Wirtschaft

Zypern: Kein Chaos nach Bankenöffnung

14.09.2021, 16:00
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Seit Donnerstag, 11 Uhr (MEZ) konnten Bankkunden in Zypern wieder Geld abheben. Das Land drückte seinen Bürgern strenge Kontrollen und Einschränkungen für den Kapitalverkehr aufs Auge, die EZB schickte fünf Milliarden Euro in schwer bewachten Containern (s. Foto unten). Zypern fürchtete im Vorfeld einen Ansturm auf die Banken, Polizeieinheiten patrouillieren. Der Ansturm blieb aber ebenso aus, wie schwere Proteste.

Lange Schlangen vor den Banken, verzweifelte Sparer - die Bilder der Bankenkrise im Jahr 1931 haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Seitdem ist die Angst groß, dass verunsicherte Anleger in Krisenzeiten die Schalter stürmen. In Zypern blieb der befürchtete Run auf die Banken am Donnerstag aber aus. Präsident dankte Zyprioten Der zypriotische Präsident Nikos Anastasiades hat der Bevölkerung für ihr "besonnenes" Verhalten während der zwölftägigen Bankenschließung gedankt. "Ich möchte den Zyprioten für die Reife und Besonnenheit danken, die sie in den Beziehungen zu den Banken an den Tag gelegt haben", erklärte Anastasiades am Donnerstag via Twitter in Griechisch und Englisch. Das Präsidialamt rühmte in einer in Nikosia verbreiteten Erklärung das "große Verantwortungsbewusstsein" der Zyprioten. Die Banken wurden am Donnerstag nach einer zwölftägigen Zwangspause erstmals wieder geöffnet. Die Regierung ordnete erhebliche Einschränkungen des Zahlungsverkehrs an, um eine Kapitalflucht zu verhindern. So dürfen Bankkunden pro Tag nicht mehr als 300 Euro abheben. Zahlungen im Ausland, etwa mit Kreditkarte, sind nur bis zu 5.000 Euro im Monat zulässig. Überweisungen ins Ausland sind weitgehend untersagt. Wer Zypern verlässt, kann maximal 1.000 Euro in bar mitnehmen. Zudem können Schecks nicht gegen Bargeld eingelöst, sondern nur auf ein Konto eingezahlt werden. Präsident verzichtet auf Teile des Gehalts Ein Berater des Präsidenten gab überdies bekannt, dass Anastasiades auf 25 Prozent seines Gehalts verzichten werde. Die Minister werden nach seinen Angaben 20 Prozent ihres Gehalts einbüßen. Für alle gelte, dass sie auf ihr 13. Monatsgehalt verzichten würden. Seinen Angaben zufolge richtete die Regierung eine Untersuchungskommission bestehend aus drei ehemaligen Richtern des Obersten Gerichtshofes der Mittelmeerinsel ein. Diese sollen überprüfen, inwieweit mögliche kriminelle Machenschaften die Banken Zyperns an den Rand des Bankrotts getrieben haben. Viele Menschen nur zu Beginn Vor den zypriotischen Banken fanden sich am Donnerstagnachmittag immer weniger Menschen ein. Selbst vor der angeschlagenen Laiki-Bank, zählten Reporter in Makedonitissa, einem Stadtteil im Osten Nikosias, zweieinhalb Stunden nach der Öffnung der Banken vor der Filiale nur noch sieben Menschen. Vor den Banken am zentralen Eleftherias Platz von Nikosia gab es nach zunächst größerer Zahl so gut wie keine Kunden mehr. Auch aus den Hafenstädten Limassol und Larnaka wurde kein Andrang gemeldet. Vor den Zweigstellen in der Hauptstadt Nikosia warteten nur zu Beginn der Öffnungszeiten Menschen ungeduldig auf Einlass. Dank der Warnungen, die seit Stunden im Radio und im Fernsehen ausgestrahlt werden, blieb ein Massenansturm auf die Banken aus. Die meisten Banken auf Zypern haben pünktlich um 18.00 Uhr Ortszeit ihre Geschäftszeit beendet. Nur einige im Zentrum Nikosias blieben für kurze Zeit noch offen, bis auch die letzten Kunden gingen. In Zehnergruppen eingelassen Polizeistreifen zeigten seit den frühen Morgenstunden in den Innenstädten Präsenz und fuhren von Bank zu Bank. Zusätzlich waren vor den Türen der Banken private Sicherheitsdienste im Einsatz. Die Bankkunden wurden in Gruppen von zehn Personen eingelassen, um Tumulte zu verhindern. "Die meisten Leute haben die erlaubte Summe von 300 Euro abgehoben", sagte Dimitris Antoniou, Chef der Filiale der Bank of Cyprus am zentralen Eleftherias Platz. Die Banken sollen am Freitag wieder zur normalen Geschäftszeit um 08.30 Uhr (07.30 MEZ) öffnen, hieß es. Die Kapitalverkehrskontrollen in Zypern werden wohl einen Monat bestehen. Die Maßnahmen würden Schritt für Schritt aufgehoben, sagte Außenminister Ioannis Kasoulides. Angestellte sollen Gehälter bekommen Daueraufträge für die Zahlung von Löhnen über das Online-Bankingsystem werden wieder erlaubt. Damit sollen alle Angestellten ihre Gehälter erhalten. Für Beträge bis zu 200.000 Euro ist eine Genehmigung der Zentralbank notwendig. Zyprioten sollen zudem pro Auslandsreise maximal 1.000 Euro Bargeld mit sich führen dürfen. Schwer bewachter Geld-Konvoi in Larnaka Die zypriotische Zentralbank ist