Wien

Wiens U-Bahnzukunft: 2022 geht es tiefer unter die Erde

Seit fast einem Jahr wird am Ausbau des Wiener Öffi-Netzes gebaut. Mit 2022 startet der Tunnelbau beim Schottentor und dem Matzleinsdorfer Platz.

22.11.2021, 12:49
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    Seit rund einem Jahr wird an Wiens Öffi-Zukunft gebaut. Auch beim Rathaus fuhr für das neue U2/U5-Kreuz schweres Gerät auf.
    Alexandra Gritsevskaja

    Im vergangenen Jahr begannen die Bauarbeiten für das gigantische Jahrhundertprojekt und, wie von der Stadt gerne betont wird, "Wiens größtes Klimaschutzprojekt" in vollem Umfang. Mit Anfang dieses Jahres starteten auch die umfangreichen und komplexen Tiefbauarbeiten entlang der fünf neuen U2-Stationen sowie bei der neuen U5-Station Frankhplatz (Alsergrund). Auch beim U2-Update zwischen den Stationen Karlsplatz (City/Wieden) und Rathaus (City) laufen die Arbeiten seit einem halben Jahr auf Hochtouren. 2022 geht es mit den tiefgreifenden Aushubarbeiten entlang der Neubaustrecken verstärkt in den Untergrund, zusätzlich starten gleich zwei neue Tunnelbauwerke im Bereich Schottentor (City) und beim Matzleinsdorfer Platz (Favoriten).

    "U2xU5 ist ein hochkomplexes U-Bahn-Bauprojekt, das es in dieser Dimension seit dem Bau der U3 in der Innenstadt in den 90er Jahren nicht mehr gegeben hat. Wir sind mit einem bestvorbereiteten Projekt zu Jahresbeginn gestartet. Die umfassende Detailarbeit im Vorfeld hat sich mehr als ausgezahlt: Wir liegen im Zeitplan und werden auch 2022 zahlreiche bauliche Meilensteine setzen", erklärt der Geschäftsführer der Wiener Linien Günter Steinbauer.

    Ein Jahr Ausbau der neuen U2/U5-Linienkreuzes. Video: Wiener Linien

    Trotz Corona Einsparungen von 200 Mio. Euro

    Die Herausforderungen vor Baubeginn hätten für die Wiener Linien nicht größer hätten sein können: "Eine starke Bauwirtschaft und zahlreiche Änderungen bei Normen, die bei einem Großprojekt verstärkt spürbar sind, haben Neuausschreibungen erfordert. Diese Vorgehensweise hat sich ausgezahlt und brachte für den U-Bahn-Ausbau der ersten Baustufe rund 200 Millionen Euro an Ersparnis“, betont Steinbauer. Dazu kamen die Widrigkeiten durch die Coronapandemie und Herausforderungen bei den Bauarbeiten im dichtbebauten Gebiet. "Das war eine besondere Situation, die wir in 50 Jahren U-Bahn-Bau so noch nie hatten", so der Wiener Linien-Chef.

    28 Wiener Firmen arbeiten am Öffi-Netz der Zukunft

    Um diese Herausforderungen zu bewerkstelligen, arbeiten rund 700 Menschen, von Bauarbeiter, Polieren, Ingenieuren und auch Lehrlingen täglich direkt auf und im Umfeld der Baustellen. Im Jahr 2021 werden auf den Baustellen rund 275.000 Arbeitsstunden für die Realisierung von U2xU5 geleistet. Der U-Bahn-Ausbau bewirke ein enorme Wertschöpfung für den Wirtschaftsstandort Wien. Rund 60 Unternehmen sind am Bau beteiligt, 56 davon stammen aus Österreich und davon 28 aus Wien. Das Investitionsvolumen von 2,1 Milliarden Euro für die erste Baustufe löst eine österreichweite Bruttowertschöpfung von 1,1 Milliarden Euro aus. Insgesamt sichern die erste und zweite Baustufe vom Öffi-Ausbau rund 30.000 Arbeitsplätze.

    Über die Hälfte der Bohrpfählen bereits errichtet

    Bevor die Wiener in die neue U2 und die vollautomatische U5 einsteigen können, braucht es zahlreiche Arbeitsschritte im Spezialtiefbau. Am Anfang stehen die Bohrpfahlarbeiten. Dort, wo Aufgänge und Lifte entstehen, treibt ein großer Bohrer Bohrpfähle in den Boden, die mit Bewehrung versehen und mit Beton ausgegossen werden. Die dadurch entstehenden Bohrpfahlwände sichern die Baugrube und bilden später die "Außenschale" der U-Bahn-Schächte. Bisher konnten die Bauteams rund 1.400 Bohrpfähle herstellen, weitere 1.300 Bohrpfähle folgen noch. Insgesamt sind aktuell 11 bis zu 140 Tonnen schwere Bohrpfahlgeräte im Einsatz, diese Arbeiten dauern noch bis Mitte 2022. Die längsten Bohrpfähle werden hinter dem Rathaus errichtet, sie reichen mehr als 60 Meter in die Tiefe.

