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"Er kann mir nicht 'Ich liebe dich' sagen"

Eigentlich würde bei Miri alles super laufen mit dem neuen Freund. Wenn da nur der kleine Makel nicht wäre. Wie kann es weitergehen?

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Miri (26) an Doktor Sex: Mein neuer Freund hatte in den Letzten zehn Jahren nur Fernbeziehungen oder Affären. Verliebt war er aber nie. Nun fällt es ihm schwer, zu mir «ich liebe dich» zu sagen, obschon er findet, dass er keine andere Frau mehr lieben könnte als mich. Er umarmt und küsst mich oft, wenn wir zusammen sind und plant mich auch in seine Zukunft ein. Trotzdem braucht er aber auch sehr viel Freiheit und Zeit für sich.

Ich vermute nun, dass er ein Bindungsproblem hat, da sich seine Eltern trennten, als er noch ein Kind war. Zudem hat er von Mutter und Vater Gewaltanwendung in der Erziehung erlebt. Und dann wurde er auch noch von seiner ersten Freundin, mit der er als 18-Jähriger zusammen war, betrogen und dann verlassen. Könnte es sein, dass er deshalb so zurückhaltend ist in Bezug auf mich und es für ihn schwierig ist, mich voll und ganz zu lieben.

Antwort von Doktor Sex

Liebe Miri

Mögliche Gründe für das Verhalten deines Freundes gibt es viele. Und dass die von dir erwähnten Erlebnisse für ihn in einem gewissen Maß prägend waren, ist ziemlich wahrscheinlich. Trotzdem funktioniert die Psyche nicht nach dem Prinzip, dass ein bestimmtes Erlebnis – beispielsweise die Scheidung der Eltern oder der Seitensprung der Partnerin – bei allen Menschen zwingend zu einer bestimmten Wirkung führt.

Die Resilienzforschung hat gezeigt, dass Menschen mit Krisen sehr verschieden umgehen. Während einige in ein Loch fallen und in Ermangelung von Ressourcen und Strategien für den Umgang mit einer unbekannten Situation fast daran zerbrechen, schaffen es andere, eine Belastung so zu verarbeiten, dass am Ende für sie ein positives Ergebnis im Sinne einer Neuorientierung oder eines Zugewinns an Fähigkeiten und Zufriedenheit erzielt wird.

Damit in einer Beziehung etwas zum Problem werden kann, braucht es immer zwei Personen. Wichtig scheint mir daher, dass du dir deinen Anteil an der Sache bewusst machst. Es ist ja nicht so, dass dein Freund keine Emotionen zeigt und sich dir gegenüber wie ein Eisschrank verhält – im Gegenteil: Wie du schreibst, ist er offen, zugewandt und zärtlich zu dir; und sogar in seiner Zukunft spielst du eine zentrale Rolle. Wenn du mich fragst: Alles Zeichen dafür, dass er dich liebt!

Für das alles scheinst du aber völlig blind zu sein. Deine Konstruktion von Liebe scheint eine ganz bestimmte Floskel zu erfordern, weshalb du viele Bemühungen darauf verwendest, ihn dazu zu bringen, die Zauberworte endlich auszusprechen. Aber da er dies partout nicht tut, bastelst du aus den dir zur Verfügung stehenden biografischen Zutaten sowie seinem Bedürfnis nach Freiheit und Zeit für sich selber ein Bindungsproblem.

Ich habe den Eindruck, dass du vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr siehst. Oder anders: Du läufst Gefahr, deinen Freund zum fremdbestimmten Statisten in deinem rosarot-romantischen Liebesdrama zu degradieren. Genau dafür scheint er sich meiner Meinung nach nicht zu eignen – vielleicht gerade, weil er in seiner Vergangenheit Dinge erlebt hat, die ihn gelehrt haben, wie wichtig es ist, in seinem Leben selbst die Verantwortung zu übernehmen.

Deine Frage an Doktor Sex: [email protected]

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