Ukraine

61-jähriger Ukrainer flüchtet 225 Kilometer zu Fuß

Als russische Soldaten anfingen, wahllos Menschen in ihren Häusern aufzusuchen, um sie zu erschießen, flüchtete Igor Pedin mit seinem Hund – zu Fuß.

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Der 61-Jährige flüchtete zu Fuß durch den Krieg, sein Hund an seiner Seite.
Der 61-Jährige flüchtete zu Fuß durch den Krieg, sein Hund an seiner Seite.
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Das Ziel von Igor Pedin war es, wie er vom "Guardian" zitiert wird, "wie ein Gespenst mit seinem kleinen Trolley mit Vorräten und seinem Hund Zhu-Zhu aus Mariupol nach Saporischschja zu flüchten". Doch Saporischschja, die nächste – relativ gesehen – sichere Stadt, liegt insgesamt 225 Kilometer weit entfernt. 

"Der unsichtbare Mann" auf der Flucht

"Als unsichtbarer Mann" habe sich Pedin durch Mariupol "treiben" lassen, erzählt er im Nachhinein dem Journalisten des "Guardian". Doch so eine Flucht bedeutet, den entgegenkommenden russischen Truppen auszuweichen, nicht auf Minen zu treten und auf zerbombten Straßen immer weiterzulaufen, bis nach Saporischschja.

Obwohl er seit 15 Jahren nicht mehr getrunken hätte, machte er eine Ausnahme, weil der Mann im Krieg seinen Sohn verloren hatte.

Mit seinem 9-jährigen Hund Zhu-Zhu und 50 kg Gepäck

Er habe das Haus verlassen und nahm nur das mit, was er aus eigener Kraft stemmen konnte: Rund 50 Kilogramm Gepäck und seinen Hund, einen neunjährigen Terriermischling mit dem Namen Zhu-Zhu. Mitte April erreichte er die Stadtgrenze von Mariupol. Mit einem gesenkten Blick vorbei an den russischen Soldaten, die ihn "wohl für einen Vagabunden gehalten hätten", schildert er.

Sie hätten ihn nämlich nicht beachtet, wie er dem "Guardian" weiter schildert. In Nikolske, wo er am selben Abend müde ankam, wurde er von einem Mann zu einem Glas Wodka eingeladen. Obwohl er seit 15 Jahren nicht mehr getrunken hätte, machte er eine Ausnahme, weil der Mann im Krieg seinen Sohn verloren hatte.

Er flüchtet mit seinem Hund, durch den Krieg, vorbei an Leichen und Grauen

Als er sich am nächsten Morgen aufmachte, um seine Reise fortzuführen, wurde er nach einigen Kilometern an einem tschetschenischen Checkpoint gestoppt. Von den Soldaten wurde er nach Nikolske zurückgebracht, wo er von den Soldaten befragt wurde. Pedin erklärte den Soldaten, er würde in Saporischschja wegen eines Magengeschwürs behandelt werden – die Soldaten kauften ihm die Geschichte ab, durchsuchten ihn und ließen ihn schließlich, nach einigen Drohungen weiterziehen.

Die Soldaten warnten den alten Mann: Die Gefahr ist groß erschossen zu werden.

Und er ist wieder am Weg

Die Soldaten zwangen eine Familie, ihn mit einem Auto in die nächste Stadt mitzunehmen. Von dort ging er wieder zu Fuß: Wegen Dokumenten, die er von den Tschetschenen erhalten hatte, ließen ihn die Soldaten an den nächsten Checkpoints problemlos passieren. Als er seine Reise auch in der Nacht fortführen wollte, wurde er von Soldaten angehalten. Sie brachten ihn in eine Unterkunft – es sei zu gefährlich in der Nacht weiterzulaufen – wegen der Gefahr erschossen zu werden, sollen sie ihm gesagt haben.

Soldaten stoppen erneut seine Flucht

Als er kurz vor Saporischschja an einen weiteren Checkpoint gelang, ließen ihn die Soldaten nicht passieren. Sie waren zwar erstaunt über seiner Geschichte und den zurückgelegten Weg, informierten ihn aber, dass die Straße gesperrt sei und er auf einen anderen ausweichen müsse. Dank Zigaretten, die er an den Checkpoints zuvor erhalten hatte, konnte er sich von da aus durchfragen, wie er am besten aus dem Kriegsgebiet kommt.

"Alle Menschen schauten mich ungläubig an. Es war mein Moment des Ruhms."

Der große Moment des Ruhms des Igor Pedin

Nachdem Pedin einen Hügel und einen Damm überquert hatte – und auch noch seinen Hund tragen musste, da dieser zu schwach war, um selbst zu laufen, traf er zwei Stunden vor seinem Ziel auf weitere Ukrainer. Diese fuhren ihn in einem Wagen nach Saporischschja. Mit viel Glück und der Hilfe von Soldaten sowie anderen Geflüchteten gelang Igor Pedin die Flucht aus Mariupol.

Als er in Saporischschja das Zelt für die Ankunft der Geflüchteten aus Mariupol betrat und erzählte, dass er aus Mariupol bis dahin gelaufen sei, sollen ihn alle Leute angeschaut haben. "Es war mein Moment des Ruhms", soll Pedin dem Journalisten des "Guardian" gesagt haben.

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