Politik

"Mir wird Sündenbockrolle zugeschrieben"

Heute Redaktion
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Die Grüne Nationalratsabgeordnete Gabriela Moser zieht sich vom Vorsitz des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zurück, um das vorzeitige Ende des von ihr wesentlich geprägten Untersuchungsausschusses zu den Korruptionsaffären zu verhindern.

Moser war in den letzten Tagen ins Visier der anderen Parteien gekommen und aufgefordert worden, den Vorsitz im Ausschuss abzugeben. Das "Genick gebrochen hatte ihr wahrscheinlich einen den Grünen unliebsamen Antrag der anderen Fraktionen, der einen Aktenlieferungsstopp zur Folge gehabt hätte, nicht zuzulassen - und das gegen die Rechtsmeinung der Parlamentsjuristen.

"Keinen Fehler gemacht"

Am Rande der Grünen Klubklausur im niederösterreichischen Berghotel Tulbinerkogel erklärte Moser am Dienstag Vormittag ihre Beweggründe: Weil sie mehrere Anträge der Regierungsparteien, die den Aktenfluss blockiert hätten, abgelehnt hatte, sei es im U-Ausschuss zu Blockaden gekommen. Sie habe keinen Fehler gemacht. Und: Sie trete nicht zurück, sondern mache lediglich den Weg für ein weiteres Arbeiten frei. Moser: ""Mir wird die Sündenbockrolle zugeschieben". Aber: Sie bleibe im Ausschuss als einfaches Mitglied.

Der U-Ausschuss steht seit Ende August still, offiziell wegen eines Streits rund um einen Antrag von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ auf eingeschränkte Aktenlieferung. Moser sah sich im Zuge dessen schließlich mit Rücktrittsaufforderungen der anderen vier Fraktionen konfrontiert.

Respekt vor Moser

Zufrieden mit dem Rückzug der Grünen U-Ausschuss-Vorsitzenden Gabriela Moser zeigen sich FPÖ und BZÖ. Man zolle Moser Respekt, dass sie mit ihrem Rücktritt die Blockade im Ausschuss löse, so FPÖ-Fraktionsführer Walter Rosenkranz. BZÖ-Mandatar Stefan Petzner sprach von einem "klugen Schritt im Sinne des Ausschusses" - jetzt hätten die Regierungsparteien "keine Ausrede mehr". Bezüglich Mosers Nachfolge bringt Petzner ÖVP-Abgeordnete Gabriele Tamandl ins Spiel.

SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl zolle Moser ebenfalls Respekt, am Mittwoch müsse man schauen, wie man weiterkomme. Die "Chance", weiterzuarbeiten, sei da. Bezüglich Mosers Nachfolge wollte sich Pendl noch nicht festlegen.

Fälschungsvorwurf: Grüne zeigen Cap und Kopf an

Zuvor hatten die Grünen die Anlass war der Vorwurf, Ausschussvorsitzende Gabriela Moser habe ein Ausschussprotokoll nachträglich verfälscht.

Der Korruptions-U-Ausschuss war in den letzten Wochen ins Stocken geraten. Vorsitzender Lesen Sie weiter: "Heute"-Interview mit Gabriela Moser"Heute": Was ist jetzt das vorherrschende Gefühl? Erleichterung?

Gabriela Moser: Ja natürlich ist da Erleichterung. Ich mache den Weg frei, damit im Untersuchungsausschuss die Arbeit weitergehen kann.

"Heute": Wann ist Ihre Entscheidung darüber gefallen?

Moser: Ich habe Montagabend viel telefoniert, mit dem Verfahrensanwalt, mit Eva Glawischnig. In der Früh habe ich noch Amon von der ÖVP angerufen, ob es doch noch einen anderen Weg gibt: Er hob nicht ab, kein Rückruf. Da war klar, es bleibt nur dieser Schritt.

"Heute": Parteichefin Glawischnig sagt, die ständigen Angriffe der anderen Parteien hätten Ihnen schon zugesetzt …

Moser: Also bei manchen Anschuldigungen verschlägt es einem momentan schon den Atem. Das waren unlautere Mittel, da wurde mit der Dreckschleuder gearbeitet.

"Heute": Haben Sie das Gefühl, Sie mussten sich opfern?

Moser: Ja, ich fühle mich wie die einzige Katholikin in dieser ganzen Scheinheiligkeit, wie eine biblische Figur, die fünf Wangen hat, und vier davon sind schon rot.

