Wien

Acht Pfoten als "Brückenbauer" in der Psychotherapie

Gemeinsam mit Halterin Karo sind Akiro (6) und Anouk (4) als tierische Therapeuten unterwegs. Sie helfen Kindern und Jugendliche gesund zu werden.

Louis Kraft
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    Die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen ist in der Coronakrise deutlich gestiegen. Auch Therapiebegleithundeführerin Karoline Kaltenbacher (38) und ihre Labradore Akiro (l., 6) und Anouk (4) merken das. "Vor allem Sozialphobien sind gestiegen", so Karo.
    Die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen ist in der Coronakrise deutlich gestiegen. Auch Therapiebegleithundeführerin Karoline Kaltenbacher (38) und ihre Labradore Akiro (l., 6) und Anouk (4) merken das. "Vor allem Sozialphobien sind gestiegen", so Karo.
    Denise Auer

    Immer öfter warnen Experten vor der zunehmenden psychischen Belastung von Kindern und Jugendlichen durch die Coronakrise. Neben steigenden Depressionen und Essstörungen kämpfen viele junge Menschen nach der langen Isolationszeit mit Lockdowns und Home Schooling auch mit dem Wiedereinstieg ins "reale" Leben. 

    Hilfe bekommen sie dabei von acht Pfoten und zwei Beinen: Die Sonne scheint vom Himmel, als wir uns in der Klinik Hietzing mit Karoline Kaltenbacher (38) und ihren Therapiehunden, beides Labradore, Anouk (4) und Akiro (6) treffen. Die drei sind zusammen geschweißten Team und im Einsatz für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Wie das geht, erzählt uns Karo, während wir voller Genuss die Ohren von Akiro und Anouk kraulen. "Akiro ist eher der gemütliche, Anouk hat mehr Pfeffer", erzählt Karo. Gemein ist ihnen, dass sie sehr freundliche und menschenbezogene Hunde sind. 

    Akiro verhinderte den Selbstmord einer Jugendlichen

    Karo ist eigentlich Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin, lange hat sie ein Krisenzentrum geleitet. Seit November 2019 ist sie auch als Therapiebegleithundeführerin unterwegs. Mit ihrer tier- und naturgestützten Sozialarbeit unterstützt sie Kinder und Jugendliche, die Probleme haben. Ein dramatisches Erlebnis hat Karo' Entscheidung im Bereich der Tiertherapie tätig zu werden, besonders gefestigt. 

    "Ich habe damals noch im Krisenzentrum gearbeitet, Akiro war damals erst ein Dreiviertel Jahr alt. Normalerweise ist er hinter mir im Körbchen gelegen, doch an dem Tag ist er plötzlich immer wieder aufgestanden und über den Gang in Richtung Kinderzimmer gelaufen. Ich bin ihm dann nachgegangen, um nachzusehen. Ich habe mir da schon gedacht, dass irgendetwas los ist", erinnert sich Karo. Als sie dann die Tür zum Kinderzimmer öffnete, sah sie die jugendliche Bewohnerin, die sich bereits den Strick um den Hals gelegt hatte. 

    Hunde als "Brückenbauer" zwischen jugendlichen Patienten und Therapie

    "Meine Hunde sind Brückenbauer", erklärt sie gegenüber "Heute". Karo und ihre Therapeuten auf acht Pfoten werden von psycho-sozialen Einrichtungen angefordert, wenn es darum geht, psychotherapeutische und psychiatrische Therapien zu unterstützen. "Wir kommen meist direkt nach dem Erstgespräch mit dem Facharzt zum Einsatz. Viele Kinder und Jugendliche, die fremduntergebracht werden – wie etwa in der Klinik Hietzing – sind oft verängstigt und weinen viel. Plötzlich sind sie hier mit einer psychiatrischen Abteilung, Fachärzten und Therapien konfrontiert. Durch den Kontakt mit den Hunden vergessen sie den Stress und die Angst aber schnell und haben sehr rasch das erste positive Erlebnis", erzählt die gebürtige Niederösterreicherin.

    "Kinder haben Probleme von der virtuellen Welt in die richtige Welt zurückzukehren"

    Die Belastungen der Coronakrise bekommt auch das Trio zu spüren: "Es sind derzeit vermehrt Sozialphobien, mit denen wir zu tun haben. Kinder und Jugendliche, die sich im Lockdown in die Welt der Computerspiele geflüchtet haben und deren gesamter Tagesablauf quasi virtuell abgelaufen ist, haben nun oft Probleme in die Welt zurück zu kehren", erzählt Karo. 

    Durch die spielerische Interaktion mit den Hunden lernen sie unter kontrollierten Bedingungen wieder mit der Welt "da draußen" in Kontakt zu treten. "Meine Hunde sind sehr kinderlieb und interagieren gerne mit ihnen, sie sind aber auch auf die Einhaltung von Befehlen trainiert", erzählt die Therapiebegleithundeführerin. Das ermöglicht es auch Kindern, die Angst vor Hunden haben, langsam und sicher auf sie zuzugehen. Durch das tierische Spiel mit Nähe und Distanz lernen die Kinder dasselbe auch für die Welt der Menschen. Und Akiro und Anouk geben sich auch sichtlich Mühe, den kleinen Patienten die Angst zu nehmen. Spätestens wenn Akiro die "Corona-Pfote" (eine Pfote wird dabei um das ausgestreckte Bein der Patienten gelegt) gibt, schmelzen die Herzen.

    Wie Leckerlis im Spielteppich bei Mathe helfen können

    Auch bei Konzentrations- oder Leseschwächen können Karo und ihre Hunde helfen. So wird in den Einheiten etwa das Verstecken von Hundeleckerlis in "Schnüffelteppichen" mit Mathe- oder Leseübungen verbunden. Bei Patienten, die Aggression zeigen, hilft schon oft das Spaziergehen oder laufen mit den Hunden. Diese Aufgabe übernimmt Anouk, die gerne rennt. Akiro ist hingegen ein Profi, wenn es darum geht, Emotionen zu spiegeln. Ist ein Kind aggressiv, geht er langsam näher und beruhigt so den kleinen Patienten. 

    Oft sind schon vermeintlich kleine Aufgaben, wie etwa die Leine von Akiro oder Anouk zu halten, ein großer Sprung für die Kinder und Jugendlichen. "Wenn sie den Hund führen dürfen, hat das positive Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein", weiß Karo. 

    "Dog Support" auch privat buchbar

    Als selbstständige tier- und naturunterstützte Sozialarbeiterin bietet Karo Einzelstunden oder Gruppentherapie-Einheiten an. Manchmal wird sie auch als "Dog Support" in anderen Therapien angefordert. Daneben arbeitet Karo auch "aufsuchend". Das heißt, sie fährt – immer nach Rücksprache mit dem Behandlungsteam – auch zu den kleinen Patienten nach Hause. "Denn nicht jeder Jugendliche kommt tatsächlich in die Klinik", weiß die Hundehalterin. 

    Karo bietet auch die Möglichkeit, sie und ihre Hunde privat zu buchen. Alle Informationen dazu findest Du hier. Eines ist sicher: Dabei profitieren alle, die dabei sind. Denn alleine Akiro beim Männchen machen zu sehen, ist es wert, gesehen zu werden.