Politik

"Bin froh über Demos gegen Spekulanten

Heute Redaktion
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In seiner Anfangszeit als Politiker organisierte Wiens Bürgermeister Michael Häupl selbst noch Demos - etwa gegen Atomkraftwerke. Heute hegt er große Sympathien für die weltweiten Proteste gegen die Finanzspekulanten, wie er im Interview mit den "Heute"-Chefredakteuren Wolfgang Ainetter und Peter Lattinger gesteht.

In seiner Anfangszeit als Politiker organisierte Wiens Bürgermeister Michael Häupl selbst noch Demos – etwa gegen Atomkraftwerke. Heute hegt er große Sympathien für die weltweiten Proteste gegen die Finanzspekulanten, wie er im Interview mit den "Heute"-Chefredakteuren Wolfgang Ainetter und Peter Lattinger gesteht.

"Heute": Weltweit wird unter dem Motto „Occupy Wall Street“ gegen Banken und Spekulanten demonstriert.Hegen Sie Sympathien dafür?

Häupl: "Ich habe ein hohes Maß an Verständnis für die Wut auf die Spekulanten. Sie haben die Krise verursacht, müssen aber keine Konsequenzen tragen. Parallel zu den Hilfspaketen für die Banken hätte eine Finanztransaktionssteuer beschlossen werden sollen, ebenso die Regulierung der Finanzmärkte und Kontrollmechanismen - nichts ist passiert. Gleichzeitig müssen die Staaten Sparpakete schnüren, die von den Normalbürgern getragen werden. Dass die sagen: 'Wir haben die Krise nicht verursacht, aber wir sollen zahlen?' Das verstehen die Bürger nicht, das verstehe ich auch nicht."

Wird „Occupy Wall Street“ so breit wie die 68er-Bewegung?

"Das kann ich nicht sagen. Ich halte es jetzt für gut, dass junge Leute weltweit aufstehen und sagen: Das geht so nicht."

Die Proteste richten sich auch gegen die Politik. Braucht diese einen Anstoß?

"Offensichtlich schon. Es geht auch darum, der Politik Mut zu machen. Siehe Großbritannien: David Cameron (Premierminister, Anm.) ist ein Agent der Wall Street. Der ist ja gegen die Forderungen der jungen Leute auf der Straße. Natürlich ist es nicht zu akzeptieren, wenn Geschäfte geplündert werden. Denken Sie an das Unglück, das die Spekulanten den Menschen weltweit gebracht haben."

Was kann Österreich tun?

"Wenn ich mir anschaue, dass wir die geringsten Vermögenssteuern in der ganzen EU haben, dann sind da schon die Politiker gefordert. Das ist eine Grundvoraussetzung nicht nur zur Krisenbewältigung, sondern zur Finanzierung der Staatsaufgaben. Momentan ist die Aufteilung nicht gerecht."

Werden die Bürger angelogen, was die Finanzkrise betrifft?

"Griechenland mit Zuschüssen retten zu wollen, allein das ist eine Lüge:Wer 6 Prozent Wirtschaftsrückgang aufweist, hat gar keine Chance, da herauszukommen. Es geht darum, das Wachstum zu fördern, das Budget zu konsolidieren und beides in Einklang zu bringen. Dafür bracht man Zeit, aber das Finanzkapital will diese den Griechen offenbar nicht geben."

Warum macht Finanzministerin Fekter den Österreichern weis, sie würden das Geld für die Griechen wiedersehen?

"Das müssen Sie Frau Fekter fragen. Ich weiß nicht, warum sie das tut. Ich halte ihr zugute, dass sie wahrscheinlich falsch informiert ist."

Muss man als Politiker bei unangenehmen Themen lügen?

"Ich tue es nicht, und ich glaube nicht, dass man es tun muss. In wesentlichen Dingen ist es gut zu sagen, was Sache ist."

Haben Sie Angst vor den Piraten, die bei den Wahlen in Berlin so erfolgreich waren?

"Nein. Die Piraten werden bald verschwinden, wenn sie nicht sagen, was sie wollen, wofür sie stehen. Und eine gewisse Organisation brauchen sie schon."

Ihr aktueller Befund zur Situation der Bundesregierung?

"Ich hielt die Phase des gegenseitigen Blockierens für überwunden. Es gab nach der letzten Regierungsklausur ein ambitioniertes Programm. Das ist mittlerweile vergessen. Jetzt bemüht man sich wieder sehr, einander zu blockieren. Wobei ich etwa bei der Bildung die ÖVP als Blockierer sehe. Und dass in der Frage der Vermögenssteuer ein derartiger Riss durch die Parteien geht, ist für mich zutiefst unverständlich. Man kann über die Form diskutieren, aber dass die Vermögenssteuern bei uns niedriger sind als in den USA, ist ein Faktum.“

Hält die Regierung bis 2013?

"Wenn es so weitergeht, schließe ich nichts aus.Eine Fortschreibung des Stillstands nützt nur einem, der gezeigt hat, was er macht,wenn er in der Regierung sitzt: Die Geschichte von Schwarz-Blau von 2000 bis 2006 ist eine Geschichte der Selbstbedienung, der Korruption.“

Niederösterreichs Landeschef Pröll sagt, es habe zu viele Gauner in die Politik gespült.

"So würde ich das nicht formulieren. Für die Jahre 2000–2006 könnte man den Eindruck gewinnen, dass es viele Leute gab, die Gemeinwohl mit Privatwohl verwechselt haben."

Wann fordert der erste SPÖ- Politiker Studiengebühren?

"Hoffentlich nie.Was wir brauchen, ist ein freier Hochschulzugang. Man muss die Uni-Organisation komplett durchforsten, Kooperationen mit der Wirtschaft forcieren."

Woher soll zusätzliches Geld für die Unis kommen?

"Von der Vermögenssteuer zum Beispiel."

Bringt die angesichts der zahlreichen, schon versprochenen Ausnahmen überhaupt so viel?

"Man muss sich ansehen, ob tatsächlich nur eine Vermögenssteuer kommt oder ein Paket. Es soll jedenfalls nicht den Mittelstand treffen."

Die Grundsteuer-Erhöhung kommt nicht? Das würde ja alle Mieter treffen.

"Die Grundsteuer ist so gering, dass sie sogar der Verfassungsgerichtshof kritisiert hat. Da kann man schon etwas machen. Aber es kommt drauf an, wie viel man sie erhöht. Heute zahlt man 43 Cent pro Quadratmeter und Jahr, das scheint mir nicht viel zu sein."

Die städtischen Gebühren steigen aber auch. Mit einer höheren Grundsteuer wird Wohnen teurer, da kommt schon einiges an Zusatzbelastungen für die Familien zusammen.

"Die Wassergebühren sind in Wien 19 Jahre nicht erhöht worden. Natürlich ist jeder Euro mehr eine Belastung. In Summe wird man mit allen Gebührenerhöhungen auf 25 Euro pro Monat zusätzlich kommen. Aber andererseits haben wir das Jahresticket der Wiener Linien um 90 Euro verbilligt und den Gratiskindergarten - das bringt mindestens 2700 Euro pro Kind - eingeführt. Ich will nicht, dass die Betriebe der Stadt wirtschaftlich gesehen vor die Hunde gehen.“

Wolfgang Ainetter und Peter Lattinger