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Berlin: Megaparty zum Mauerfall

Heute Redaktion
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Gedenkreden, Bürgerfeste, Konzerte und eine neue Ausstellung zum Mauerfall: Hunderttausende Berliner und Besucher aus aller Welt feierten am Sonntag in Berlin und vielen anderen Orten die Öffnung der innerdeutschen Grenze vor 25 Jahren. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Geschehnisse vom 9. November 1989 als Vorbild für andere Freiheitsbewegungen.

"Der Mauerfall hat uns gezeigt: Träume können wahr werden", sagte die Kanzlerin bei der zentralen Feier an der Gedenkstätte Bernauer Straße in Berlin. "Diese Erfahrung wollen wir mit unseren Partnern in der Welt teilen." Merkel fügte hinzu: "Wir können die Dinge zum Guten wenden, das ist die Botschaft des Mauerfalls." Dies gelte in diesen Tagen auch für andere Regionen wie Ukraine, Syrien oder Irak.

Damit das DDR-Unrecht nicht in Vergessenheit gerate, würden Orte der Erinnerung benötigt, sagte Merkel mit Blick auf die neue Dauerausstellung in der Gedenkstätte, die auch Zeitzeugenberichte zum DDR-Grenzregime enthält.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), sagte beim Festakt im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, der Mut der DDR-Bürgerrechtler sei "Freiheitskämpfern auf der ganzen Welt bis heute ein Vorbild". Er fügte mit Blick auf die anderen osteuropäischen Länder hinzu: "Wohin man 1989 in Europa blickte - der Funke der Freiheit war entzündet." Die Wege zur Freiheit seien damals unterschiedlich gewesen, "aber sie waren immer friedlich".

Merkel und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hatten am Vormittag an der Gedenkstätte Bernauer Straße symbolisch Blumen in die Fugen der dort verbliebenen Mauersegmente gesteckt. Nach einem ökumenischen Gottesdienst in der wieder errichteten Versöhnungskapelle zündeten sie Kerzen an, mit denen der Mauertoten gedacht wurde.

Freiwillige ließen Ballons steigen

Mit einer spektakulären Ballonaktion haben die Feiern zum 25. Jahrestag des Mauerfalls am Sonntagabend ihren Höhepunkt erreicht. Am Brandenburger Tor begannen Freiwillige damit, die an der früheren Grenze aufgestellten leuchtenden Ballons in die Luft steigen zu lassen. Insgesamt waren am Freitag in der Berliner Innenstadt 7.000 mit Helium gefüllte Ballons aufgestellt worden.

Am Nachmittag begann am Brandenburger Tor ein Bürgerfest, auf dem bis zum Abend Stars wie Peter Gabriel, Daniel Barenboim und Udo Lindenberg auftreten sollten. Rund um den Veranstaltungsort strömten mehrere zehntausend Besucher zusammen.

In der Stadt waren insgesamt Hunderttausende unterwegs - insbesondere an der 15 Kilometer langen Strecke der Ballonaktion "Lichtgrenze". Ab 19.00 Uhr sollten im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck 7.000 Lichtballons in den Himmel steigen und so das Verschwinden der Grenze symbolisieren.

Auf der nächsten Seite lesen Sie wie der Mauerfall ablief:

Mit SED-Regierungssprecher Günter Schabowskis Stotterer "sofort... unverzüglich" begann am 9. November 1989 die Nacht des Mauerfalls. Bis zum nächsten Morgen konnten die Schlagbäume zwischen Ost- und Westdeutschland 28 Jahre nach ihrer Errichtung dem Lauf der Geschichte nicht mehr standhalten. Die Ereignisse machten den Tag zu einem der wichtigsten Daten der jüngeren Weltgeschichte.

Als sich nach gut 28 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 die Mauer öffnet, machen sich Zehntausende DDR-Bürger auf den Weg in den Westen. Es ist der Auftakt zur Deutschen Einheit. Wie es dazu kam - ein Protokoll:

18.53 Uhr - SED-Politbüromitglied Günter Schabowski erläutert auf einer internationalen Pressekonferenz in Ost-Berlin das neue DDR-Reisegesetz. Danach sollen Privatreisen ins Ausland ohne besondere Voraussetzungen möglich sein. Auf die Frage, ab wann das gilt, stammelt er: "Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort... unverzüglich."

19.04 Uhr - Die Nachrichtenagentur dpa sendet die Eilmeldung: "Von sofort an können DDR-Bürger direkt über alle Grenzstellen zwischen der DDR und der Bundesrepublik ausreisen." Die Nachricht platzt in die Bonner Bundestagsdebatte über eine neue Vereinsbesteuerung.

20.00 Uhr - Die ARD-"Tagesschau" beginnt mit der Schlagzeile: "DDR öffnet Grenze".

20.46 Uhr - Der Bundestag tritt in seinem Ausweichquartier im Bonner Wasserwerk zu einer Sonderaussprache zusammen. Am Ende der Sitzung singen die Abgeordneten spontan die Nationalhymne.

20.47 Uhr - Der zweite Tag der Sitzung des SED-Zentralkomitees endet in Ost-Berlin. Bisher hat die Partei- und Staatsspitze die Pressekonferenz und deren Folgen noch nicht zur Kenntnis genommen.

21.03 Uhr - Ein West-Berliner klettert auf die Mauer am Brandenburger Tor, kommt aber der Aufforderung der DDR-Polizei nach, in den Westteil zurückzuspringen.