    2022 Startschuss für Tunnelbau bei Schottentor und Matzleinsdorfer Platz

    In der Reichratsstraße hinter der Universität (City) beginnen die ersten Bauarbeiten für den neuen U2 Tunnel im Frühjahr 2022, beim Matzleinsdorfer Platz (Favoriten) der Bau des ersten Stationstunnels Mitte des Jahres. Für das Ableiten des Grundwassers, während der Tunnelbauarbeiten wird in der ersten Jahreshälfte eine oberirdische Wasserleitung von der Baustelle Rathaus bis zum Donaukanal gebaut.

    Beim Matzleinsdorfer Platz sind die Bauarbeiten schon am weitesten fortgeschritten. Ab 2024 wird hier die Tunnelbohrmaschine mit dem Bau der neuen U2-Tunnel starten. Für den zukünftigen Öffi-Knoten mit Anbindung zur S-Bahn wurden bereits 85.000 Kubikmeter Erde ausgehoben. Zum Vergleich: Das Wiener Rathaus besteht aus 40.000 Kubikmeter Naturstein.

    X-Wagen für die Wiener U-Bahn ab 2022

    Für das U2 Update wurden im U2-Tunnel seit Ende Mai zwischen Karlsplatz und Rathaus 4,8 Kilometer Schienen entfernt und 210 Kilometer Kabel ausgebaut. 2022 startet bereit der Einbau der Bahnsteigtüren. Gemeinsam mit der Inbetriebnahme des neuen X-Wagens im kommenden Jahr ist das ein wichtiger Schritt auf den Weg zur vollautomatische U5.

    2022 werden die Bauarbeiten verstärkt unterirdisch stattfinden. Alle Bauabschnitte von Frankhplatz bis Matzleinsdorfer Platz beginnen dann mit dem Ausheben des Erdmaterials. Ziel ist das Erreichen der Bahnsteigtiefe in rund 25 bis 35 Metern unter der Erde, wo eine stahlverstärkte, meterdicke, Bodenplatte betoniert wird. Bei einem Haus wäre dieser wichtige Arbeitsschritt vergleichbar mit dem Erreichen der Dachgleiche.

    90% der Wiener befürworten U-Bahnausbau

    Arbeiten im dichtbebauten Gebiet sind auch für die unmittelbaren Anrainer eine nichtalltägliche Herausforderung. Umso erfreulicher ist für die Wiener Linien die hohe Akzeptanz für die innerstädtischen Bauarbeiten. In einer Umfrage vom Market-Institut geben mehr als 9 von 10 Wiener an, dass sie den Öffi-Ausbau U2xU5 und dessen wichtigen Anspruch den öffentlichen Verkehr stark auszubauen, für absolut notwendig erachten.

    U2/U5 spart pro Jahr bis zu 75.000 Tonnen CO2 ein

    Die Stadt sieht im Ausbau des Wiener U-Bahnnetzes eine Reihe von Vorteilen, sowohl für das Klima als auch die Mobilität in der Stadt:

    - Pro Jahr werden dadurch bis zu 75.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart. Das entspricht der Umweltleistung eines Waldes mit sechs Millionen 30-jährigen Bäumen. Die Baumanzahl entspreche einem Wald so groß wie die Fläche der Bezirke 1–11 oder der gesamten Donaustadt.

    - Die Leistungsfähigkeit der Wiener Öffis wird mit U2xU5 nachhaltig gesichert. Pro Jahr können durch den U-Bahnausbau mehr als 300 Millionen zusätzliche Öffi-Nutzer die öffentlichen Verkehrsmittel Wiens nutzen. Insgesamt können dann rund 1,3 Milliarden  Fahrgäste pro Jahr in U-Bahn, Bim und Bus befördert werden.

    - Das Mega-Projekt soll auch eine Entlastung von stark frequentierten Öffi-Linien, insbesondere von den Linien U3, U6, 6er, 43er und 13A und schnellere Öffi-Verbindungen bringen. So ist man künftig etwa in rund elf Minuten vom Elterleinplatz (U5, Hernals) beim Karlsplatz – rund doppelt so schnell wie heute. Von der U2xU3-Station Neubaugasse gelangt man in nur vier Minuten zum Schottentor – rund dreimal so schnell wie heute.

    - Der Wirtschaftsstandort Wien wird gestärkt. Die Investitionen schaffen und sichern 30.000 Arbeitsplätze. Zudem werden Grätzel und Geschäftsstraßen durch die U-Bahn-Anbindung aufgewertet.

    - 12 neue U-Bahn-Stationen kommen in der ersten und zweiten Baustufe auf 11 Kilometer Länge dazu, darunter sind vier neue U-Bahn-Knotenstationen. Durch die U-Bahn-Anbindung an zahlreiche Busse und Straßenbahnen, zwei neue Anbindungen an die S-Bahn beim Matzleinsdorfer Platz und in Hernals gewährleisten ein schnelleres Umsteigen in Öffis.