Wirtschaft

"Gleiche Bedingungen für den stationären Handel"

Heute Redaktion
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In der obersten Etage des höchsten Gebäudes Österreichs wurde unter den Top-Branchenexperten des Landes wieder heiß debattiert. Thema des neuesten "Heute"-Gipfelgesprächs war die Zukunft der Shoppingcenter.

Shoppingcenterbetreiber trotzen dem wachsenden Online-Handel

Stationärer Handel versus Onlinehandel - elf Branchenprofis, allesamt aus dem Bereich Shoppingcenter, waren zum "Heute"-Gipfelgespräch ins Meliá-Hotel im 57. Stock im DC-Tower gekommen, um mit Moderatorin Maria Jelenko-Benedikt, der stellvertretenden "Heute"-Chefredakteurin, ihre Ansicht über aktuelle Einkaufsgewohnheiten und das Einkaufserlebnis der Zukunft zu diskutieren.

Heute: Die Einkaufszentren der Zukunft werden mit Einkauf nicht mehr viel zu tun haben, meine nicht ich, sondern Handelsexperten. Sind die goldenen Zeiten der Einkaufszentren vorbei?

Anton Cech: Es ist eine massive Veränderung im

Markt, es reicht nicht mehr, sich rein aufs Einkaufen zu fokussieren. Es geht viel mehr Richtung Erlebnis. In 10 Jahren wird der Kaufprozess vielleicht nicht mehr im Einkaufszentrum stattfinden, aber die Flächen werden die Schaufenster der Händler sein. Wir sehen den Trend, dass die Händler mehr Flächen haben wollen, um ihr komplettes Sortiment zu präsentieren. Rundherum müssen wir ein Wohlfühlambiente mit Entertainment und Gastronomie schaffen.

Die "Heute"-Gipfelgespräche

Auf den nächsten Seiten präsentiert Ihnen "Heute" eine neue Ausgabe der Veranstaltungsreihe "Gipfelgespräche", in der die Top-Experten des Landes zu Wort kommen. Im 57. Stock des Mélia Vienna im DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreichs, diskutieren die wichtigsten Branchenvertreter in regelmäßigen Abständen die Topthemen, Zukunftschancen und Trends, um sie mit Ihnen, den "Heute"-Leserinnen und Lesern, zu teilen.

Lifestyle, Entertainment und Erlebnisfaktor beim Einkaufen

Lukas Schwarz: Es geht meiner Ansicht nach um zwei zentrale Themen: Das ist Convenience, die Kundenannehmlichkeiten und welchen Vorteil gegenüber meiner Konkurrenz habe ich. Auf der einen Seite gibt es die großen Entertainment-Einkaufstempel mit Markenvielfalt und Gastronomie und auf der anderen Seite ist die Nahversorgung zur Deckung des kurzfristigen Bedarfs, leicht erreichbar.

Heute: Das Gasometer ist ein Paradebeispiel, einkaufen mit Musik zu verbinden. War das notwendig, weil Sie gesehen haben, Shoppingcenter alleine zieht nicht?

Hubert Greier: Sie haben vollkommen recht, vor rund 20 Jahren hat man gedacht auf rund 16.000 Quadratmetern eine Einkaufscity zu installieren. Hat nicht funktioniert, bis 1998 waren die großen Shops weg und der Auslastungsgrad 41 Prozent. Das Ganze steht unter Denkmalschutz, da hat man keine andere Wahl. Wir haben die Strategie geändert, der Fokus lag auf Nahversorgung und die übrigen 10.000 Quadratmeter auf Musikausbildung. Diese Synergie war notwendig, weil man als Einkaufscity zu wenig Elastizität gehabt hat, von der Raum- und von der Kundenfrequenz.

Thomas Köckeritz: Gastronomie ist ein ganz wichtiger Faktor in der Zukunft des Fashion Retails, weil es einen neuen spannenden Aspekt von Lifestyle mit in ein Massenangebot von Betreibern bringt. Das spielt natürlich auch zusammen mit der Konkurrenz aus dem Internet. Wir müssen nach Möglichkeiten suchen, die der Kunde im Internet nicht hat.

Stephan Kalteis: Wir haben eine sehr hohe Aufenthaltsqualität, dadurch dass wir neu gebaut haben. Wir haben einen hohen Tageslichtanteil, was eine sehr spezielle Atmosphäre ausmacht. Wir haben viel Holz und eine sehr große Wasserfläche von 200 Quadratmetern. Das wird immer wichtiger für die Kunden.

Heute: Stimmt der Trend, man schaut offline und kauft online?

