Welt

1,47 Millionen Morde – in nur drei Monaten

Die Operation Reinhard war die schlimmste Vernichtungsaktion des Holocaust. Neu ausgewertete Dokumente zeigen, wie bestialisch die Nazis waren.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Rund sechs Millionen Juden haben die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges ermordet. Rund ein Viertel davon kam während eines intensiven 100-Tage-Schubs – der sogenannten Operation Reinhard – ums Leben. Das berichtet Lewi Stone von den Universitäten Tel Aviv und RMNIT in Melbourne im Fachjournal "Science Advances".

Die meisten Opfer habe es in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka gegeben, die von Adolf Hitlers Schergen eigens für diesen Zweck errichtet worden waren.

Alternative Quellen

Allerdings war bislang unklar, wie genau die berüchtigte Operation abgelaufen ist – weil es kaum Überlebende gab und weil aufgrund der strikten Geheimhaltung der Nazis detaillierte Aufzeichnungen fehlten oder bei Kriegsende zerstört wurden.

Um trotz dieser dünnen Datenlage das wahre Ausmaß der Operation enthüllen zu können, nutzte der Professor für mathematische Biologie alternative Quellen. Dazu zählten neben spärlichen Augenzeugenberichten auch Daten aus den Archiven der Deutschen Reichsbahn.

Letztere sei "eine entscheidende Komponente des Vernichtungsfeldzuges der Nazis" gewesen, so Stone. Schließlich sei ein Großteil der im Rahmen der Operation getöteten Juden mithilfe von Reichsbahnzügen in die Lager gebracht, wovon die heute noch existierenden Fahrpläne zeugten.

Phase des "hyperintensiven Tötens"

Die Auswertung deckte Abscheuliches auf: "Obwohl die Operation Reinhard insgesamt 21 Monate dauerte, machen die Daten deutlich, dass der größte Teil der Morde innerhalb von nur drei Monaten stattfand – im August, September und Oktober 1942", führt Stone aus. Innerhalb dieser knapp 100 Tage seien rund 1,1 Millionen Menschen in den drei Lagern ermordet worden. Zudem seien rund 302.000 Menschen in der Ukraine und in Südrussland erschossen und weitere 91.400 Juden in Auschwitz getötet worden.

Während der 100 Tage des "hyperintensiven Tötens" sind laut den Daten pro Monat also rund 445.700 Menschen ermordet worden, was pro Tag im Schnitt etwa 13.500 Opfer bedeutet. Damit war die Tötungsrate laut Stone ungefähr zehnmal höher als bisher angenommen.

Nach diesem Zeitraum – im Dezember – ging die Tötungsrate dann markant zurück. Der schreckliche Grund: Den Nationalsozialisten waren die Opfer ausgegangen. (fee)