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"Für eine Beziehung spielt die Optik keine Rolle"

Heute Redaktion
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In "Love is Blind" verloben sich Paare, ohne sich je gesehen zu haben. Wir haben mit einer Paartherapeutin über die Netflix-Show gesprochen.

Egal ob auf Tinder, im Job oder in der Bar: Normalerweise wissen wir vor dem Kennenlernen, wie jemand aussieht. "Love is Blind" dreht die Reihenfolge um. Nach Angaben von Netflix ist die Show das meistgestreamte Format auf Plattform.

Was halten Sie vom Konzept? Komplett neu ist die Idee der blinden Kuppelshow ja nicht. "Love is Blind" ist quasi eine moderne und extremere Version der Fernsehsendung "Herzblatt" aus den Neunzigern in einem Blind-Speed-Dating-Format. Es ist sicher spannend zu sehen, was passiert, wenn ein wichtiger Faktor beim Kennenlernen eliminiert wird. Denn normalerweise spielen Persönlichkeit und Optik ja zusammen.



Wie würden Sie Optik und Charakter in der Liebe gewichten?
Am Anfang sind Äußerlichkeiten zentral. Sehen wir jemanden, entscheiden wir innerhalb von Millisekunden, ob wir die Person attraktiv finden. Fühlen wir uns nicht hingezogen, beginnen wir gar erst nicht erst zu flirten. Danach werden andere Faktoren wichtiger. Für eine funktionierende Beziehung spielt die Optik längerfristig keine Rolle.

Welche Faktoren sind sonst wichtig? Die Stimme sagt viel über einen Menschen aus. Auch der Geruch entscheidet, ob wir jemanden attraktiv finden. Ebenso wie Mimik, Gestik oder welchen Gang eine Person hat. Aber wir können uns auch ins unbewegte Aussehen eines Menschen verlieben.

Also ohne die Person je live gesehen zu haben? Ich glaube schon, dass man sich in die Seele eines Menschen verlieben kann. Auch über Briefe, Telefongespräche oder Chats kann man eine emotionale Nähe herstellen. Und solches Fernverlieben kennen wir ja vom Teenie-Alter – da hat man seinen Celeb-Crush auch nie im Real Life gesehen.

In der Show hat sich ein Paar nach wenigen Tagen verlobt. Kennt man sich dann überhaupt schon? Kennt man sich denn jemals ganz? Falls ja, wäre man ja total langweilig für sein Gegenüber. Und bei Gesprächen kann man immer ausschmücken, optimieren oder lügen. Dazu kommt, dass wir alle ganz bestimmte Eigenheiten und Muster haben, die sich erst zeigen, wenn wir uns näher sind. Wie ein Mensch wirklich tickt, merken wir darum erst mit der Zeit.

Haben deshalb Paare, die sich Hals über Kopf verlieben und ruckzuck zusammenziehen oder verloben, später eher Probleme? Das kann man so pauschal nicht sagen. Sich im Eiltempo zu verlieben ist nicht per se schlechter, als sich beim Kennenlernen Zeit zu lassen. Es gibt auch Paare, da hält die Liebe auf den ersten Blick ewig.



Dr. Ines Schweizer ist Sexual- und Psychotherapeutin mit eigener Praxis in Luzern.

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