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"Sie kommt nicht von der Prostitution los!"

Trotz der Motivationsversuche von Luc schafft es seine gute Freundin nicht, die Sexarbeit aufzugeben. Wie kann er ihr helfen?

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Luc (30) an Doktor Sex: Vor einiger Zeit habe ich (30) eine 28-jährige Frau kennengelernt, die während etwa zwei Jahren in einem Zürcher Bordell als Prostituierte gearbeitet hat. Daneben begann sie zu studieren und mittlerweile hat sie die ersten Prüfungen erfolgreich bestanden.

Ich habe sie dazu motiviert, ihren Job aufzugeben und auch damit argumentiert, dass sie sich sonst die Zukunft verbaut. Ich habe ihr auch geraten, die Zeit, die sie im Bordell verbringt, besser für Praktika und einen Studentenjob zu nutzen. Sie hat dann auch mit der Prostitution aufgehört.

Nun habe ich sie wieder getroffen und mit ihr über ihre Erfahrungen gesprochen. Sie sagte mir, dass sie den Exhibitionismus und das Gebraucht-Werden vermisst. Sie meinte auch, sie hätte einen wunderbaren Körper und den möchte sie gebrauchen.

Ich weiß, dass viele Ex-Prostituierte des Geldes wegen wieder in der Prostitution landen, aber die Situation erinnert mich irgendwie an den Film "Belle du jour" und macht mir Angst. Wie kann ich dieser Frau, die mittlerweile eine gute Freundin geworden ist, helfen?

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Antwort von Doktor Sex

Lieber Luc

Sexuelle Dienstleistungen gegen Geld anzubieten, ist für manche Frauen ein Beruf. Dass dies in den Augen der meisten Menschen als außergewöhnlich erscheint, ist zum einen auf die gesellschaftliche Doppelmoral im Umgang mit Sex zurückzuführen und zum anderen auf einen Mangel an Faktenwissen zum Thema Sexarbeit.

In weiten Teilen der Bevölkerung herrscht die Meinung vor, dass Prostituierte zu dieser Tätigkeit gezwungen werden und Opfer von Menschenhandel sind. Auf einen Teil trifft dies tatsächlich zu. Die Empörung darüber darf aber nicht dazu führen, die große Mehrheit der Frauen zu vergessen, die freiwillig als Sexworkerinnen arbeiten.

Auch du hast offenbar Mühe mit der Tätigkeit, der deine gute Freundin bis vor kurzem noch nachgegangen ist. Es scheint mir daher wichtig, dass du dir erst einmal klarmachst, was genau die Motivation ist, die dazu führt, dass du dich derart um sie kümmerst und in ihr Leben einmischst.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass es dir mehr um dich und deine Vorstellungen vom "richtigen" beziehungsweise "falschen" Leben geht als um sie und ihr Wohlergehen. Oder bist du vielleicht sogar in diese Frau verliebt und wünschst dir deshalb, dass sie aufhört, im Bordell zu arbeiten?

Wie auch immer: Am meisten unterstützen kannst du deine gute Freundin, wenn du ihr gegenüber genauso ehrlich bist wie sie zu dir. Dann kannst du nämlich die Rolle des Moralapostels ablegen und im offenen Dialog mit ihr auch deine Ängste offenlegen und dich damit auseinandersetzen.

Es ist nicht deine Aufgabe, diese Frau zu retten oder sie vor Fehlern zu bewahren. Wenn sie das Bedürfnis hat, sich zu zeigen und von den Freiern gebraucht zu werden, darf sie das tun – auch wenn sich hinter dem Verhalten möglicherweise eine Neurose verbirgt. Die Motivation, ihren Impulsen auf den Grund zu gehen, muss von ihr kommen. Sie zu etwas überreden zu wollen, das nicht an ihre aktuelle Überzeugung anschlussfähig ist, wäre kontraproduktiv.

Ihre Frage an Doktor Sex: [email protected]

(wer)