aufgeschreckt hätten. "Letzte Nacht sind Drohnen auf der anderen Seite des Flusses geflogen, und vorgestern waren es viele, die ersten in unserer Gegend seit Kriegsbeginn», sagte der Besitzer eines Gästehauses im Gebiet Chilia Veche nahe der ukrainischen Hafenstadt Kiliia im Donaudelta. "Im Dorf herrscht eine Atmosphäre der Panik, und nachts ist die Angst am schlimmsten."

Einheimische ziehen weg

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Donnerstag im EU-Parlament, das Militärbündnis sei von Rumänien über den Drohnenfund informiert worden. Die Entwicklung demonstriere "die Risiken von Zwischenfällen und Unfällen", betonte er. Die NATO habe bisher keine Hinweise auf einen vorsätzlichen Angriff Russlands und warte das Ergebnis der laufenden Ermittlung ab.

Für den Gästehaus-Inhaber Franc wirkt sich die Nähe zum Krieg schon jetzt negativ auf sein Geschäft aus. Touristen zögerten, in die Region zu kommen, sagte er. Auch einige einheimische Familien seien schon aus Angst weggezogen. "Wir machen uns Sorgen, weil niemand garantieren kann, dass keine Drohne auf unsere Seite des Flusses fällt", erklärte Franc. "In den letzten beiden Nächten haben drei Viertel der Menschen im Dorf nicht geschlafen. Außer dem Versuch, uns zu beruhigen, können die Behörden nicht viel tun."

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