Gegen 21.20 Uhr - Tausende fordern die Öffnung des Schlagbaums an der Bornholmer Straße im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Die Grenzbeamten entscheiden sich für die sogenannte "Ventillösung", bei der einige Ausreisewillige in den Westen gelassen werden. Mit dem Visumsstempel über dem Passbild werden viele Personalausweise ungültig gemacht - eine faktische Ausbürgerung. Die Menschen werden mit Freudentränen und Umarmungen empfangen.

21.34 Uhr - US-Präsident George Bush reagiert auf einer Pressekonferenz in Washington zunächst zurückhaltend auf die Meldungen. Er sei "sehr erfreut", sagt er, wirkt aber nachdenklich.

22.44 Uhr - Die West-Berliner Polizei meldet, dass am Brandenburger Tor die Westseite der Mauer mit Hämmern beschädigt werde.

Ab 23.00 Uhr - Der Druck an der Bornholmer Straße wird immer größer - bis die Beamten die Grenze öffnen und die Kontrollen einstellen: "Wir fluten jetzt!" Dann gibt es kein Halten mehr: Tausende DDR-Bürger werden in West-Berlin enthusiastisch empfangen. In den kommenden 45 Minuten passieren rund 20 000 Menschen den Übergang. Auch an anderen innerdeutschen Grenzübergängen fahren DDR-Bürger in den Westen.

23.50 Uhr - Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) gibt während seines Besuchs in Warschau eine Pressekonferenz. Er wolle seine Reise unterbrechen. Am nächsten Mittag fliegt er über Hamburg nach Berlin.

00.02 Uhr - Laut Lagebericht der DDR-Volkspolizei sind alle Grenzübergänge innerhalb Berlins geöffnet.

Ab 01.00 Uhr - Tausende West- und Ost-Berliner überwinden die Mauer am Brandenburger Tor. Sie tanzen auf dem Pariser Platz oder auf dem Grenzwall. Ab 03.30 Uhr riegeln Beamte aus Ost und West den Zugang zum Tor wieder ab. Ab 05.00 Uhr ist der Pariser Platz geräumt.

Gegen 03.00 Uhr - Nach Polizeiangaben macht sich der größte Teil der Ost-Berliner wieder auf den Rückweg aus dem Westen. Mehrere Zehntausend Menschen hatten die Grenze ungehindert passiert.

08.00 Uhr - Ab jetzt soll die Ausreise in den Westen mit Visum geschehen. Das DDR-Pass- und Meldewesen erteilt die Genehmigungen für Privatreisen beziehungsweise Visa zur ständigen Ausreise. In Berlin und an einigen anderen Grenzübergängen wie Rudolphstein und Helmstedt können DDR-Bürger zunächst weiterhin mit Personalausweisen passieren. Am Übergang Duderstadt-Worbis hingegen ist das nicht mehr möglich. Bis zum 11. November 13.00 Uhr werden 2,7 Millionen Visa erteilt.

09.30 Uhr - Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper (SPD), sagt in seiner Rede in Bonn: "Gestern Nacht war das deutsche Volk das glücklichste Volk auf der Welt."

Der 9. November spielte mehrmals eine wichtige Rolle in der deutschen Geschichte...Seite 3

Der 9. November symbolisiert wie kein anderes Datum Höhen und Tiefen deutscher Geschichte. Gleich mehrfach leiteten Ereignisse an diesem Tag eine Zeitenwende ein:

1848: Robert Blum, liberaler Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, wird nach einem Aufstand in Wien von kaiserlichen österreichischen Truppen standrechtlich erschossen. Sein Tod markiert das Ende der Märzrevolution. Blum als Verfechter eines demokratischen deutschen Nationalstaates wird für Generationen zur Symbolfigur für Freiheit und Demokratie.

1918: Am Berliner Reichstag ruft der SPD-Abgeordnete Philipp Scheidemann die deutsche Republik aus. Zwei Stunden später erklärt der Kommunist Karl Liebknecht vor dem Berliner Stadtschloss die Freie Sozialistische Republik. Reichskanzler Prinz Max von Baden gibt eigenmächtig den Thronverzicht von Kaiser Wilhelm II. bekannt. Die Regierungsgeschäfte werden dem SPD-Chef Friedrich Ebert übertragen.

1923: Mit Polizeigewalt wird der Marsch auf die Münchner Feldherrnhalle aufgelöst. Damit findet der Putschversuch von Adolf Hitler und Erich Ludendorff, dem früheren Generalquartiermeister der kaiserlichen Armee, gegen die Weimarer Republik einen Tag nach seinem Beginn sein Ende. Hitler wird zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.

1938: In der Nacht zum 10. November kommt es zu Massen-Pogromen gegen Juden. Bei den Exzessen der Nazis werden nach Einschätzung von Historikern mehr als 1.300 Menschen getötet und über 30.000 Juden in Konzentrationslager verschleppt. Etwa 7.500 jüdische Einrichtungen werden demoliert, die meisten der rund 1.200 Synagogen niedergebrannt. Der Zerstörung jüdischer Einrichtungen folgt bald die systematische Vernichtung jüdischen Lebens in ganz Deutschland und Europa.

1989: Die Berliner Mauer fällt. 28 Jahre nach dem Bau verliert das Bollwerk seine Funktion, die Grenzen in der geteilten Stadt werden geöffnet. Tausende feiern das Jahrhundertereignis am Brandenburger Tor. Auch an der innerdeutschen Grenze gehen die Schlagbäume hoch, das Tor zur deutschen Einheit ist aufgestoßen.