Lesen Sie weiter: Die Chronologie des Konflikts


11. Juli: SPÖ, ÖVP und BZÖ beschließen einen Antrag, wonach weitere Aktenlieferungen für die bereits behandelten Untersuchungsgegenstände bis Ende Dezember gestoppt werden. Konkret geht es um die Themen Telekom (ausgenommen Ostgeschäfte), Buwog, Behördenfunk und Glücksspiel. Die Fraktionen sind sich allerdings nicht einig, ob der Aktenbeschluss einstimmig erfolgen muss. Die Grünen argumentieren damit, dass eine Einstellung der Aktenlieferung nur einstimmig beschlossen werden könne, weil der ursprüngliche Antrag auf Aktenlieferung auch mit den Stimmen aller fünf Parteien beschlossen wurde. Moser verkündet kein Abstimmungsergebnis sondern erklärt, dass das rechtlich geprüft werden müsse.
12./13. Juli: Der Grüne Peter Pilz erhebt Einspruch gegen das amtliche Protokoll und verlangt eine Änderung dahingehend, dass der Antrag abgelehnt sei. Moser lässt das amtliche Protokoll dementsprechend ändern. Wie mehrere Ausschussmitglieder übereinstimmend berichten, steht in dem nicht öffentlichen Protokoll nun, dass der Antrag die erforderliche Mehrheit nicht erhalten hätte. Mit diesem Konflikt verabschiedete sich der Ausschuss Mitte Juli in die Sommerpause. Im Herbst sollte es mit dem nächsten Thema - Inseratenaffäre - weitergehen.
21. August: Die Parlamentsdirektion legt ein Gutachten zum Aktenstreit vor, das von den Fraktionen allerdings unterschiedlich bewertet wird. Ausschussvorsitzende Moser sieht sich im Recht.
31. August: SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ bringen einen Antrag zum Zeitplan ein, der Sitzungstermine und die weitere Reihenfolge der Beweisthemen sowie die Reihenfolge der Zeugenladungen und Aktenlieferungen zu den einzelnen Beweisthemen enthält. Die Vorsitzende lässt den Antrag nicht zu. Auch der Antrag vom 11. Juli wird nochmals eingebracht und von Moser nicht zugelassen. Damit platzt auch die geplante Erstellung einer Zeugenliste. Die Grünen sehen in der Aufregung der anderen Fraktionen nur einen Vorwand, um den Ausschuss vorzeitig zu beenden.
3. September: Moser kündigt an, nach dem Eklat das Gespräch mit den anderen Fraktionen zu suchen. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S) bietet sich als Vermittlerin an.
4. September: Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen im U-Ausschuss, was Aktenlieferungen betrifft, führen dazu, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte vorerst keine weiteren Akten nachliefern. Das Justizministerium fordert von Prammer eine baldige Klärung der Lage. Kopf wirft Moser vor, ihr Amt zu missbrauchen.
5. September: ÖVP und SPÖ stellen den Grünen die Rute ins Fenster. Es wird eine Beendigung des Ausschusses per Fristsetzungsantrag in den Raum gestellt. Die Grünen legen ein beim Verfassungsrechtler Heinz Mayer beauftragtes Gutachten vor, das ihnen recht gibt.
 6. September: Nach einem Gespräch zwischen Prammer, den Fraktionsführern und Moser erklärt die Vorsitzende, den umstrittenen Antrag im Ausschuss zur Abstimmung bringen zu wollen. Gleichzeitig lässt sich aber den wartenden Journalisten eine schriftliche Erklärung zukommen. Darin erklärt sie, dass sie zwar weiter Gründe für eine Unzulässigkeit eines solchen Antrags sehe, nach dem Gespräch mit Prammer und um den erfolgreichen U-Ausschuss nicht scheitern zu lassen, werde sie aber die Abstimmung zulassen. Diese Erklärung führt zur Eskalation der Debatte. Es kommt zu ersten Rücktrittsaufforderungen an Moser. Geplante Sitzungstermine werden abgesagt.
 11. September: In der Hitze des Gefechts geht das eigentliche Untersuchungsthema des Ausschusses unter. Bundeskanzler Werner Faymann (S), der Hauptdarsteller in der Inseratenaffäre ist, wird im ORF-"Sommergespräch" ausführlich dazu befragt. SPÖ-Klubobmann Josef Cap erklärt daraufhin, dass eine Ladung Faymanns in den Ausschuss sinnlos sei, da im TV-Gespräch bereits alles Wesentliche gesagt worden sei. "Das war schon fast wie ein Untersuchungsausschuss", so Cap. Im Ausschuss lehnt die Fraktion der Sozialdemokraten die Ladung ihres Vorsitzenden ab. Die ÖVP marschiert aus Rücksicht auf das Koalitionsabkommen, das ein Überstimmen der Regierungsparteien im Parlament untersagt, mit der SPÖ mit. Nach der ÖVP erklärt nun auch Cap die Vorsitzende Moser für rücktrittsreif.
 13. September: In einer Sitzung der Fraktionsführer verkündet Moser, dass sie bereit wäre, ihre Erklärung zurück zu ziehen, wenn diese durch eine gemeinsame Fünf-Parteien-Erklärung ersetzt wird. Alle anderen Parteien schießen sich aber weiter auf die Vorsitzende ein. Moser kritisiert, dass es in der Sitzung nur um ihren Rücktritt gegangen sei.
 14. September: Auch in der Sitzung der Präsidiale kann keine Einigung erzielt werden. SPÖ und ÖVP wollen mit Moser als Vorsitzender nicht mehr weitermachen.
 15. September: Die Grünen zeigen Cap und Kopf wegen Verleumdung an. Diese hatten Moser eine Verfälschung des Protokolls vorgeworfen.
17. September: Die Grünen bekräftigen bei ihrer Klubklausur, weiter an Moser als Vorsitzende festzuhalten.