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Deutsch mit Balkan-Mama – gar nicht so einfach

In den späten 90ern kam meine Familie vom Balkan nach Österreich. Seitdem hat sich einiges getan – nur nicht bei Mamas Sprachkenntnissen.

Heute Redaktion
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Mit ungefähr sechs Jahren kam ich mit meiner Mama in Wien an. Viel von der "neuen Welt" kannte ich nicht. Ich wusste nur, dass sie ein wenig "besser" war – das sagte meine Mutter zumindest immer wieder zu mir. Ich glaubte ihr.

Viel zu lachen hatte ich zu Beginn jedoch nicht. Vor allem deshalb, weil ich schlicht niemanden verstanden habe. Selbst wenn mir jemand etwas Lustiges erzählt hätte, hätte ich es also nicht kapiert.

Über diesen Blog

Hallo und herzlich willkommen zu "Hajde", dem Balkan-Blog auf "Heute.at"! Unser Blogger ist zwischen Sarma und Wiener Schnitzeln aufgewachsen. Wie das so ist? Er verrät´s euch in seinen Kolumnen. Übrigens: "Hajde" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Los geht´s!"

Und was ist für euch typisch Balkan? Eure Inputs sind willkommen unter [email protected]

Dass ich kurze Zeit nach meiner Ankunft in Wien eingeschult wurde, war angesichts dieser Tatsache also eher kritisch. Wie ich es genau hingekriegt habe, mich über Wasser zu halten, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, kann ich mir heute selbst nicht mehr so genau erklären. Jedenfalls hat es am Ende irgendwie funktioniert – und das sogar besser als erwartet.

Mit dem Ergebnis, dass meine Deutsch-Noten bald ziemlich gut waren. Ein wenig Mathe lernen hätte mir wohl auch nicht geschadet, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich entdeckte also meine Freude an der Sprache, mein Wortschatz wuchs. Gleichzeitig entwickelte sich – natürlich – auch die deutsche Sprache weiter. Plötzlich standen Wörter wie "Filterblase" oder "Mikroplastik" im Duden. Nur Eine dachte nicht daran, bei dieser Entwicklung mitzumachen: Meine Mama.

Sie weigerte sich nicht nur, neue Begriffe in ihren Wortschatz aufzunehmen. Irgendwie wirkte es, als ob sie ungefähr ein Jahr lang Deutsch gelernt hätte und sich dann gesagt hätte: "Super, das reicht jetzt".

Dazu muss man wissen, dass sie sich ihr Vokabular auf der Straße angeeignet hat. Eine richtige Ghetto-Mutter eben. Nur, dass sie die Wörter nicht von irgendwelchen Halbstarken aufgeschnappt hat, sondern von Ur-Wienern. Deshalb spricht sie nun gebrochenes Deutsch, mit starkem Jugo-Akzent und Wiener Dialekt. Eine Offenbarung für jeden Linguisten. Hochdeutsch? Keine Chance.

Neben Akzent und Dialekt mischen sich auch gerne einmal Jugo-Wörter in ihre Sätze. So kann es gut und gerne einmal vorkommen, dass sie fragt: "Gdje si bio ganze Tag?", wenn sie wissen möchte, wo man denn den ganzen Tag über war. Natürlich switche ich dann auch gerne in ihren Modus und antworte: "Pa bio sam sa Freunde", wenn ich ihr sagen will, dass ich mit meinen Freunden unterwegs war.

Ein paar kleine Kostproben:

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Zu Weihnachten wollte mir meine Mama erklären, dass sie mein Geschenk sei. Sie hatte mir nämlich nichts gekauft. Auch ok.

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Kurz vor Silvester fragte mich Mutter, ob ich meinen Kaninchen Beruhigungstabletten zu Silvester gebe...?! Ich bin der Frage gekonnt ausgewichen und wollte dafür wissen, ob sie mich gerade angerufen hatte.

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Es gibt einfach kein Jugo-Wort für "Semmeln". Ich frage mich eher, weshalb sie mich um 23 Uhr fragt, ob ich welche brauche?!

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Hier ein exklusiver Einblick in die Recherchen eines vergangenen Blogs: Ich fragte meine Mama, ob sie mir eine Sprachnachricht mit einer Geschichte über meinen Opa schicken könnte.

Ihre Antwort: "Fi** deine Mutter, die solltest du besser kennen als ich" Keine Sorge, die Beleidigung ist nicht wirklich ernst gemeint. Die Erklärung dazu könnt ihr hier nachlesen: Fluchen mit Balkan-Mama – ein Crashkurs



Wer von euch kennt das auch? Schreibt mir eure Geschichten auf [email protected] (red)

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