Österreich

Auch Land NÖ lehnt die Breitspurbahn ab

„Es wird keine Unterstützung der Breitspurbahn aus Niederösterreich geben", stellte Landesrat Ludwig Schleritzko klar.

Heute Redaktion
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LAbg. Bgm. Gerhard Schödinger und Landesrat Ludwig Schleritzko (r.) im Rahmen der Pressekonferenz.
LAbg. Bgm. Gerhard Schödinger und Landesrat Ludwig Schleritzko (r.) im Rahmen der Pressekonferenz.
Bild: NLK/Burchhart

Niederösterreichs Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (VP) lud am Mittwoch die Bürgermeister des Bezirks Bruck an der Leitha zur Konferenz, um sich bezüglich des angedachten Ausbaus der Breitspurbahn aus der Slowakei nach Österreich abzustimmen.

„Es wird keine Unterstützung der Breitspurbahn aus Niederösterreich geben. Als Land Niederösterreich werden wir kein Projekt unterstützen, das den gesamteuropäischen Interessen entgegensteht. Für uns ist darüber hinaus klar: Die Region darf nicht überfordert werden", so Landesrat Ludwig Schleritzko im Anschluss an die Bürgermeisterkonferenz gemeinsam mit Landtagsabgeordnetem und Bürgermeister Gerhard Schödinger. Gemeinsam werde man die Möglichkeit zur Stellungnahme nutzen und die Kritik gegenüber dem zuständigen Verkehrsministerium auch darlegen.

Projekt stehe europäische Zielen entgegen

Für den Landesrat sei klar, dass dieses Projekt nicht nur regionale, sondern auch strategische Fragen in europäischen Politikbereichen betrifft. Aus diesem Grund hat man das Gespräch mit den Verantwortlichen in Brüssel gesucht. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Europäische Union stehe diesem Ausbau negativ gegenüber. "Eines der Kernziele der EU-Schienenpolitik ist die Interoperabilität der Infrastruktur. Schienenfahrzeuge sollen möglichst durchgängig und mit gewisser Sicherheit zwischen verschiedenen Schienennetzen verkehren können, insbesondere zwischen den Eisenbahnnetzen verschiedener Staaten. Der Bau einer Breitspur-Trasse steht laut Aussagen der Generaldirektion Mobilität der EU-Kommission diesem Ziel diametral entgegen", heißt es in einer Aussendung des Landesrates.

„Die europäischen Interessen sind für uns ein zentrales Argument, das wir in der negativen Stellungnahme zum Projekt anführen werden. Schon im Vorfeld der Europa-Wahl im Mai dieses Jahres habe ich betont: Es braucht Maßnahmen die ermöglichen, dass Reisen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Handel zwischen EU-Staaten in Zukunft noch besser funktioniert. Was wir brauchen ist eine bessere Abstimmung zwischen den EU-Staaten, nicht eine weitere Zersplitterung der Systeme", so Schleritzko.

Projekt würde Region überfordern

Ein bedeutendes Argument gegen den Ausbau seien aber auch die Auswirkungen des Projekts auf die Region. Denn zusätzlich zum Schienenstrang sei angedacht, ein großes Logistik-Zentrum zu errichten – ohne dieses, hätte die Verlängerung der Breitspurbahn keinen Sinn. Aus dem Umweltbericht sind dazu fünf Standortvarianten herauslesbar: Im westlichen Bezirksteil bei Gramatneusiedl oder bei Schwechat-Kledering, nördlich von Trautmannsdorf, entlang der A6 zwischen Bruck und der Staatsgrenze oder bei Parndorf im Burgenland.

„Schon jetzt ist der Bezirk Bruck an der Leitha eine der am höchsten vom Verkehr belasteten Regionen Niederösterreichs. Das Land Niederösterreich hat deshalb von Anfang an klargestellt: Der mögliche Breitspurbau darf die Region nicht überfordern! Etwaige Pläne für einen Bau müssen die notwendigen Ausbauten im Straßen- & Schienennetz voranstellen, um die zusätzlichen Gütermengen auch zu bewältigen", so Schleritzko.

Die neue Verbindung würde zumindest 266.000 zusätzliche LKW-Fahrten pro Jahr in die Region bringen. Darüber hinaus sind durch die zusätzlichen 56 Güterzüge pro Tag Einschränkungen für den Personenverkehr zu befürchten.

„Wir werden die erwähnten Probleme kritisch hervorheben. Denn das Land Niederösterreich steht hier an der Seite der Bevölkerung, die diese Belastungen tagtäglich zu spüren bekommen würde", so der Landesrat.

„Arbeiten im Interesse der Bevölkerung"

„Wir bedanken uns beim Land Niederösterreich für diese klare Stellungnahme. Hier wird gemeinsam im Interesse der Bevölkerung gearbeitet. Die Zahlen und Fakten sprechen eindeutig gegen dieses Projekt. Es ist weder im Sinne der Region noch im Sinne der Europäischen Union und ist deshalb nicht sinnvoll", so Gerhard Schödinger als Vertreter der Gemeinden.

Wie berichtet, hatte es zuletzt in einigen Gemeinden der Region massive Proteste gegen die mögliche Breitspurbahn gegeben, allen voran in Bruck an der Leitha und Schwechat.

