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Auf diesem Friedhof leben 5.000 Menschen

Auf dem Cementerio del Norte in der philippinischen Hauptstadt Manila leben Tausende Menschen. "Besser als in einem Slum", finden sie.

13.09.2021, 20:38
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Ungefähr eine Million Menschen sind auf dem Cementerio del Norte in Manila begraben, jede Woche kommen neue dazu. Der 54 Hektar große Friedhof ist mehr als hundert Jahre alt und einer der ältesten der Philippinen. Neben den Toten leben schätzungsweise fünf- bis sechstausend Menschen darin. Auf dem Nordfriedhof wird gekocht, geputzt, gewaschen und gehandelt. Menschen wickeln Babys auf Grabplatten, kochen, essen und schlafen dort. Zwischen den Gräbern spielen Kinder. Kleinstadt zwischen Gräbern Einige Bewohner bieten Dienste wie Grabpflege gegen kostenlose Logis an, manche wohnen im eigenen Familiengrab. Größtenteils aus Not, denn wie in vielen Metropolen gibt es in Manila zu wenig bezahlbaren Wohnraum.

Der Friedhof ist nicht nur eine Grabstätte, sondern auch eine kleine Stadt. Es gibt die auf den Philippinen üblichen kleinen Sari-Sari-Läden, in denen Dinge des täglichen Gebrauchs verkauft werden, Dienstleister wie Friseure und sogar ein Internet-Café – in einer Gruft. Der Strom kommt vom Generator. Fließendes Wasser gibt es keines.

Mit den verstorbenen Verwandten zusammenwohnen Versuche, die Bewohner umzusiedeln, blieben bisher ohne Erfolg. Auf Särgen zu schlafen scheint niemanden zu stören. Die Bewohner der Friedhof-Kleinstadt haben einen entspannten Umgang mit den Toten. Sie finden es nicht befremdlich, in einer Gruft mit Familienmitgliedern zu wohnen, die schon verstorben sind. Andere finden es tröstlich, zu wissen, dass sie eines Tages an dem Ort, an dem sie gelebt haben, bestattet werden. Mietfrei, ruhig, sicher Um nichts zu beschönigen: Manches ist gar nicht angenehm an der Friedhof-Stadt. Überall liegt Müll und der Platz für die Toten wird immer knapper. Dennoch: "Besser als in einem Slum", finden die Bewohner. Die Gemeinschaft auf dem Friedhof sei gut, es sei ruhig und vergleichsweise sicher, obwohl es auch auf dem Cementerio del Norte schon einige der brutalen Razzien des Anti-Drogen-Kriegs von Präsident Duterte gab. Manchmal gibt das Friedhofsleben sogar einen kleinen Verdienst her: Särge schleppen, Grabsteine putzen oder Kerzenwachs von abgebrannten Kerzen einsammeln bringt zwar wenig, aber gelegentlich doch ein paar Pesos. Der Nordfriedhof scheint kein Einzelfall zu sein. Auch auf dem chinesischen Friedhof Manilas, der aus vielen Schreinen und "Häusern" für die Verstorbenen besteht, wohnten Menschen, berichten Reisende.