Gesundheit

AKH-Kinderpsychiatrie wegen TikTok & YouTube überfüllt

Pandemie und Lockdowns machen immer mehr Kindern und Jugendlichen schwer zu schaffen. Vor allem Essstörungen werden zu einem immer größeren Problem. 

Christine Scharfetter
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Kinder- und Jugendpsychiatrien vermerken derzeit ein neues Lockdown-Phänomen: Akute Essstörungen - ausgelöst durch Social-Media-Influencer.
Kinder- und Jugendpsychiatrien vermerken derzeit ein neues Lockdown-Phänomen: Akute Essstörungen - ausgelöst durch Social-Media-Influencer.
Getty Images/iStockphoto

Social Distancing, Homeschooling und eine ungewisse Zukunft: Die derzeitig Situation macht vielen Menschen zu schaffen, doch vor allem Kinder und Jugendliche haben damit zu kämpfen. Die stationäre Aufnahme der Kinder- und Jugendpsychatrie des Wiener AKHs platzt deshalb aus allen Nähten. "Wir sind derzeit überbelegt und die Warteliste ist lang", bestätigt Klinikleiter Dr. Paul Plener gegenüber "Heute".

Dabei stellt nicht nur die Ungewissheit ein Problem dar, sondern vor allem die Social-Media-Plattform TikTok und diverse Influencer auf YouTube. Denn neben den beiden großen Pandemie-Symptomgruppen "Angst" und "Depression" hat laut dem Kinder- und Jugendpsychiater vor allem ein ganz spezielles Phänomen weltweit in den Kinder- und Jugendpsychiatrien zugenommen: Essstörungen!

Influencer als Treiber gegen Lockdown-Kilos

"Begonnen hat dieses Problem bereits im ersten Lockdown", so Plener. In Gesprächen hätte sich herausgestellt, dass hier vor allem TikTok, YouTube und dessen Influencer als Motivation dienten oder die Angst vor einer Gewichtszunahme sogar erst auslösten. Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen und der Kampf gegen die Lockdown-Kilos habe sich bei vielen zu einer gravierenden Essstörung entwickelt, "bei der sofort Handlungsbedarf besteht und eine stationäre Aufnahme dringend notwendig ist", erklärt der Arzt. Am stärksten betroffen sei die Altersgruppe zwischen 15 und 25 Jahren.

Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Paul Plener
Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Paul Plener
Med. Universität Wien

Schwere Fälle nehmen zu

Aufgrund der Überbelegung müsse man bei der stationären Aufnahme mittlerweile differenzieren, wie schwer der Fall sei, ob eine Eigengefährdung oder die Gefährdung anderer Personen bestehe. Jedoch würde man auch hier bereits an die Grenzen stoßen, da auch der Schweregrad der Krankheiten derzeit immer mehr zunehme, sagt Plener.

Dass es in Österreich an zusätzlichen therapeutischen Einrichtungen fehlt, zeigt auch die aktuelle Studie der beiden Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Fliedl und Andreas Karwautz. Demnach leidet fast jeder vierte Jugendliche in Österreich an einer psychischen Störung. Gemäß der Daten der Statistik Austria von 2014 betrifft das 170.800 Jugendliche, von denen 106.800 akut behandlungsbedürftig sind.

Insgesamt gibt es derzeit 22 ambulante Einrichtungen in Österreich. Vor allem in den flächenmäßig größeren Versorgungsregionen wie in Oberösterreich und der Steiermark wären laut der Experten weitere Standorte dringend notwendig.

Stellungnahme von TikTok

"TikTok ist eine inklusive Plattform, auf der sich unsere Nutzer und Nutzerinnen kreativ und authentisch ausdrücken. Wir appellieren an alle, die Plattform zu nutzen, um positive Inhalte zu teilen", so eine Unternehmenssprecherin von TikTok. "Die Stigmatisierung von Körpergewicht und "Body Shaming" sind Herausforderungen unserer globalen Gesellschaft und Kultur. Wir verfolgen eine klare Strategie, um ein gesundes Körperbild zu unterstützen – etwa mit Hilfe der  Einstellungsmöglichkeiten für unsere Nutzer und unseren  Anzeigen-Richtlinien. Diese verbieten die Werbung für Fasten-Apps sowie Abnehmpräparate, die eine negative Auswirkung auf die seelische und körperliche Gesundheit unserer Nutzer haben könnten. Werbung für zulässige Produkte zur Gewichtsabnahme oder Nahrungsergänzung dürfen nur Nutzer und Nutzerinnen ab 18 Jahren angezeigt werden."

Die Sicherheit der User hätte für TikTok  oberste Priorität:" Zuletzt haben wir die Privatsphäre und Sicherheit von Jugendlichen auf unserer Plattform verbessert, indem registrierte Konten von TikTok-Nutzer und Nutzerinnen zwischen 13 und 15 Jahren per Voreinstellung auf „privat” gesetzt und nicht mehr alle deren Videos kommentieren oder herunterladen können. Bereits früher haben wir ein Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung von Direktnachrichten etabliert."

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    Künstler Artur Bodenstein gestaltete für die neue Klinik Bilder.
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    Helmut Graf