Floortje Schilling: Ich sehe es ganz konträr, gerade was Shoppingcenter betrifft. Wir haben einen Cyberboard, wo man online kauft und offline abholt, also vor Ort. Wenn man sich überlegt, wie das echte Leben und die Realität aussehen, kein Mensch braucht ständig ein besonderes Erlebnis und irgendwelche Highlights, sondern die wollen in Ruhe, in Sicherheit, in gewohnter Umgebung mit angenehmen Kontakt ihren Alltag bewältigen.

Peter Hametner: Wenn ich Entertainment haben will, dann fahre ich in die SCS oder in die Lugner City. Die Produkte gibt es da wie dort. Es ist so, dass sehr wohl im Internet geschaut wird und nicht nur gekauft wird.

Heute: Trotzdem gibt es Prognosen, dass rund ein Drittel des Handelsvolumens 2030 online abgewickelt wird?

Peter Schaider: Wir verlieren sicher ans Internet, ein Drittel hoffe ich nicht. Es wird uns aber sicherlich 15 bis 20 Prozent kosten. Es wird derzeit so viel Werbung gemacht für Amazon, Zalando und ähnlichem. Wir kämpfen ja momentan mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Bei uns verdient jeder Mitarbeiter nach Kollektivvertrag und kostet im Handel so zwischen 28 und 30 Euro in der Stunde hochgerechnet auf Krankenstand und Sonderzahlungen. Bei Amazon verdienen die Mitarbeiter zwischen 3 und 6 Euro in der Stunde, müssen das Geld selber versteuern. Die arbeiten vor Weihnachten nicht so wie bei uns 10 Stunden, sondern 24 Stunden. Dafür dürfen sie dann im Jänner Daumen drehen gehen. Der erste der da draufsteigt ist Herr Trump. Der hat gesagt, die ganzen Internetriesen sollen endlich einmal Steuern zahlen. Da hat unsere Politik bis jetzt völlig versagt in Europa. Unsere Firmen müssen auch ARA-Beiträge zahlen, damit das Klumpert aus dem Internet entsorgt wird.

Cech: Dass man gegen die Internetriesen vorgeht, das werden wir nicht in Österreich schaffen, das muss eine europaweite, ja weltweite Initiative sein. Auf der anderen Seite muss ich sagen, letztendlich entscheidet der Konsument. Jetzt zu glauben, dass wir es als Shoppingcenterbetreiber ändern können, ist ein optimistischer Zugang.

Schilling: Ganz ehrlich, wenn ich in einem Shop bin und die Verkäuferin frage, haben Sie die Schuhe auch in 37. Und sie geht auf ihrem IPAD ins Internet und sagt, ja, kann ich Ihnen bestellen. Natürlich sage ich, kann ich selber auch. Dafür brauche ich dann keinen Shop mehr. Es geht eben darum, dass sich die Shops so ausrichten, dass sie selbst offline mithalten mit ihrem eigenen Online-Angebot, dann ändert sich etwas.

Hametner: Die Gesellschaft ist gefordert! Wir regulieren zukünftig, wie wir Kraftfahrzeuge benutzen, ganze Städte werden bereits zu Elektrobike-Zentren umgedacht, trotzdem bestellen jene übers Internet. Eine Unterhose oder ein BH wird für X transportiert, X probiert, X findet ihn nicht hübsch, verpackt das Klumpert, fährt zum Postcorner, gibt ihn auf. Das Ding fährt nach Rumänien, wird gereinigt, neu ausgepresst, neu verpackt und fährt wieder in den deutschen Sprachraum. Dann bestellt Familie Z, es fährt zur Familie Z, wird wieder probiert, passt wieder nicht und fährt wieder nach Rumänien zum Putzen mit einem armen Hund in einem Sprinter, der Tag und Nacht ums kleine Körberlgeld die Wette um die Uhr fährt. Wir akzeptieren es. Schauen Sie doch einmal, was am Freitag, Samstag alles unterwegs ist in Sprintern.

Online: An der Grenze macht keiner das Packerl auf!

Nämlich die Unterwäsche, die wir hier in Wien probieren. Das heißt, der Warenverkehr ist gratis. Alle Center haben heute in der Regel eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Prüfen Sie einen nicht regulierten slowakischen Sprinter, wann der das letzte Pickerl gemacht hat. Nämlich gar nicht. Da fahren tausende, Tag und Nacht.

Heute: Ist man am Land dadurch noch mehr betroffen?

Hannes Grubner: Das glaube ich nicht, dass der Onlinehandel am Land größer ist. Wir haben an den Stadträndern die Fachmarktzentren, die fast den selben Mietermix haben wie ein Shoppingcenter. Wir können nur die Rahmenbedingungen so gestalten, dass der Kunde zu uns kommt.