am Mittwoch mit 5 Mrd. Euro Bargeld ausgestattet worden. Das Geld ist am Abend in einem schwer bewachten Konvoi vom Flughafen Larnaka aus zur Zentralbank in Nikosia gefahren worden. Das von der Europäischen Zentralbank (EZB) bereitgestellte Bargeld wurde am Donnerstag an die Bankfilialen auf Zypern verteilt. Reiche sichern seit Tagen ihr Geld "Wir werden den besten Weg wählen, um die Wahrscheinlichkeit zu limitieren, dass große Summen von Geldern verschwinden", bekräftigte Zyperns Finanzminister Michael Sarris. Die Wut der Bevölkerung ist groß: Denn . Wie "Spiegel Online" berichtete, fordert das Parlament nun eine Liste der Kunden, die vor Schließung der Banken noch große Summen abgehoben haben. Es wird vermutet, dass Mitarbeiter der Notenbank oder Regierungsmitglieder reiche Kunden gewarnt haben könnten, bevor die Konten eingefroren wurden. Die Hintergründe der Zypern-Krise auf Seite 2!Zypern ist vor allem wegen seines überdimensionierten Finanzsektors in Schieflage geraten. Spätestens seit dem Schuldenschnitt für Griechenland sind die Banken marode. Nun sollen sie - als Gegenleistung für die zehn Mrd. Euro schweren Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) - radikal schrumpfen. Zyperns zweitgrößtes Kreditinstitut Laiki wird sogar geschlossen, reiche Bank-Kunden sollen einen Großteil ihres Geldes verlieren und damit einen Sanierungsbeitrag leisten. Eine zunächst angedachte Beteiligung aller Sparer ist zwar vom Tisch, sorgte aber für große Verunsicherung. Zypern hat viele Jahre mit niedrigen Steuern, hohen Zinsen und laxen Kontrollen große Summen aus dem Ausland angelockt, vor allem von reichen Russen und Briten. Russlands Finanzminister Anton Siluanow warnte Zypern nun, unnötige Kontrollen bei gesunden Banken einzuführen. Er machte von dieser Frage auch die Gespräche abhängig, Zypern einen russischen Kredit im Volumen von 2,5 Mrd. Euro zu verlängern und mit besseren Konditionen zu versehen. Andere Steueroasen profitieren vom Zypern-Chaos Trotz geschlossener Banken sollen bereits größere Summen von Ausländern in Sicherheit gebracht worden sein. Die Filialen der größten zypriotischen Banken in London zum Beispiel wurden nicht dichtgemacht. Dort gab es auch - anders als bei den führenden Banken auf der Insel - keine Limits für Abhebungen. Details oder offizielle Bestätigungen für den Abfluss von Geldern gab es aber nicht. Andere Steueroasen dürften von den Problemen Zyperns profitieren. Luxemburg verbat sich aber jeden Ratschlag, seinen riesigen Finanzsektor zurückzufahren. Dieser steht für das 20-fache der Wirtschaftsleistung und damit noch viel mehr als in Zypern. Die Kennziffer alleine tauge aber nicht zur fairen Beurteilung, teilte die Regierung des Großherzogtums mit. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hatte - angesprochen auf Beispiele wie Luxemburg oder Malta - Staaten mit einem großen Finanzsektor empfohlen, Risiken abzubauen: "Stärkt Eure Banken, repariert die Bilanzen und seid Euch im Klaren darüber, wenn Banken in Probleme geraten, kommen wir nicht automatisch, um sie zu lösen", hatte der Niederländer diese Woche gesagt. Seitdem wird in Europa über die Frage gestritten, ob das Vorgehen zur Stabilisierung Zyperns als Modell für künftige Rettungsaktionen taugt. Die portugiesische Regierung schloss aus, dass es ähnliche Fälle geben werde, bei denen auch Bank-Kunden zur Kasse gebeten werden. "Zypern ist ein Einzelfall", hieß es in Lissabon, aber fast wortgleich auch in Deutschland. Andere Staaten wie Finnland hatten sich dagegen offen gezeigt, Sparer erneut in die Pflicht zu nehmen, um Banken zu sanieren. Brauchen weitere Euro-Länder Hilfe? Ökonomen rechnen damit, dass weitere Euro-Länder Hilfen benötigen werden. Das erwarten 36 von 48 von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte. Als wahrscheinlichste Kandidaten für den Euro-Rettungsschirm ESM wurden Spanien und Slowenien genannt. Die Rating-Agentur Moody's hat unterdessen die EU-Regierungen vor einer Selbstüberschätzung bei der Bewältigung der Schuldenkrise gewarnt. Zu einem sogenannten "Bank Run" war es in der Geschichte bisher stets dann gekommen, wenn die Sparer das Vertrauen in ihre Bank oder das ganze Bankensystem verloren. Zum Beispiel sahen in der Weltwirtschaftskrise vor mehr als 80 Jahren viele ihre Gelder bei den Banken nicht mehr als sicher an. Sie wollten daher alle gleichzeitig ihre Guthaben abheben; vor den Schaltern bildeten sich lange Schlangen. Sind die Banken nicht darauf vorbereitet, dann kann es zu Geldengpässen kommen oder im äußersten Fall zum Zusammenbruch. Denn die Banken arbeiten mit dem Geld der Anleger, legen es an und verleihen es weiter, damit es Zinserträge bringt.