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Blue Zones: Hier leben die Menschen am längsten

Blue Zones sind Gebiete, in denen überdurchschnittlich viele Menschen überdurchschnittlich lang leben. Woran liegt das?

Heute Redaktion
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Dass die Lebenserwartung der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen hat, ist kein Geheimnis: Die Menschen werden immer älter. Alleine in Europa steigt die Lebenserwartung sowohl bei Männern als auch bei Frauen alle vier Jahre um ein weiteres Jahr an. Doch was führt zu einem langen Leben? Welche Faktoren beeinflussen die Lebensdauer positiv? Und warum gibt es Regionen der Erde, deren Bewohner überdurchschnittlich lange leben?

Was ist eine Blue Zone?

Diesen Fragen widmet sich seit nunmehr 25 Jahren Demograf Michel Poulain. Zunächst beschäftigte er sich mit seinem Heimatland Belgien, reiste dann jedoch auf den Hinweis eines italienischen Arztes nach Sardinien und entdeckte dort die erste Blue Zone: Ein Gebiet, in dem überdurchschnittlich viele Menschen 100 Jahre und älter werden.

Nachdem die Forscher ihren ersten Bericht dazu veröffentlicht hatten, geht die Suche nach den Blue Zones kontinuierlich weiter. Unter anderem wurden bisher welche auf Nicoya (Costa Rica), Sardinien (Italien), Okinawa (Japan), Loma Linda (Kalifornien) und der griechischen Insel Ikaria entdeckt. Der amerikanische Autor Dan Buettner veröffentlichte schließlich das Buch "The Blue Zone Solution". Dabei wird auch beleuchtet, wie man die Erkenntnisse der Blue Zones auf das eigene Leben übertragen kann.

Was lässt uns "ewig" leben?

Natürlich spielt die Genetik eine tragende Rolle. Neben der Genetik gibt es allerdings auch die Epigenetik - die Art und Weise, wie Gene mit dem eigenen Lebensstil interagieren und aktiviert werden. Das bedeutet, dass nicht alles vorprogrammiert ist. Durch unseren Lebensstil können wir aktiv dazu beitragen, ein langes und gesundes Leben zu führen. Dieser Lebensstil setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen, die die Blue Zones gemeinsam haben.

Ernährung

Zunächst wird eine Parallele zwischen der Ernährung gezogen. In den Blue Zones besteht diese aus Obst, Gemüse, Milchprodukten und einer moderaten Menge an Fisch und Fleisch. Sie ist ausgewogen, nachhaltig und besteht zu 90 Prozent aus Produkten eigener Herstellung beziehungsweise Haltung.

"Die Lebensmittel werden lokal produziert, und die Herstellung ist sehr simpel, ohne Konservierungsmittel oder Pestizide. Die Familien auf Sardinien haben alle Gärten, in denen sie selbst Gemüse anbauen", schildert Poulain dem Magazin "Diner's Club".

Dabei gehe es nicht darum, Diät zu halten, sondern Lebensmittel zu konsumieren, die frei von Schadstoffen sind. "Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Umstand ist, dass die Menschen nur so lange essen, bis ihr Magen zu 80 Prozent gefüllt ist." Üppige Mahlzeiten gebe es also nur zu besonderen Anlässen, etwa einem Besuch ausländischer Gäste. Dann nimmt man sich Zeit für das Essen, kommt zusammen und genießt.

Arbeit und Bewegung

Ein wesentlicher Aspekt der Blue Zones ist, dass die meisten Menschen, die sich in ihnen bewegen, Landwirten oder Hirten sind. "Sie hören eigentlich nie wirklich auf zu arbeiten und bewegen sich ihr ganzes Leben auf natürliche Weise." Einen Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit gebe es nicht. Diese Art der körperlichen Betätigung führe dazu, dass die Menschen in den Blue Zones bis ins hohe Alter hinein kräftig und agil bleiben.