Onlinehandel kauft viel billiger ein

Richard Lugner: Wir werden es nicht schaffen, den Onlinehandel einzubremsen, die kaufen billiger ein, weil Amazon Konditionen bekommt, von denen die anderen nur träumen können. Amazon zahlt wenig Steuern oder gar keine. 650.000 Pakete werden im Jahr ausgeliefert, das kontrolliert kein Mensch, was da an Steuern anfallt und wo die hin verschwinden. Ich habe mit einem Politiker geredet, sagt er, das geht eh über den Zoll. Von Deutschland nach Österreich glaube ich nicht, dass da einer das Packerl aufmacht. Da ist die Politik schon gefordert, vielleicht kommt man da auf eine Steuerquelle. Und das andere ist mein Lieblingsthema, das ist die Sonntagsöffnung. Das ist etwas, was man heute einfach braucht. Egal in welches Land man fährt, gibt es das einfach nicht, dass am Sonntag zu ist. Es gibt ja schon so viele Länder in Europa, wo es überhaupt keine Begrenzungen mehr gibt, nur bei uns.

Cech: Es gibt beim Verband der Einkaufszentren eine ge

meinsame Initiative zum Thema Öffnungszeiten am Sonntag. Es ist ein sehr heikles Thema in Österreich. Es wird einen gemeinsam definierten Weg geben, wie viele Sonntage wir offen halten wollen.

Sonntags-Öffnungszeiten sind ein heikles Thema

Hameter: Es ist schlicht zu teuer. Öffnungszeiten ist eines, wir vergessen, dass die Firmen, die heute Mieter sind, rückläufige stationäre Umsätze haben, egal ob jetzt länger offen ist oder nicht. Der Glaube, dass der Online-Handel darunter leidet, wenn der stationäre Handel länger offen hat, ist ein Irrtum.

Lugner: Wir haben neun Prozent verloren durch Online seit 2009, aber wir haben mehr Kunden in der Lugnercity. Wir haben ein Kino, ein Fitnesscenter, ein Ärztezentrum, Yoga, ein Zuckerlgeschäft offen am Sonntag. Wir haben ja Erfahrung und bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 als einziges Einkaufszentrum offen gehabt. Wir haben 79 Prozent mehr Umsatz gemacht in der Stunde in der gleichen Woche. Hameter: Sicherlich ist eine Veränderung der Öffnungszeiten an diesem Tag ein Hype.

Digitalisierung wird wichtiger

Lugner: Sonntagvormittag ist gar nicht offen, die Leute sollen in die Kirche gehen und nachher strömen sie direkt in die Einkaufszentren. Das wünsche ich mir!

Heute: Es gibt auch noch andere Technologien wie Augmented Reality, die man nutzen kann.

Cech: Diese Digitalisierung hält Einzug. Etwa mit Stammkundenkarten analysieren wir die Kunden, wann und wie oft kommen sie zu uns, in welche Geschäfte gehen sie, damit wir sie aktiv ansprechen können. Wir machen für sie spezielle Veranstaltungen, geben Rabatte.

Kalteis: Jeder Händler hat da sicher eigene Strategien, wie er mit den neuen Technologien umgeht. Bei uns in Innsbruck hat ein Mediamarkt eröffnet, der keine Kassen mehr hat, man nur mit dem Handy den Barcode scannt und dann über Kreditkarte bezahlt. Die Verschränkung Klick und Collect, wo man online bestellt und dann die Ware holt.



Multichannel und Instagram im Trend


Heute: Dass Sie es anbieten ist das eine, wird das auch vom Konsumenten genutzt?

Schwarz: Es gibt eine Studie unter den 1.000 größten deutschen Onlinestores. Da wurde festgestellt, die die Multichannel unterwegs sind, hatten im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 19%, reine Onlinehändler gehen zurück, minus 1%.

Köckeritz: Für mich war ja eine aktive Facebook-Bespielung state of the art, doch Facebook machen nur die Alten. In ist Instagram und Insta-Stories zu posten. Da steigt die Klickrate, da interagiert der Kunde mit uns. Da sehen wir auch ein sehr großes Potenzial, die Klientele zu verjüngen auf der Basis eines durchaus elitär positionierten Sortiments. In der Kommunikation ist es wichtig, möglichst alle Kanäle zu bespielen.



Heute: Wie wichtig sind bestimmte Events wie Muttertag oder Valentinstag?

Florian Richter: Es muss eine Differenzierung erfolgen zwischen einem tatsächlichen Event wie jetzt einer Modeschau im Haus oder anlassbezogenen Geschichten wie beispielsweise Muttertag. Es schadet sicher nicht, anlässlich dieses Tages einen Mehrwert zu bieten. Die klassische Veranstaltung ist sehr stark centerbezogen. Was zum Beispiel bei uns sehr gut funktioniert hat, war das Public viewing zur Fußball EM. Der Auftritt einer Musikband würde bei uns nicht funktionieren, da unsere durchschnittliche Aufenthaltsdauer zwischen 15 und 30 Minuten liegt.