Chronologie Projekt Breitspurbahn

2005 - Erstmals treten österreichische und slowakische Firmen gemeinsam als "Industrieplattform" für das Breitspurnetz-Projekt ein. Der damalige slowakische Premier Robert Fico sprach 2005 das Thema bei Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) an.

2008 - Im November unterzeichnen Österreich, Russland, die Slowakei und die Ukraine eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) zum Ausbau einer Breitspur-Eisenbahnverbindung bis nach Wien. Sie sollte innerhalb der nächsten zehn Jahre entstehen und vier Milliarden Euro kosten. Es wird eine Projektgesellschaft gegründet, an der sich die ÖBB mit 25 Prozent beteiligt.

2009 - Fico und der neue österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) bekräftigen ihr Interesse am Ausbau der Breitspurbahn bis Wien. Die Erstellung einer Machbarkeitsstudie wird beschlossen.

2010 - Im Sommer erfolgt ein Regierungswechsel in der Slowakei: Die neue Koalition aus vier Mitte-Rechts-Parteien beschließt in ihrem Programm, aus dem Projekt auszusteigen. Seither ist es in der Slowakei um das Projekt still geworden.

2011 - Die russische Bahn springt als Promotor des Projekts ein. Österreichs Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) und die ÖBB unterzeichnen eine neue Absichtserklärung für den Ausbau der Breitspur bis Wien und für einen Umschlagterminal in der Nähe Wiens. Die veranschlagten Kosten steigen auf 6,5 Milliarden Euro. Geld erhoffte man sich von der EU.

2012 - Bures erhält im September vom Ministerrat grünes Licht, "um über die Verlängerung der russischen Breitspurbahn bis nach Österreich zu verhandeln. Zunächst sollen einmal die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erhoben werden", so Bures damals.

2013 - Eine Absichtserklärung der Bahnchefs aus Russland, der Ukraine, der Slowakei und Österreich zur Verlängerung der Transsib-Breitspurbahn bis Wien wird unterzeichnet. Eine Projektstudie wird beauftragt, ein Geschäftsmodell soll erarbeitet werden. Die Studie soll bis Ende 2013 fertig sein, die Endentscheidung über das Projekt soll Mitte 2014 fallen. ÖBB-Chef Christian Kern kündigt für den Großraum Wien einen Güterterminal an.

2016 - Das chinesische Projekt der Neuen Seidenstraße rückt in den Mittelpunkt, der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) fordert den Bau der Breitspurbahn bis in den Großraum Wien - nun als Teil der Seidenstraße.

Juni 2017 - Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bespricht das Projekt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Geld erhofft man sich nun aus China. Das Projekt könne frühestens in acht oder neun Jahren starten.

August 2017 - Verkehrsminister Leichtfried (SPÖ) präsentiert eine "Machbarkeitsstudie". Sie zeigt wirtschaftliche Vorteile für Österreich auf, eine technische Machbarkeit fehlt, Anhaltspunkte zur Finanzierung ebenso. Aber 6,5 Mrd. Euro werden für eine einspurige Breitbahnstrecke mit Ausweichstellen veranschlagt, Baubeginn soll 2023, Fertigstellung 2033 sein.

Dezember 2017 - Es kommt der Regierungswechsel zu schwarz-blau, das Bekenntnis Österreichs zur Breitspur-Anbindung bleibt. Die Wiener Wirtschaftskammer bringt Parndorf als Standort für den Terminal ins Gespräch, Parndorfs Bürgermeister winkt nach Protesten der Bürger dankend ab.

2018 - Im April wird erstmals ein ÖBB-Zug im chinesischen Chengdu abgefertigt, der in 15 Tagen Wien erreicht. Ganz ohne Verlängerung der Breitspur. Inzwischen liegt die Rekordzeit der Bahn bei zehn Tagen für die Strecke zwischen dem zentralchinesischen Xi'an und Budapest. Die Gütertochter der ÖBB hat mehr als 400 Verbindungen zwischen China und Europa auf unterschiedlichsten Routen durchgeführt, im Schnitt brauchen die Züge zwölf bis 14 Tage - während eine Schiffsreise 40 Tage dauert, allerdings spürbar billiger ist.

März 2019 - Es wird erneut eine Absichtserklärung zwischen Österreich, der Slowakei und Russland zum Ausbau der Breitspurverbindung für Güterzüge unterzeichnet. Damit seien aber lediglich die Rahmenbedingungen für das Projekt bestimmt. Ein genauer Zeitplan oder Standort für den Breitspurterminal fehlt. Ein Standort in der Slowakei ist nicht ausgeschlossen, heißt es auf Nachfrage.

Juni 2019 - Die im Bezirk Neusiedl am See ins Leben gerufene "Bürgerinitiative gegen die Breitspurbahn" will vom Verkehrsministerium und der ÖBB Infrastruktur AG Informationen über Pläne zur Trassenführung. Ein Antrag auf Auskunft nach dem Umweltinformationsgesetz wird gestellt, die ÖBB kommt diesem im Juli nach und weist Kritik an mangelnder Information zurück.

Oktober 2019 - Eine überparteiliche Bürgerinitiative, die sich im Burgenland und in Niederösterreich formiert hat, kündigt an, eine Stellungnahme zum kürzlich veröffentlichten Umweltbericht des Verkehrsministeriums einzubringen.