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"Anomalisa": Traurig-schönes Puppenspiel

Heute Redaktion
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Oscar-Anwärter, traurig-schönes Alltagsmärchen und Animationsfilm für Erwachsene: "Anomalisa" erzählt von Fließbandmenschen und unerfülltem Liebesglück. Der Film stammt aus der Feder des genialen Drehbuchautoren Charlie Kaufman ("Being John Malkovich").

Oscar-Anwärter, traurig-schönes Alltagsmärchen und Animationsfilm für Erwachsene: "Anomalisa" erzählt von Fließbandmenschen und unerfülltem Liebesglück. Der Film stammt aus der Feder des genialen Drehbuchautoren Charlie Kaufman ("Being John Malkovich").

Antiquiert könnte man sie nennen, die Stop-Motion-Technik, die im modernen Animationsfilm nur noch äußerst selten zum Einsatz kommt. Das Ganze funktioniert nach dem Daumenkinoprinzip: Man bastelt Miniatur-Sets und setzt Puppen hinein, die manuell bewegt und nach jeder noch so kleinen Veränderung abfotografiert werden. Am Ende fügt man die so entstandenen Bilder zu einem Film zusammen.

Die Bewegungsabläufe der Figuren wirken dadurch meist kantig und etwas unnatürlich, was Stop-Motion etwa für soften Grusel à la Tim Burton eignet (siehe "The Nightmare Before Christmas" und "Corpse Bride"). Im Fall von "Anomalisa" soll die klassische Technik aber nicht eine (schaurige) Grundstimmung verstärken, sondern ein entscheidendes Handlungselement beisteuern.

Same Same but different

Michael Stone (im englischen Original von David Thewlis gesprochen) reist aus beruflichen Gründen nach Cincinnati. Er schreibt Schulungsbücher für Angestellte im Kunden-Service. Den Kontakt mit seinen Mitmenschen beschränkt Michael auf das Nötigste. Der Grund dafür wirkt im ersten Moment etwas ungewöhnlich: Für Michael sehen alle Menschen gleich aus, vom blondschopfigen Kleinkind zum kahlen Greis, und sie sprechen auch alle mit derselben Stimme (Tom Noonan, der Bösewicht aus "Manhunter" und "Last Action Hero"). Als der Autor in seinem Hotel die einzigartige Lisa (Jennifer Jason Leigh) kennenlernt, beginnt er, sie zu umgarnen.

Puppenspiel

Selten wurden Entfremdung, Isolation und der Reiz der Andersartigkeit im Kino so traurig-schön dargestellt wie durch die standardisierten Puppengesichter in "Anomalisa". Da kein Geringerer als Charlie Kaufman für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, trifft der Film die menschlichen Töne perfekt, verfügt aber auch über den nötigen Witz, um sein Publikum nicht in die Depression abgleiten zu lassen.

"Anomalisa" wurde unter anderem beim Filmfestival von Venedig 2015 mit dem Großen Spezial-Preis der Jury ausgezeichnet. Der Film tritt am 28. Februar im Rennen um den Animationsfilm-Oscar an und startet am 21. Jänner in den österreichischen Kinos.