Black Friday beschert dem Handel Umsatzplus

Cech: Es haben sich Tage etabliert, die man vor zehn Jahren nicht kannte. Bestes Beispiel ist der Black Friday. Wir haben seit Steigerungsraten von 40 bis 50 Prozent an diesem Tag. Mit Muttertag, Valentinstag gewinnen wir nicht den Krieg.

Heute: Wie sieht es derzeit mit den Mieten aus?

Lugner: Nehmen Sie den H&M, der hat zum Beispiel eine Filiale in der Kärntner Straße zugemacht und macht im Online Handel ein riesiges Geschäft, hat ein tolles Lager und liefert rasch aus. Wenn man in der Filiale die Ware will, dann hat er sie nicht. Ein Lager leistet er sich nicht, sagt er, wir können es bestellen, dann ist es in einer Woche da. Wenn Sie es online bestellen, dann kriegen Sie es morgen. Der hat stationär massive Umsatzrückgänge und kommt natürlich zu allen Betreibern und sagt, können wir nicht die Miete reduzieren, damit wir uns wieder erfangen.

Wirtschaftsfreundlichere Politik wird gefordert

Heute: Wenn wir die Möglichkeit hätten, eine Wunschliste an die Verantwortlichen abzugeben, wie sehe sie aus?

Richter: Die Staffelung der Personalkosten auf ein vernünftiges Niveau bewegen. Das beginnt bei einem Samstag. Das sind Rahmenbedingungen, die in vielen anderen europäischen Ländern nicht so vorherrschen wie bei uns.

Einkaufszentren nicht das Übel des Handels

Cech: Was wir brauchen ist eine viel wirtschaftsfreundlichere Politik, dass man die Einkaufszentren nicht als Übel des Handels und Zerstörer der Kleinbetriebe sieht. Wir laufen nicht gegen den kleinen Greissler, wir laufen mittlerweile gegen Amazon, Zalando und Co.

Grubner: Man hat am Stadtrand zu viel gewidmet und hat zu viele Handelsflächen. Ich wünsche mir, dass die weitere Vergrößerung der Handelsflächen verhindert wird. Man hat dadurch auch die Innenstädte ruiniert, alles bewegt sich am Stadtrand und die Innenstadtlokale sind ausgestorben.

Greier: Einkaufscity-Standorte sind Lebensräume, die von der Wirtschaft finanziert werden. Einerseits brauen wir eine Entlastung der Lohnnebenkosten, 0,8 Prozent Dienstgeberbeitrage würden genügen. Das Zweite, wenn der Verkaufsakt in Österreich stattfindet, dass auch hier die Steuern abgeführt werden.

Gleiche Bedingungen für alle am Markt

Schaider: Gleiche Bedingungen schaffen, sodass im Internet gleiche Bedingungen wie im stationären Handel herrschen. Behördengeschichten werden immer umfangreicher. Unsere Betriebe gehören besser geschult. Leute nicht ins Internet geschickt.

Schwarz: Die Chancen, die der Onlinehandel bietet, im stationären Handel zu nutzen, etwa mit Click & Collect. Alibaba & Co lechzen nach Standorten im physischen Einzelhandel, das ist eine Chance!

Köckeritz: Wichtiges Thema ist die Liberalisierung der Öffnungszeiten, nicht eine Stunde länger am Samstag, sondern eine komplette Liberalisierung. Denn im Internet kann der Kunde jederzeit und in jeder Lebenssituation den "Buy Now"-Button drücken. Uns wird die Chance genommen, konkurrenzfähig zu bleiben.

Lugner: Der Staat sollte den Handel weniger beschränken und mit Vorschriften an die Leine nehmen. Die Online Händler können machen was sie wollen.

Kalteis: Man sollte sich nicht zu sehr fürchten vorm Online-Handel. Glaube nicht, dass der Kunde nur noch daheim sitzen und alles bestellen will und gar nicht mehr aus seinen vier Wänden herauskommt. Umso wichtiger ist, dass man Erlebnis bietet, dass man Service bietet.

Shoppingcenter sind moderne Marktplätze

Schilling: Die Betreiber werden oft sehr allein gelassen, auch die gesellschaftspolitische Bedeutung wird nicht geschätzt. Shoppingcenter sind moderne Marktplätze oder Bezirkszentren und sollten nicht nur auf ihre Wirtschaftlichkeit reduziert werden.

Hametner: Die Art des Shoppens bewegt sich, da wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Eines geht, das andere kommt.

Heute: Danke für das interessante Gespräch