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Laufen hilft bei defekten Nerven-Stammzellen

14.09.2021, 03:00
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Bild: Fotolia

Statistisch gesehen leidet eines von 8.500 Neugeborenen am sogenannten CHARGE-Syndrom. Es handelt sich dabei um eine Entwicklungsstörung mit geistiger Behinderung und Missbildungen an verschiedenen Organen. Deutsche Wissenschafter führten eine Studie durch, wonach dabei eine genetische Mutation die Reifung von Nerven-Stammzellen blockiert. Die DKFZ-Forscher konnten aber gleichzeitig an Mäusen zeigen, dass ein Lauftraining den Stammzelldefekt kompensiert.

Der für die Störung typische Defekt im Gen CHD7 entsteht meist spontan, wird also nicht von den Eltern vererbt. Haikun Liu vom DKFZ erforscht mit seiner Arbeitsgruppe die Regulation adulter Stammzellen im Zentralnervensystem (Gehirn, Rückenmark). Die Wissenschafter untersuchen die Rolle dieser Zellen bei verschiedenen Erkrankungen, etwa bei geistiger Behinderung oder Hirntumoren. CHARGE-Patienten sind intellektuell beeinträchtigt und haben Lernschwierigkeiten. Liu und Kollegen wollten klären, ob bei dieser Krankheit auch ein Defekt im Zentralnervensystem eine Rolle spielt, hieß es in einer Aussendung. Mäuse getestet Um zu verstehen, welche molekulare Rolle eine CHD7-Mutation bei der Entstehung des charakteristischen Krankheitsbilds spielt, züchteten die Forscher mit molekularbiologischen Methoden spezielle Mäuse, deren CHD7-Gen in den Nerven-Stammzellen spezifisch ausgeschaltet werden kann. So lässt sich während des ganzen Lebens der Maus beobachten, wie Stammzellen ohne CHD7 wachsen, differenzieren und ausreifen. Unabhängig davon, ob die Forscher die CHD7-Produktion erst in den Stammzellen erwachsener Mäuse ausschalteten oder bereits im embryonalen Gehirn - die Auswirkung war dieselbe: Die Zellen konnten nicht mehr zu reifen Nervenzellen ausdifferenzieren. Normale reife Nervenzellen bilden komplexe Netzwerke untereinander aus, die zentral für die Informationsverarbeitung im Gehirn sind. Neurone dagegen, die aus den Stammzellen mit blockierter CHD7-Produktion hervorgehen, sind genau dazu nicht in der Lage. Training kompensiert Defekt Besonders beeindruckt waren die Forscher davon, dass körperliches Training den CHD7-Defekt kompensiert: Durften die genveränderten Mäuse in einem Laufrad rennen, was alle Nagetiere mit Begeisterung tun, normalisierten sich ihre Nervenzellen sowohl funktionell als auch von ihrem Aussehen her und bildeten funktionierende Netzwerke aus. Dass Lauftraining die Entstehung neuer Nervenzellen im erwachsenen Organismus dramatisch steigert, hatten Wissenschafter auch schon beim Menschen gezeigt. "Wir waren aber verblüfft, dass das Training sogar den CHD7-Defekt kompensieren kann und wollen nun unbedingt aufklären, welcher molekulare Mechanismus dahintersteckt", so der Experte. Er geht davon aus, dadurch sogar Ansätze zur Behandlung bestimmter Symptome der schweren Erkrankung finden zu können. CHD7 kodiert für ein Protein, das dafür sorgt, dass Gene abgelesen werden können. CHD7 ist außerdem als Krebsgen bekannt, das bei zahlreichen Tumorerkrankungen des Menschen, darunter Hirntumoren, Lungen- und Darmkrebs, verändert ist. Darüber hinaus gelten CHD7-Defekte auch als Risikofaktor für Autismus, viele CHARGE-Patienten sind tatsächlich Autisten.