"Bin ich auf Sardinien mit Hirten in den Bergen unterwegs, komme ich kaum hinterher, obwohl sie um einiges älter sind als ich. Ein Freund von mir, der zu dem Zeitpunkt 52 Jahre alt war, hat auf Ikaria gegen einen 102-Jährigen im Armdrücken verloren", lacht Poulain.

Umfeld

Ein weiterer wesentlicher Faktor für ein langes Leben ist die richtige Umgebung. Dazu gehören sauberes Trinkwasser, frische Luft und angenehmes Wetter. Zeitlicher Stress und Einsamkeit finden in den Blue Zones keinen Platz. Hier kennt man seine Nachbarn und hilft einander.

Daraus erschließt sich, dass Geld in den Blue Zones keine übergeordnete Rolle spielt. Durch das Tauschen untereinander kommt Gier erst gar nicht auf. Nebenbei pflegt man außerdem seine sozialen Kontakte. "Man kann sich auch als alter Mensch immer auf Unterstützung verlassen. Das ist auch einer der wichtigsten Punkte, die ich zu promoten versuche: der Umstand, dass alte Leute in der Gemeinschaft integriert bleiben." In unseren Breitengraden sei das oft nicht mehr der Fall.

Warum "Blue Zones"?

Poulain erinnert sich: "Nachdem unsere Nachforschungen erfolgreich waren, habe ich eine leere Karte von Sardinien hergenommen und mit einem blauen Stift jene Orte der Insel markiert, an denen der Großteil der Überhundertjährigen lebt." Hätte er stattdessen einen roten Stift verwendet, würden die Zonen heute wohl "Red Zones" heißen, lacht der Forscher.

Ab in die Blue Zone?

Der Gedanke, der auf der Hand liegt, wäre, alles hinzuschmeißen und sich in eine der Blue Zones zurückzuziehen. Poulain erklärt jedoch, dass auch das nicht die Lösung wäre: "Unser Körper ist an unsere physische Umwelt und unser soziales Umfeld angepasst, ihn da plötzlich rauszureißen würde nur Stress bedeuten." Lieber solle man das, was man von den Blue Zones gelernt hat, auf die postmoderne Gesellschaft übertragen und ins tägliche Leben integrieren.

In den USA laufen dazu sogar bereits "Blue Zones Communities" - Projekte, bei denen in ausgewählten Städten genau das versucht wird. So versucht man innerhalb eines mit den Bürgern erstellten Plans, die Erkenntnisse des Blue-Zone-Lebensstils umzusetzen.

"Es werden in Restaurants kleinere Portionen mit natürlicheren Inhaltsstoffen serviert, die Softdrinks und Chips wurden in die hinteren Supermarktregale verbannt, und es wurden eigene Fußgänger- und Fahrradzonen eingerichtet", erklärt Poulain.

In den Niederlanden und in Belgien gibt es eine Initiative mit dem Namen "Man Made Blue Zones". Das Ziel: Gebiete aufzubauen, die den Blue Zones ähnlich sind, sowohl innerhalb von Städten als auch auf dem Land. Wichtig ist, dass niemand von den Gebieten ausgeschlossen wird - schließlich erfüllen sie nicht ihren Zweck, wenn man erst genügend Geld braucht, um Teil davon zu sein.

"Silber-Tsunami"

Was uns in den nächsten Jahren erwartet, ist laut Poulain ein "Silber-Tsunami": "Wir werden immer älter, das Pensionsalter bleibt jedoch beinahe gleich, die Folge ist eine große Anzahl von Menschen zwischen 65 und 80, die großteils über eine gute körperliche und geistige Verfassung verfügen."

Weiter aktiv zu bleiben, sich mit den Menschen in seinem Umfeld auseinanderzusetzen und nicht in dem Gedanken verweilen, bereits genug für die Gesellschaft getan zu haben, seien laut Poulain die dringlichsten Maßnahmen für die Zukunft. (rfr)