Politik

Strasser-Prozess: Fake-Fax sollte Aussagen verhindern

14.09.2021, 16:06
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Am Freitag wurde der Prozess gegen Ernst Strasser fortgesetzt. Mehrere Zeugen wurden gehört. Der Aufreger am Vormittag: Laut Richter Olschak hat ein Unbekannter versucht, durch Falschinformationen an den Anwalt der englischen Enthüllungsjournalisten deren Aussage zu verhindern.

Der Schöffensenat (Vorsitz: Georg Olschak) hatte auf Antrag des Verteidigers Thomas Kralik zu überprüfen, ob der ehemalige Innenminister und EU-Delegationsleiter der ÖVP tatsächlich davon ausgehen konnte, dass ein Geheimdienst Agenten auf ihn angesetzt hatte. Richter Olschak sorgte mit der Bekanntgabe, dass ein anonymer Briefschreiber versucht hat, die Aussage der englischen Journalisten Claire Newell und Jonathan Calvert zu verhindern, für große Aufregung. +++ Strasser: "Was sonst außer a Dienst" +++ Fax mit Priorität "Dringend" In einem undatierten, an den englischen Anwalt der Journalisten gerichteten und mit "Dringend" betitelten Fax behauptet der Absender fälschlicherweise, die österreichischen Ermittlungen gegen Newell und Calvert wegen Missbrauchs von Tonaufnahme- und Abhörgeräten wären nicht eingestellt und Ernst Strasser, der die beiden angezeigt hatte, würde eine zweite Anzeige gegen die beiden vorbereiten. Woher die falsche Information an den englischen Anwalt stammt, ist völlig unklar. Ernst Strasser versicherte, damit nichts zu tun zu haben. Auf Basis von Strassers Anzeige hatte die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen die Journalisten ermittelt, das Verfahren jedoch Ende des Vorjahrs eingestellt. Erst nachdem dies klargestellt war und sie keine weitere behördliche Verfolgung befürchten mussten, erklärten sich Newell und Calvert zu einer Aussage im Strasser-Prozess bereit. Strasser hat in Bezug auf das eingestellte Verfahren gegen Calvert und Newell zwar einen Fortführungsantrag gestellt, doch liegt dieser noch gar nicht bei dem Richter-Senat, der darüber entscheiden muss. Ex-Assistentin sagte offenbar falsch aus Auf eine ehemalige Assistentin Ernst Strassers dürfte ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Die 31-Jährige hatte im vergangenen Dezember bei ihrem ersten Zeugenauftritt im Strasser-Prozess erklärt, nach Auffliegen der Bestechungsaffäre im März 2011 keinen Kontakt zu Strasser mehr gehabt zu haben. Eine nachweislich nicht korrekte Darstellung: Wie das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) herausfand, gab es allein zwischen 31. März und 10. April 2011 neun Telefonate und zwölf SMS zwischen der jungen Frau und ihrem Ex-Chef. Staatsanwältin Alexandra Maruna vermutet daher, der Ex-Innenminister könnte bei diesen Gesprächen auf seine frühere Assistentin eingewirkt haben. Damit konfrontiert, beteuerte die 31-Jährige heute, Freitag, bei ihrem zweiten Zeugenauftritt, mit ihrem früheren Chef nach dessen Rücktritt nur Harmlosigkeiten besprochen zu haben. Es sei um "letzte Dinge" gegangen, "weil er nicht wusste, ob er das Büro allein weiterführen musste, weil er keine Assistentin mehr hatte". Zu persönlichen Treffen sei es nicht mehr gekommen. Strasser über Polizei: "Die Schweine" Das BAK hörte bei den Telefongesprächen allerdings mit. In einem erklärte Strasser seiner Vertrauten, die Polizei habe eine andere Assistentin in die Mangel genommen: "Die Kerstin tan's bös behandeln, die Schweine. Deshalb wollte ich mit dir reden." Die 31-Jährige daraufhin: "Am Donnerstag in der Früh könnte ich kommen." Auf Vorhalt dieser Passagen bemerkte die Zeugin, sie wisse nicht mehr, ob sie hingegangen sei. Sie könne sich jedenfalls an kein Treffen erinnern. Fest steht allerdings auch, dass Strasser bereits eine Stunde nach einer Einvernahme wieder bei der jungen Frau anrief. Diese erklärte das damit, ihr Chef habe sich um sie wie um alle seine Assistentinnen gekümmert und ihr einen Job vermitteln wollen, da sie mit seinem Rücktritt ja arbeitslos wurde: "Wir waren alle leicht in Panik. Er war bemüht, dass er die eine oder andere von uns unterbringt." Montag mögliches Prozessende Ob der Strasser-Prozess wie vorgesehen am Montag zu Ende gehen wird, steht nicht hundertprozentig fest. Kralik hat am Freitag die Verschriftlichung sämtlicher Telefonprotokolle beantragt, worüber der Senat erst am Montag entscheiden wird. Neben Newell und Calvert soll auf Wunsch Kraliks am Montag zusätzlich noch ein ranghoher heimischer Polizist als Zeuge aussagen. Der möglicherweise letzte Verhandlungstag startet daher bereits ab 10.30 Uhr und nicht - wie zuletzt avisiert - um 11.00 Uhr im Großen Schwurgerichtssaal. Strasser behauptet bekanntlich, er habe sich nur deshalb auf Gespräche mit zwei als Lobbyisten getarnten britischen Aufdeckungsjournalisten eingelassen, weil er diese für Geheimdienst-Leute gehalten habe und sie bzw. ihre Auftraggeber aufdecken wollte. Die Anklage legt ihm zur Last, den vermeintlichen Lobbyisten gegen ein jährliches Honorar von 100.000 Euro seine Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung angeboten zu haben. Das Urteil soll am kommenden Montag fallen. Strasser drohen bis zu zehn Jahre Haft. Havranek bestätigt Strassers Sorge um Abhörattacke Der Unternehmens- und Steuerberater Thomas Havranek, der eigenen Angaben zufolge mit Ernst Strasser befreundet ist und diesen im Zeugenstand als "meinen Mentor" bezeichnete, erklärte, der Angeklagte wäre zwei Mal mit der Frage an ihn herangetreten, "ob es möglich wäre, dass meine Büros abgehört werden". Konkreten Verdacht bzw. einen Geheimdienst habe er aber nicht genannt. Auch die Agentur Bergman & Lynch hatte der Ex-Innenminister laut Havranek nicht in Verbindung mit einem womöglich auf ihn angesetzten Nachrichtendienst gebracht.